Industrie-Initiative „Wir zusammen“ Flüchtlings-App gegen deutschen Behörden-Ärger

Eine App für Durchblick im Behördendschungel und eine Programmier-Schule: Flüchtlinge machen die Internetwirtschaft bunter. Firmen geben mit der Initiative „Wir zusammen“ Antworten auf den Mangel an IT-Fachkräften.

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Jens-Peter Stehnke (Bereichsleiter HR, Hermes Fulfilment, v.l.), Armin Berger (Geschäftsführer 3PC), Karoline von Bockelmann (Direktorin HR, Tech Data Deutschland & Österreich), Christian Pokropp (Geschäftsführer, kloeckner.i) und Moderatorin Corinna Nohn (Handelsblatt) besprechen die besten Ansätze. Quelle: Christian Burkert

Hannover Zettel, Formulare und Öffnungszeiten: Der Alltag in deutschen Ämtern ist nicht immer leicht. Das fällt schon deutschen Bundesbürgern nicht leicht. Doch Flüchtlinge, die erst noch die Sprache lernen, stellt das vor gewaltige Herausforderungen. Für Munzer Khattab war das jedoch ein guter Anlass für ein Projekt: Mit einem Team von Entwicklern baute er die App „Bureaucrazy“, die durch den Dschungel von Anträgen und Formularen helfen soll.

Mit der App will der Syrer nicht nur anderen Neuankömmlingen in Deutschland helfen, sie brachte ihm auch einen Job bei der Internetagentur 3pc in Berlin ein. „Die App war eine tolle Idee und wir sind froh, dass Herr Khattab jetzt zu unserem Team gehört“, sagte 3pc-Geschäftsführer Armin Berger. „Ich bin Unternehmer. Integration ist nicht mein Geschäftsmodell, aber es rechnet sich“, hob Berger vor Entscheiderinnen und Entscheidern aus den verschiedensten Branchen zum neunten Teil einer Veranstaltungsreihe der Industrie-Initiative „Wir zusammen“ und des Handelsblatts in Hannover hervor.

In der deutschen Internetwirtschaft würden händeringend Fachkräfte gesucht, 51.000 Stellen seien derzeit nicht besetzt, klagte Christian Pokropp, Geschäftsführer von kloeckner.i, der Digitaleinheit von des Stahlhändlers Klöckner & Co. Als Hauptsponsor unterstützt die Firma deshalb die Programmierschule für Flüchtlinge ReDI School of Digital Integration. Zwei Absolventen seien von ihm in Festanstellungen übernommen worden, sagt Pokropp. „Die Chancen nach Abschluss der Schule stehen sehr gut. Wir helfen ihnen mit unserem Netzwerk.“ Zudem stelle kloeckner.i etwa 400 Quadratmeter Bürofläche für die Schule in Berlin bereit.

In der Programmierschule, die auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg unterstützt wird, bekommen Neuankömmlingen in Deutschland in dreimonatigen Abendkursen Fachwissen für die Internetwirtschaft beigebracht. Die Lehrerinnen und Lehrer sind Fachkräfte von Technikfirmen und Universitäten, die ehrenamtlich die Flüchtlinge unterrichten. Die 2016 gegründete gemeinnützige Programmierschule startete mit einer ersten Klasse mit 40 Schülerinnen und Schülern – mittlerweile sind es mehr als 300. Viele von ihnen kommen aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, Eritrea oder Irak.

Zwei Jahre nach der Ankunft vieler Hunderttausenden Flüchtlinge in Deutschland stehe jetzt die Integration im Vordergrund, sagte Uta Dauke, Vizepräsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. „In diesem Jahr sind bisher 190 000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen.“ Politik und Wirtschaft müsse nun bessere Wege finden, damit die Neuankömmlinge in Deutschland auch sinnvolle Aufgaben in der Bundesrepublik fänden.

Doch in vielen Fällen läuft der Weg für Geflüchtete in den deutschen Arbeitsmarkt nicht so reibungslos wie für Munzer Khattab und andere Absolventen der ReDI-Schule. „Abschiebungen während einer Ausbildung sind leider nicht nur Einzelfälle“, sagte Dirk Werner, Chef des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Es habe sich schon viel gebessert, etwa dank der „3+2-Regel“ im Integrationsgesetz. Geflüchtete in Ausbildung dürfen nun, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, die Ausbildung beenden und zwei weitere Jahre bleiben. Doch das werde nicht überall reibungslos umgesetzt. Besonders in Bayern gebe es immer wieder Fälle von Abschiebungen während einer Berufsausbildung.

Gerade weil es viele Herausforderungen gebe, sei ein Austausch zwischen deutschen Unternehmen so wichtig, hob Marlies Peine, Projektleiterin und Sprecherin von „Wir zusammen“, hervor. „Bei uns haben sich mittlerweile 207 Firmen zusammengeschlossen und es kommen immer mehr dazu.“ Über die Mitgliedsfirmen seien bereits mehr als 1000 Festanstellungen und rund 800 Ausbildungsplätze geschaffen worden. Zudem seien Tausende Praktikumsplätze für Flüchtlinge geschaffen worden.

Am 21. November findet die zehnte Veranstaltung der Initiative „Wir zusammen“ in Köln statt.

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