Die Reverse Logistics Group (RLG) mit Sitz in Dornach bei München beschäftigt sich mit der Rücknahme von Produkten. Die RLG entwirft und betreibt mit ihren Tochter- und Beteiligungsunternehmen Rücknahmelösungen und -systeme für Produkte, Komponenten und Materialien.
Zur Person
Patrick Wiedemann ist Geschäftsführer des Münchner Dienstleisters Reverse Logistics GmbH und Vorstand der CCR Logistics Systems AG.
WirtschaftsWoche: Der Hausgerätehersteller Miele startet in diesem Monat mit einem Vertriebsmodell für Waschmaschinen: der Kunde kauft das Gerät nicht mehr, sondern mietet. Ist das die Zukunft?
Patrick Wiedemann: Das Miele-Modell geht in diese Richtung, ist jedoch mehr ein Finanzierungs- als ein Nutzungsentgeltmodell im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Über solche Miet-oder Leasingmodelle wird in jedem Fall aber die notwendige Voraussetzung geschaffen, um Circular-Modelle zu realisieren, denn die Eigentümerschaft bleibt beim Hersteller. Der Hersteller hat so permanent Zugriff auf die Geräte und kann seinem Kunden eine serviceorientierte und deutlich kundenfokussiertere Nutzung anbieten. Das schafft die Basis für eine gesteigerte Kundenbindung.
Welche Chancen bietet das Modell Kreislaufwirtschaft?
Durch eine gezielte Rückgewinnung und erneute Nutzung ganzer Produkte oder Komponenten und letztlich auch sich verknappenden Materialien können deutliche Produktivitätsfortschritte und Kosteneinsparungen erzielt werden.
Wie muss Kreislaufwirtschaft konstruiert sein, um nachhaltig erfolgreich sein zu können?
Sie muss als ganzheitlicher Ansatz implementiert werden, beginnend beim Produktdesign über das veränderte Geschäfts- und Verkaufsmodell bis hin zur vorbereiteten Nutzung nach Produktrücknahme und letztendlich einer materiellen Verwertung.
Was kann RLG zur Abwicklung solcher Modelle anbieten?
Erfahrung im Design von intelligenten Rückführungsprozessen einschließlich der dafür notwendigen IT-Infrastruktur und Kommunikation mit dem Kunden zur Sicherstellung eines guten Kundenerlebnisses. Darüber hinaus Erfahrung im Managen sämtlicher Prozesse zur Begutachtung, Kanalisierung, Wiederaufbereitung der Produkte und Komponenten sowie Recycling.
Welche konkreten Vorteile hat der Verbraucher?
Es ist ein deutlich kundenfreundlicheres und bedarfsgerechteres Geschäftsmodell. Dazu gehört auch die Möglichkeit, immer den letzten Stand der Technik nutzen zu können, was wiederum zu Einsparungen beim Stromverbrauch führt. Wenn alle Möglichkeiten eines des Konzepts Kreislaufwirtschaft ausgeschöpft sind, wird dies zu weniger Kosten für den Verbraucher führen.
Besteht nicht die Gefahr, dass der Nutzer am Ende mehr zahlt als beim Kauf?
Nicht wenn es echte dienstleistungs- und bedarfsorientierte Modelle sind, die den Restwert der Produkte bei der Rückgabe berücksichtigen.
RLG wickelt für Geschäftskunden Produktretouren und deren Wiederaufbereitung ab. Ist das nicht im Ansatz ein Beispiel für Kreislaufwirtschaft?
Ein Beispiel ist das Leasing von Kopierern, wo nicht nur das Gerät selbst sondern auch dessen Nutzung aufwandsgerecht in Rechnung gestellt wird und das Gerät mehrere Nutzungen erfährt.
Wo ist das Problem, diese Lösungen auch auf das Geschäft mit Endverbrauchern zu übertragen?
Heutige Vertriebsmodelle im Konsumentenbereich sind linear, von der Produktion über den Verkauf bis zur Entsorgung und im Grunde rein am Verkauf orientiert und nicht auf eine Interaktion mit dem Kunden. Oftmals gibt es keinerlei Hersteller-Kunden-Verbindung.
Vorteile durch die Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft
Gibt es Hersteller, die an einer Kooperation mit RLG Interesse signalisiert haben?
Ja, beispielsweise denken Hersteller wie HP im Bereich IT und auch Bosch Siemens Hausgeräte bei Haushaltsgeräten über entsprechende Modelle nach. Limitierender Faktor ist bislang die bestehende Unsicherheit in der Kalkulation von Aufwänden und Erlösen und auch der fehlende Mut von Herstellern ihr Geschäftsmodell grundsätzlich zu.
Digital or dead: So überleben Sie die digitale Zukunft
Die Digitalisierung wird mittelfristig das Kerngeschäft der meisten Unternehmen beeinflussen. Führungskräfte müssen analysieren (lassen), wie sich die Spielregeln für ihre Branche verändern und die einzelnen Herausforderungen zu ihrer persönlichen Agenda machen.
Quelle: Digital or dead von Serhan Ili und Ulrich Lichtenthaler
Viele Firmen konzentrieren sich darauf, vor allem die Effizienz ihrer Produktion durch neue Technologien zu stärken. Wer sich aber ausschließlich auf technologiegetriebene Effizienzsteigerung konzentriert, verschenkt in Zukunft Wachstumschancen. Denn diese entstehen durch digitale und analoge Innovationen.
Führungskräfte müssen besonders vielversprechende digitale Lösungen für ihr Unternehmen identifizieren. Wenn sie ein oder mehrere Tools in der engeren Auswahl haben, sollten sie das Ausprobieren der Software im Unternehmen fördern.
Neben dem kurzfristigen Ausprobieren müssen Unternehmen auch langfristig für ihre IT-Zukunft planen. Schließlich sollen die neuen Softwarelösungen, die zum Geschäftsmodell passen, auch in die bestehende Unternehmens-IT integriert werden.
Der Ausgangspunkt der Digitalisierungsinitiative sollte keinesfalls die IT sein. Vielmehr sollten die damit befassten Entscheider zunächst ein klares Bild davon haben, welchen Nutzen die Digitalisierung dem Unternehmen bringen sollte. Auf dieser Grundlage sollte alsdann zunächst ein passendes Geschäftsmodell für die digitalen Aktivitäten entwickelt werden, bevor dieses dann innerhalb der IT tatsächlich umgesetzt wird.
Eine zentrale Gefahr für Industrieunternehmen ist das Auftreten neuer Komplettlösungsanbieter wie Uber, die direkt an der Schnittstelle zum Kunden arbeiten und diese besetzen. Umgehen kann man diese Gefahr mit der Entscheidung für eine interne Digitalisierungslösung.
Eine Stelle wie die des CDO zu schaffen, der die Digitalisierungsbemühungen koordiniert, ist sehr hilfreich. Der Chief Digital Officer braucht aber auch genügend Macht und Einfluss innerhalb des Unternehmens. Wenn sein Posten nur eine Alibifunktion innehat, nützt das wenig.
Über die koordinierende Funktion des Chief Digital Officers hinaus beinhaltet die Digitalisierung eines Unternehmens üblicherweise weitere, größere Veränderungen, die ein gewisses Maß an Beteiligung des ganzen Unternehmens erfordert. Die Unternehmenslenker müssen eine überzeugende Digitalisierungsgeschichte entwickeln, um die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten sicherzustellen.
Unternehmen müssen bewegliche und flexible Innovationsprozesse anstoßen und weiterentwickeln - zumindest als Ergänzung für traditionellere, systematische Prozesse. Darüber hinaus ist es unabdingbar, ganze Produktlösungen innerhalb des geschäftlichen Umfelds zu optimieren, anstatt nur einzelne Produktspezifika zu verändern.
Digitalisierung erfordert neue Kompetenzen und beinhaltet oft die Veränderung bekannter und bewährter Geschäftsmodelle. Daraus folgt, dass Unternehmen offen für Hilfe von außen, nämlich von Digitalisierungsexperten, sein sollten, um den größtmöglichen Nutzen aus Innovation und den dazugehörigen Kompetenzen ziehen zu können.
Auf welche Produktgruppen, außer Haushaltsgeräte, wären solche Modelle noch anwendbar?
Auf alle Arten von mobilen und hochwertigen Elektro- und Elektronikartikel sowohl aus dem Unterhaltungsbereich, aber auch medizinische Produkte.
Welche Vorteile bietet die Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft?
Digitalisierung schafft die Basis für vernetzte und permanente Kommunikation zwischen Geräten und Kunden. So lassen sich beispielsweise Informationen zur verbesserten Bedarfsermittlung und Nutzungsoptimierung generieren und logistische Prozesse optimieren.
Wie hoch schätzen Sie die Investitionen, um die notwendigen technischen Voraussetzungen für ein funktionierendes Modell zu realisieren?
Die Kapitalinvestitionen für die Ausstattung der Geräte und das Aufsetzen der Prozesse sind relativ gering. Erheblicher fallen die Aufwände zur Veränderung der organisatorischen Strukturen innerhalb der Herstellerorganisationen ins Gewicht, was wiederum den Veränderungsmut hemmt.
Welchen volkswirtschaftlichen Nutzen bietet Kreislaufwirtschaft?
Laut einer Studie der Ellen MacArthur Foundation beziffert sich das Ertragspotenzial einer Kreislaufwirtschaft in der EU auf 1,8 Billionen Euro.