Salm, Sasse, Bora So sorgen Mittelständler für Aufmerksamkeit

Viele mittelständische Unternehmen sind spitze in ihren Branchen und Nischen. Doch um neue Märkte zu erschließen reicht vielfach der Bekanntheitsgrad nicht aus. Mit welchen Ideen verschaffen sich Mittelständler Beachtung?

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Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Salm, Küchen: Mit Franchise die Heimat erobern

In Frankreich ist der Name Schmidt ein Deonym für Küche. „So wie in Deutschland Tempo, Zewa oder Tesa“, sagt Caroline Leitzgen mit leichtem französischem Akzent. Im Nachbarland sind Cuisines Schmidt die klare Nummer eins, wenn es um den Kauf einer Einbauküche geht.

Leitzgen, die 42-Jährige mit rotbraunen Locken, Designerbrille und Brilli im rechten Nasenflügel, ist gemeinsam mit ihrer Schwester Anne in dritter Generation Mitinhaberin und Marketinggeschäftsführerin des französischen Möbelherstellers und -händlers Salm (Société Alsacienne de Meubles) im Vogesenort Lièpvre bei Sélestat. Jetzt wollen die beiden ihren historischen Heimatmarkt zurückerobern. Denn Salms Wurzeln liegen in dem einst saarländischen Unternehmen Schmidt.

Deutschlands erfolgreichste Mittelständler
Platz 30: J. Schmalz GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 71,1 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 21,1 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 9,4 ProzentDie Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) hat die Mittelständler mit dem größten Wachstum bei Umsatz und Erträgen in den letzten fünf Jahren gekürt. Platz 30 geht an J. Schmalz GmbH aus Glatten in Baden-Württemberg. 1910 als Rasierklingenfabrik gegründet, gilt das Unternehmen mittlerweile als Spezialist für Vakuumtechnologie.Quelle: Munich Strategy Group: "TOP 100 Ranking des Mittelstands 2014 - Deutschlands Wachstums-und Ertragsstars" Für ihr jährliches Unternehmensranking hat die Unternehmensberatung MGS rund 3.300 Mittelständler mit Umsätzen von 15 bis 400 Millionen Euro analysiert, um daraus die wachstums- und ertragsstärksten Unternehmen herauszufiltern.Das Ranking ergibt sich aus einem Score, der sich aus durchschnittlicher Ertragsquote und durchschnittlichem Umsatzwachstum im Zeitraum 2009 bis 2013 ergibt. Beide Indikatoren werden gleich gewichtet und ergeben addiert den Gesamtscore. Quelle: Presse
Platz 29: Duo Plast AGUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 44,7 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 12,6 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 16,1 ProzentDie Duo Plast AG kommt im MGS-Ranking auf Rang 29. Der Hersteller von Stretch-, Dehn- und Wickelfolien produziert an zwei Standorten in Hessen und Thüringen. Quelle: Screenshot
Platz 28: Vemag Maschinenbau GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 76,7 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 16 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 11,7 ProzentDie VEMAG Maschinenbau GmbH stellt Maschinen und Geräte für die Nahrungsmittelindustrie Handwerk her. Dazu zählen Würstchenfüller und Teigportionierer. Einen Schwerpunkt bildet hier die Entwicklung eines Convenience Systems, das dem Anwender ein flexibles System zum Portionieren und Formen von Produkten bietet. Quelle: Presse
Platz 27: Busch-Holding GmbHUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 391,717 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 13 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 15,3 ProzentBusch Vakuumpumpen und Systeme ist einer der größten Hersteller von Vakuumpumpen, Gebläsen und Verdichtern weltweit mit mehr als 2600 Mitarbeitern. Nach eigenen Angaben warten Servicetechniker und Ingenieure des baden-württembergischen Unternehmens Vakuumsysteme auf der ganzen Welt – „von der Offshore Ölgewinnung in der Arktis bis hin zur Lebensmittelverpackung in Patagonien“. Quelle: PR
Platz 26: Hawe Hydraulik SEUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 317.2 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 21 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 9,8 ProzentDer 1949 gegründete Hydraulikhersteller Hawe beschäftigt heute rund 2.100 Mitarbeiter in Deutschland und im Ausland. Im MGS-Ranking belegt das inhabergeführte Familienunternehmen aus Bayern Rang 26. Quelle: Presse
Platz 25: FlyeralarmUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 258,8 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 20,2 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 10,2 ProzentFlyeralarm wurde 2002 gegründet und ist auf den Vertrieb von Druckprodukten und Werbetechnik spezialisiert. Das Würzburger Unternehmen zählt zu den führenden Onlinedruckereien. Quelle: Screenshot
Platz 24: Vapiano SEUmsatz im Geschäftsjahr 2012/2013: 135 Millionen Eurodurchschnittliches Umsatzwachstum von 2008 bis 2012/2013: 19,3 Prozentdurchschnittliche Ertragsquote von 2008 bis 2012/2013: 10,5 ProzentSystemgastronom Vapiano kommt im Mittelstandsranking von MGS auf Rang 24. Mit ihrem Selbstbedienungskonzept ist die mediterrane Restaurant-Kette seit 2002 zu einem weltweiten Erfolg geworden. Heute gibt es rund 150 Vapianos in 29 Ländern auf fünf Kontinenten. Quelle: Screenshot

Bisher macht die Gruppe den größten Teil des Umsatzes – 2014 rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz – in Frankreich. Produziert wird in vier französischen Werken und einem im Saarland, in Türkismühle, der Keimzelle des Unternehmens. Verkauft werden Küchen und Möbel vor allem in mehr als 400 französischen Geschäften der Marke Cuisines Schmidt und Cuisinella. In Deutschland sind es nur 50 Läden.

Das soll sich rasch ändern. Schließlich sei Deutschland der größte Küchenmarkt in Europa: „Wir müssen hier expandieren und unseren hohen Bekanntheitsgrad über die Grenze bringen.“ Der liegt im Nachbarland bei mehr als 90 Prozent. Allerdings sei Deutschland auch der härteste Markt für Küchen in Europa. „Marktanteile lassen sich nur über Verdrängung gewinnen“, sagt Leitzgen.

Die nächste Generation der Industrie wird den Arbeitsmarkt umkrempeln. Skeptiker fürchten Stellenstreichungen, doch tatsächlich entstehen mit der Digitalisierung völlig neue Beschäftigungsbereiche. Die Jobs der Zukunft.

Schmidt-Küchen hat eine wechselvolle Geschichte. Als das Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg unter französischem Protektorat steht, beginnt Gründer Hubert Schmidt damit, französische Kunden mit Küchenbüfetts zu beliefern, also Einzelschränken. Von seinen neuen Kunden ist Schmidt abrupt wieder abgeschnitten, als sich die Saarländer für die Zugehörigkeit zu Deutschland entscheiden. Um Zölle und andere Schwierigkeiten zu vermeiden, verlegt Schmidt die Produktion ins rund 1700 Einwohner zählende Lièpvre.

Glatte Verdopplung

Ihren historischen Heimatmarkt wollen die Franzosen vor allem mit Franchise-Läden erobern. 2014 öffneten sie neue Küchenstudios in München, Mannheim, Heusenstamm bei Offenbach und Koblenz. 2015 sollen weitere sechs bis acht Filialen dazukommen, etwa in Krefeld und Karlsruhe. „Bis 2020 sehen wir Potenzial für mindestens 100 Schmidt-Küchenmärkte“, sagt die Gründer-Enkelin. Dann würde sich vielleicht auch Fernsehwerbung in Deutschland lohnen, so wie es Schmidt in Frankreich macht: Dort fließen jährlich rund acht Millionen Euro in TV-Spots.

Foto von Salm-Mitinhaberin Leitzgen Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

In Deutschland ist alles eine Nummer kleiner. Um die Bekanntheit der Küchenstudios zu steigern, wird in deren Einzugsgebiet zweimal jährlich eine kostenlose Wohnraum-Zeitung an die Haushalte verteilt. Darin wird auf das herausragende Merkmal von Schmidt-Küchen hingewiesen: „Da wir selbst produzieren, können wir nach Maß fertigen“, sagt Leitzgen, „und zwar preisneutral.“ Soll heißen: Möchte ein Kunde statt einem 80 Zentimeter breiten Schrank einen mit 50 und einen zweiten mit 30 Zentimetern, bekommt er diesen Wunsch erfüllt – ohne Aufpreis, so Leitzgen. Die Salm-Gruppe zimmert pro Werktag rund 600 Küchen und beschäftigt 1500 Mitarbeiter, davon 150 in Deutschland.

Für die Expansion sucht die passionierte Harley-Fahrerin – stolze Besitzerin einer Softail Nightrain – nach Franchise-Partnern. Branchenerfahrung sei dabei ausdrücklich unerwünscht. „Wir suchen Händler mit Führungs- und Verkaufstalent“, sagt die Marketingchefin. „Die besten Erfahrungen haben wir mit Quereinsteigern aus anderen Branchen gemacht.“

Foto von Kornbrenner Sasse Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Bis zu 300.000 Euro sollen die Franchise-Nehmer investieren, rund 60.000 Euro davon müssen sie als Eigenkapital mitbringen. Das Unternehmen hilft bei der Finanzierung, berät beim Businessplan und gibt Verkaufskonzepte an die Hand. Im Gegenzug zahlen die Partner 1500 Euro im Jahr plus 1,5 Prozent des Umsatzes. Dafür bekommen die Franchise-Nehmer einen Gebietsschutz und die Garantie, dass es Schmidt Küchen nur in den eigenen Läden und nicht in jedem x-beliebigen Möbelhaus gibt. Schmidt sei im mittleren Preissegment zwischen 6000 und 14.000 Euro zu Hause, so Leitzgen, also oberhalb von Wettbewerbern wie Nobilia oder Nolte.

Um sich noch deutlicher von der Konkurrenz abzuheben, setzt Schmidt seit Beginn des Jahres auch auf maßgeschneiderte Schrank- und Möbelkonzepte für angrenzende Räume wie Flur oder Wohnzimmer. Leitzgen: „Komplettlösungen können wir schon lange. Aber nun gehen wir damit auch in die Offensive.“

Sasse: Mit Qualität gegen Kater

Sasse, Spirituosen: Mit Qualität gegen Kater

Da schaut man zweimal hin: „Rüdiger Sasse – Schnapsdrossel“, steht auf der Visitenkarte des 45-Jährigen. Sasse ist Inhaber der Feinbrennerei Sasse, einer der letzten selbstständigen Kornbrennereien im Münsterland. Und trotz vieler Rückschläge hat er seinen Humor nicht verloren.

Knapp 30 Jahre ist es her, da galt das Münsterland als Zentrum der Kornproduktion. Doch davon ist nicht mehr viel übrig. Der aus Getreide gewonnene Schnaps steckt seit Jahrzehnten in der Krise. Korn und Doppelkorn haben ein Imageproblem: Sie gelten als Billigfusel mit Brummschädelgarantie. Daher beduseln sich die deutschen Schluckspechte auch lieber mit Whisky, Wodka oder Gin. Das klingt hipper und schmeckt angeblich auch viel besser.

Sasse jedoch ließ sich vom Akzeptanzproblem des westfälischen Rachenputzers nicht beirren, ganz im Gegenteil. Er sattelte vom Banker zum Unternehmer um und wagte Ungeheuerliches: Obwohl sein Vater den Betrieb schon Ende der Achtzigerjahre wegen Erfolglosigkeit stilllegen musste, fingen Vater und Sohn Sasse Mitte der Neunzigerjahre wieder mit dem Kornbrennen an.

Das CEO-Vorabend-Event
Zukunftsfähigkeit sichern – Wachstumspotentiale realisieren – Von den Besten lernen. Das ist das Motto beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer. Am Dienstagabend trafen sich die CEOs bei der Optima Pharma GmbH zum Vorabend-Event. Quelle: Steffen Burger
Der geschäftsführende Gesellschafter der Optima Packaging Group, Hans Bühler. Quelle: Steffen Burger
Walter Döring, Wirtschaftsminister a.D. Baden-Württemberg und Inhaber der Akademie Deutscher Weltmarktführer, begrüßte die Gäste. Quelle: Steffen Burger
Auch WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel führte durch den Abend. Quelle: Steffen Burger
Zum Thema "Singapur - Ihre bessere Hälfte in Asien" referierte Ping Bu Loke, Centre Director Europe beim Singapore Economic Development Board. Quelle: Steffen Burger
Über die Erfahrungen von Rohde und Schwarz mit dem asiatischen Markt berichtete Geschäftsführer Peter Riedel. Quelle: Steffen Burger
Dazu gab es auch eine anschauliche Präsentation. Quelle: Steffen Burger

Seitdem sind einige Jahre vergangen. Der Neustart ist gelungen. Jetzt müssen neue Konsumenten her, Unternehmen und Marke müssen bekannter werden. Es sei überlebenswichtig, den Bekanntheitsgrad weit über das Münsterland hinaus zu steigern. Sasse ist klar: Wir müssen rund um unser Traditionsprodukt eine neue Geschichte schreiben, es erlebbar und überall verfügbar machen.

Zukunftsweisender Fund

Dafür besucht der Chef nicht nur Messen und Gourmetfestivals oder tingelt durch die Hotels in den Münsterländer Wasserschlössern. Er baut im Firmengebäude in Schöppingen nahe der holländischen Grenze auch ein kleines Besucherzentrum. Dort, wo noch vor ein paar Jahren eine Flaschenabfüllung stand, stapeln sich heute alte Wein- und Cognacfässer zwischen gemütlichen Sitzbänken. Fast 20.000 Menschen pilgerten 2014 hierher und nahmen an Rundgängen, Verkostungen, Vorträgen oder Destillationskursen teil.

Mit seinem veredelten Schnapsangebot ködert Sasse, der seit sechs Jahren die 1707 gegründete Brennerei in der zwölften Generation führt, nun auch Kunden, die eigentlich nie auf die Idee kämen, eine Flasche Korn zu öffnen. Neben dem Münsterländer Lagerkorn, der für 18 Euro in der Halbliterpulle zu haben ist und aus Bioweizen in einer Brennanlage aus 136 Jahre altem Kupfer destilliert wird und anschließend drei Jahre lang in Eichenfässern reift, offeriert Sasse auch Aperitifs, Wacholder und Kräuterliköre. Ein besonderer Tropfen ist der Lagerkorn „Bordeaux Finish“, der acht Jahre lang in Eichenfässern ruht, in denen zuvor Rotweine des Bordeaux-Weinguts Château Latour reiften. So viel französischer Glamour, gepaart mit westfälischer Destillierkunst, hat seinen Preis: 350 Euro kostet die 0,7-Liter-Flasche.

Die Qualität von Sasses Bränden spricht sich herum. Sie werden auf dem Petersberg in Bonn kredenzt, im Hotel Atlantic in Hamburg und beispielsweise bei den Promi-Gastronomen Sarah Wiener („Das Speisezimmer“) und Holger Zurbrüggen („Balthazar“) in Berlin.

Selbst im beliebten deutschen Restaurant Keitel’s in Tokio findet sich ein Sasse auf der Getränkekarte. Kunden in Japan oder Taiwan beliefert Sasse über seinen ebenfalls neu eröffneten Online-Shop. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen wieder knapp 40 Mitarbeiter und bildet sogar Destillateure aus. Vor 15 Jahren, als die Brennerei dichtmachen musste, arbeiteten nur noch fünf Menschen im Betrieb.

Foto von Bora-Chef Bruckbauer Quelle: Dieter Mayr für WirtschaftsWoche

Bis dahin war es ein langer Weg, der neben allem Ehrgeiz und Wagemut auch vom Zufall bestimmt war. Ende der Achtzigerjahre taucht im Keller eines Schöppingers eine verstaubte Flasche Korn auf, gebrannt von Rüdigers Großvater. Zur Überraschung aller ist der Fund milder, riecht anders und schmeckt besser als die billig produzierte Massenware, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren aus den Edelstahltanks auf Flaschen gezogen worden war.

Sasse junior macht sich auf die Suche und stößt auf alte Cognacfässer der Destillerie Rémy Martin, die ältesten von 1888. Für Sasse ist klar, „das Geheimnis eines guten Korns liegt in der Veredelung – und dafür braucht man die richtigen Fässer.“

Er beginnt zu experimentieren. Zehn Jahre vergehen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist und die ersten Flaschen in den Verkauf bringt. Zu seinen größten Abnehmern gehört die Gastronomie. Der Umsatz des Unternehmens bewege sich im „mittleren siebenstelligen Bereich“, sagt Sasse. „Der Direktverkauf im Internet wächst stark, 20 Prozent unserer Produkte setzen wir auf diesem Weg ab.“

Die Geschäfte laufen gut. So gut, das Sasse schon wieder investiert: in eine neue Reifehalle, in der bis 2020 rund 1000 Barriquefässer mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 200.000 Litern liegen sollen.

Bora: Mit Volldampf gegen den Kochdunst

Bora, Küchentechnik: Mit Volldampf gegen den Kochdunst

So richtig verstehen kann Willi Bruckbauer noch immer nicht, was da in den vergangenen sechs, sieben Jahren passiert ist. „Allein in den zurückliegenden zwölf Wochen musste ich 16 neue Mitarbeiter einstellen“, erzählt der gelernte Tischler. Und so dürfte es in den kommenden Monaten weitergehen. Bruckbauers Unternehmen Bora wächst seit seiner Gründung 2007 rasant. Küchenhersteller und Möbelhäuser reißen sich um sein Produkt: ein Dunstabzugssystem unterhalb der Kochplatten.

Die 30 Besten des deutschen Mittelstands
Produktion bei Ensinger Quelle: Presse
Sennheiser Produktion Quelle: Presse
Screenshot der Adva-Internetseite Quelle: Screenshot
Schiffsschraube Quelle: PR
Das Pfeiffer Vacuum Firmengebäude Quelle: Pfeiffer Vacuum Pressebild
Frank Blase, der Geschäftsführer von igus. Quelle: Presse
Armaturen in der Fertigung von Hansgrohe Quelle: REUTERS

Der Erfolg hat den findigen Unternehmer angespornt – er will mehr: „Wir haben ein fehlerfreies Produkt“, sagt Bruckbauer, „aber wir müssen es bekannter machen.“ Deshalb hat der Unternehmer vor drei Jahren damit begonnen, das in München beheimatete Radsportteam NetApp-Endura als Co-Sponsor zu unterstützen. Hauptförderer war damals der amerikanische IT-Konzern NetApp. Jetzt weitet Bruckbauer, der früher selbst Radrennen gefahren ist, sein Engagement aus: Von diesem Jahr an ist Bora Hauptsponsor und damit Namensgeber des 20-köpfigen Radsportteams namens Bora-Argon 18. Über die Summen, die Bruckbauer an die Mannschaft unter Leitung des früheren Radprofis Ralph Denk überweist, schweigt er sich aus.

Ohne Verwirbelung

An einem verschneiten Wintermorgen steht der 48-Jährige im Schulungsraum der Bora-Zentrale in Raubling bei Rosenheim. Die Alpen sind nah, draußen fallen dicke Flocken. Bruckbauer trägt Designerjeans und einen Dreitagebart. Das Interieur des Hauses ist ultramodern gestylt. Die Tische aus massivem Holz mit schlanken Stahlbeinen etwa hat der Chef mit entworfen.

Mittendrin steht Bruckbauers patentierte Erfindung: ein Cerankochfeld, das zunächst durch seine überdurchschnittliche Größe auffällt. Auf der Kochstelle finden problemlos fünf größere Töpfe Platz. Das Besondere: Der Herd kommt ohne die sonst oft störende Dunstabzugshaube aus. Denn in der Mitte des Ceranfelds hat Bruckbauer eine etwa 20 Zentimeter große runde Öffnung angebracht. Von unten saugt ein kleiner Elektromotor die beim Kochen und Braten entstehenden Dämpfe ohne jede Verwirbelung in die Öffnung.

Wo der Mittelstand sein Geld anlegt

Dieses Verfahren hat Bruckbauer sich patentieren lassen. In der Innenwand des Lochs absorbiert ein aus acht Lagen bestehender Filter den Dunst. In drei Ausführungen gibt es die Bora-Kochstelle mit integriertem Dunstabzug inzwischen. Das Modell Bora Basic steht für 2300 Euro in Geschäften und Möbelhäusern.

Die Idee zu dem neuartigen Dunstabzug hatte Bruckbauer, der nach seiner Lehre zunächst die Meisterprüfung ablegte und sich danach zum Betriebswirt des Handwerks weiterbildete, vor neun Jahren. „Ich hatte immer wieder gehört, dass die Leute die Dunstabzugshaube störend finden, vor allem wegen der Optik“, sagt Bruckbauer.

Heute beschäftigt der Tischler aus Oberbayern 80 Mitarbeiter, arbeitet mit 1000 Küchenhändlern zusammen und exportiert seine Kochstellen in mehrere europäische Länder wie die Schweiz und die Niederlande. Die Ceranfelder lässt Bruckbauer ausschließlich in Österreich und Deutschland bauen. Über den Umsatz will er nichts verraten, nur so viel: Seit der Gründung konnte Bora das Geschäftsvolumen jedes Jahr verdoppeln. Branchenkenner schätzen den Jahresumsatz daher heute auf rund sieben bis zehn Millionen Euro.

Den Entschluss zum Sportsponsoring fasste der Tischler 2010 nach einem Gespräch mit Martin Viessmann. Der Chef des gleichnamigen Herstellers von Heizkesseln, Wärmepumpen und Öfen aus dem hessischen Allendorf hatte Bruckbauer erzählt, das Familienunternehmen sei erst durch sein Sponsoring im Wintersport richtig bekannt geworden. Viessmann unterstützt unter anderem die populären Biathlon-Wettbewerbe in Ruhpolding.

Bruckbauer engagierte zunächst drei Agenturen, die für ihn ausrechnen sollten, welchen Werbewert der Einstieg ins Radsport-Sponsoring für Bora bringt.

Der Unternehmer lernte: Mit jedem Euro, den ein Unternehmer ins Formel-1-Sponsoring investiert, erzielt er einen Werbewert von 1,50 Euro. Beim Fußball beträgt das Verhältnis 1:4, beim Radsport 1:10. Eine der drei Agenturen empfahl Bruckbauer, einen Zweitliga-Fußballklub zu sponsern wegen der Breitenwirkung, wenn am Wochenende die halbe Nation vor den Fernsehschirmen sitzt. „Das wäre aber nicht das Richtige für uns gewesen, denn wir wollen unsere Marke in Europa und nicht nur in Deutschland bekannt machen“, sagt der Unternehmer.

Am Ende entschied sich der Oberbayer für den Radsport. Kein schlechter Entschluss: Vor wenigen Wochen kündigte die ARD an, in diesem Jahr nach längerer Pause erstmals wieder die Tour de France zu übertragen. Bei Bora knallten die Korken. Bruckbauer: „21 Tage täglich zwei Stunden live in der ARD, besser geht’s doch nicht.“

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