Serie Familienunternehmen: Rittal Die Mission des Friedhelm Loh

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Rittals mühselige Aufholjagd

Kämpfen musste der Unternehmer in den vergangenen Jahren auch um die Firma. 2009 brach während der Banken- und Wirtschaftskrise der Rittal-Umsatz um zeitweise 37 Prozent ein. Jetzt liegen die Geschäftsergebnisse zwar „wieder über dem Level von 2008“, beschreibt Loh die mühselige Aufholjagd. Aber „schon zwei, drei Jahre haben wir Stagnation, weil wir Produktfelder aufgegeben haben und der Maschinenbau ebenfalls stagniert oder rückläufig ist“. Mitschuld daran: die Investitionsschwäche in Europa und das Embargo gegen Russland. Dennoch habe die Unternehmensgruppe, so Loh, „in keinem Jahr Verluste gemacht“. Auf 200 bis 300 Millionen Euro beziffert er die übliche Gewinnspanne.

Aber weiterzumachen wie bisher ist für Loh nicht denkbar. Auch deswegen geht er nun einen ganz großen Schritt: 170 Millionen Euro investiert Loh in das künftige deutsche Hauptwerk im hessischen Haiger, 250 Millionen insgesamt in den laufenden Firmenumbau – die größte Investition der Unternehmensgeschichte.

2018 soll in Haiger direkt gegenüber der Konzernzentrale die Schaltschrankproduktion 4.0 beginnen – ein Vorzeigebetrieb für die 18 Rittal-Betriebsstätten weltweit etwa in Ohio, Shanghai und im indischen Bangalore und für andere deutsche Mittelstands-Champions, die sich die digitale Vernetzung ihrer industriellen Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie noch erschließen müssen. Das soll die Produktivität „um 20 bis 30 Prozent steigern“.

Da der Lohnkostenanteil an der Produktion durch den Innovationsschub sinkt, kann Lokalpatriot Loh in der Region bleiben. Dass er das will, beweist er immer wieder. In Haiger entstanden in den vergangenen Jahren bereits ein neues Hochregallager für 40 Millionen Euro und ein Innovations- und Schulungszentrum zum Thema 4.0-Vernetzung. Im nahen Ewersbach will Loh bis 2018 eine neue Fabrik für rostfreie Großschaltschränke aus Edelstahl bauen, die insbesondere die Öl- und Gas- sowie die Lebensmittelindustrie brauchen.

Loh springt oft ein, wo andere Branchen im Lahn-Dill-Kreis auf dem Rückzug sind. „Es gibt verlockende andere Orte“, kokettiert er auf dem Podium der Grundsteinlegung im August, „aber wir wollen hier erfolgreich sein und nicht irgendwo.“ Dankbar nicken die Kommunalpolitiker bei der Grundsteinlegung und haben die Warnung gehört. Rund ein Drittel der Gewerbesteuereinnahmen des Lahn-Dill-Kreises mit 250.000 Einwohnern hängen ab von Lohs Gunst.

So einfach ist die Schtorry? Nicht ganz.

Denn der unumstritten erfolgreiche Unternehmer Loh hat auch eine umstrittenere Seite. Loh gehört zu den Wortführern und Geldgebern der Evangelikalen in Deutschland. Die pflegen in Abgrenzung zu den evangelischen Landeskirchen ein fundamentalistisches Bibel- und Glaubensverständnis. Bibelsprüche finden sich deshalb überall in Loh-Niederlassungen. Alle Loh-Mitarbeiter – auch die Muslime – erhielten ungefragt bis 2015 die fromme Zeitschrift „Entscheidung“. Nachdem das Blatt im vergangenen Jahr eingestellt wurde, haben sie nun missionierende Ersatzlektüre im Briefkasten.

Die Leute könnten die Publikation „ja abbestellen“, sagt Loh. Vom Antidarwinismus und wortgetreuer Bibelauslegung mag der technikaffine Unternehmer sich nicht distanzieren. Für jemanden, der an einen allmächtigen Gott glaubt, sei die „biblische Schöpfungsgeschichte“ kein Problem: „Wenn Gott etwas so Fantastisches wie das menschliche Auge konstruieren konnte, dann konnte er auch die Welt in sieben Tagen erschaffen.“

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