Nach Anklage Deutsche-Bank-Co-Chef Fitschen unter Druck

Die Anklage gegen den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, liegt seit Monaten auf dem Tisch. Die Entscheidung über einen möglichen Prozess verzögert sich aber - weil der zuständige Richter noch andere Pläne hat.

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Jürgen Fitschen, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, auf der Hauptversammlung des Kreditinstituts: Die Münchner Staatsanwaltschaft hat Fitschen wegen versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Verfahren angeklagt. Quelle: dpa

München/Frankfurt Muss sich der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, in einem Betrugsprozess vor dem Landgericht München verantworten? Seit Monaten hängt diese Frage wie ein Damoklesschwert über dem mächtigen Manager. Auf eine Antwort muss Fitschen nun wohl länger warten als gedacht.

Die Anklage gegen ihn und seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer wegen versuchten Betrugs im Kirch-Prozess hat die Staatsanwaltschaft zwar bereits im vergangenen Sommer erhoben. Die Entscheidung darüber, ob sie zugelassen wird und es somit zum Gerichtsprozess kommt, verzögert sich aber.

Hintergrund ist ein Beförderungswunsch des zuständigen Richters Peter Noll. Er sollte als Vorsitzender der 5. Strafkammer eigentlich über die 627 Seiten starke Anklageschrift der Münchner Staatsanwaltschaft entscheiden. Noll hat sich inzwischen aber um eine Stelle am Oberlandesgericht München beworben.

Sollte er mit seiner Bewerbung Erfolg haben, will er seinem Nachfolger die Entscheidung über den komplexen Fall überlassen. Über die Anklage selbst zu entscheiden und dann zu gehen, kommt für den Richter nicht infrage. „Das wäre kein guter Stil“, sagt Noll.

So müssen Fitschen, Breuer, Ackermann und zwei weitere Ex-Manager der Bank möglicherweise noch monatelang auf die Entscheidung warten, ob sie sich als Angeklagte vor Gericht verantworten müssen. „Eine Entscheidung über die Anklage ist nicht zu erwarten, solange der Schwebezustand anhält und unklar ist, ob Herr Noll an das Oberlandesgericht wechselt“, betont Gerichtssprecherin Margarete Nötzel.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Manager mit falschen Angaben vor Gericht Schadenersatzzahlungen an Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch verhindern wollten. Die Angeklagten weisen den Verdacht zurück. Rückhalt kommt auch von der Deutschen Bank. „Für alle aktuellen und ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bank gilt die Unschuldsvermutung“, heißt es dort.


Der berüchtigte Richter mit der weißen Fliege

Fitschen führt die Bank seit Juni 2012 gemeinsam mit Anshu Jain und gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftsbosse in Deutschland. Er hatte 2011 im Kirch-Prozess ausgesagt und dabei nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Angaben gemacht, die in sich nicht schlüssig gewesen seien. Kirch hatte bis zu seinem Tod stets die Deutsche Bank für die Pleite seines Konzerns verantwortlich gemacht und diese mit Prozessen überzogen.

Die Schadenersatzzahlungen an seine Erben konnte das Geldhaus letztlich nicht vermeiden. Die Anklage geht deshalb nur von versuchtem Betrug aus - wegen der Höhe der Schadenersatzsumme aber in einem besonders schweren Fall.

Sollte Richter Noll den Sprung ans Oberlandesgericht schaffen, müsste sich sein Nachfolger in die Materie einarbeiten und entscheiden, ob den Angeklagten der Prozess gemacht werden soll. Das gilt ebenso für die ehemalige Führungsriege der Immobilienbank Hypo Real Estate um den Ex-Chef Georg Funke: Auch diese Anklage liegt auf Nolls Tisch.

Der Richter, dessen Markenzeichen eine weiße Fliege statt der sonst üblichen Krawatte ist, hat sich in den vergangenen Jahren durch mehrere große Wirtschaftsprozesse einen Namen gemacht. Dazu gehörte auch der Bestechungsprozess gegen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, den Nolls Strafkammer gegen die Zahlung der Rekordsumme von 100 Millionen Dollar eingestellte.

Trotz monatelanger Beweisaufnahme konnte nicht klar bewiesen werden, dass Ecclestone den ehemaligen Vorstand der Bayerischen Landesbank, Gerhard Gribkowsky, beim Formel-1-Verkauf bestochen hatte. Die Entscheidung sorgte wegen der Höhe der Summe für reichlich Diskussionsstoff.

Als Vorsitzender Richter eines Senats am Oberlandesgericht würde Noll seine Karriere krönen. Jedoch könnte ein Kollege seine Pläne noch durchkreuzen: Er hat sich während des laufenden Bewerbungsverfahrens auch auf die OLG-Stelle beworben. „Konkurrentenklage“, heißt das im Beamtenrecht. Nun muss das Verwaltungsgericht entscheiden, welcher der Juristen das Rennen macht. Noll sieht das gelassen: „Ich mache meine Arbeit hier ja auch gerne.“

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