Prognosen für 2009 Tapfer stemmen sie sich gegen die Krise

Tristesse auf allen Kanälen. Bei den Prognosen unserer Unternehmen und Branchen für 2009 ist wenig Lichterglanz oder gar strahlendes Feuerwerk zu spüren, dafür umso mehr winterliche Kälte. Deutschlands Unternehmen stellen sich auf Ertragseinbrüche ein. Und doch wollen viele weiter kräftig investieren und ihr Personal halten.

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Transportband mit BMW 3er-Karossen in Leipzig: Die Autobauer haben die größte Angst vor dem kommenden Jahr, planen aber zugleich die höchsten Investitionen. Quelle: dpa

DÜSSELDORF. Selbst in Zeiten tiefster Skepsis scheint in den Einschätzungen von 43 Branchen hier und da eines kleines Hoffnungslichtlein zu schimmern. Dieser zaghafte Optimismus zeigt sich weniger als Erwartung eines raschen Aufschwungs nach der Krise, sondern eher als Vertrauen auf ein robustes Immunsystem gegenüber dem sich anbahnenden Fiebersturm der Weltwirtschaft im neuen Jahr.

Fakt ist: Die Firmen haben die aus dem vergangenen Aufschwung gespeiste Zuversicht verloren. Wie in jedem Jahr befragte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) auch diesmal ihre Mitglieder. Und das Ergebnis fällt erwartungsgemäß nicht nur schlecht, sondern auch so miserabel wie noch nie aus: Von 43 befragten Wirtschaftsverbänden geben 41 an, dass die Stimmung in ihrer Sparte schlechter ist als vor zwölf Monaten. Einzig der ohnehin seit Jahrzehnten arg gebeutelte Einzelhandel und die genossenschaftlichen Volksbanken analysieren für sich immerhin eine ebenso gute Stimmung wie noch beim vergangenen Jahreswechsel. Die einen profitieren von einer niedrigen Vergleichsbasis, die anderen von ängstlichen und abwanderungswilligen Kunden der finanzkrisengeschädigten Großbanken.

Längst steckt die miserable Gemütslage auch die Realität an. "Die globale Wirtschaftsflaute schlägt sich zunehmend in den Umsatzerwartungen nieder", sagt IW-Direktor Michael Hüther. Mehr als die Hälfte der befragten Branchen (24) kalkuliert mit geringeren Umsätzen und einer niedrigeren Produktion. Die angeschlagene Automobilbranche rechnet sogar mit starken Rückgängen. Gerade mal drei Bereiche - Elektrotechnik, Groß- und Außenhandel und Investment - halten ein Plus für wahrscheinlich.

So viele Molltöne überraschen kaum. Schließlich schwören uns Politiker und Volkswirte seit Wochen darauf ein, wie schlecht 2009 alles wird. Forschungsinstitute liefern sich einen erbitterten Wettstreit um die schlechteste Wachstumsprognose. Den Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Olympiade der Pessimisten zumindest kurzzeitig zu unterbrechen, konterte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IW) mit der düstersten Prognose für Deutschland und einem Wirtschaftseinbruch von 2,7 Prozent. Damit war den Nordlichtern einen Tag vor Heiligabend Platz eins in den Nachrichten sicher. So viel Aufmerksamkeit vermag jetzt nur noch zu toppen, wer rasch die Marke von einem dreiprozentigen Minus knackt.

Zweifellos droht Deutschlands Unternehmen angesichts des Gleichschritts der weltweiten Rezession der schlimmste Gewinn- und Renditeeinbruch seit vielen Jahrzehnten. Rückgänge beim Nettogewinn von 70 und mehr Prozent erscheinen wahrscheinlich. Schließlich brachen schon in der vergleichsweise milden Rezession 2001/02 bei den 30 größten deutschen börsennotierten Firmen die Überschüsse unterm Strich um mehr als die Hälfte ein. Zwar verzerrten damals Sonderabschreibungen das Bild. Doch dazu kommt es in Abschwungjahren eigentlich immer - auch diesmal. Das bewies bereits Ende 2008 der Mischkonzern Siemens mit seiner Milliardenabschreibung nach umfangreichen Konzernumbauten. Viele Banken und Industriekonzerne werden in den nächsten Quartalen folgen und sich so eine niedrige Ausgangsbasis für die Zeit danach verschaffen.

Die Industrie verbucht Rückgänge wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Maschinenbau, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, meldet Monat für Monat zweistellige Umsatzrückgänge. Ganz besonders bricht das Auslandsgeschäft ein. Angesichts der starken Auslandsbindung deutscher Firmen ist das ein verheerendes Signal. Auch die lange Zeit boomende Chemie- und Stahlindustrie ächzt unter ausbleibenden und stornierten Auslandsaufträgen. Am düstersten sieht es zweifellos in der für Deutschland so wichtigen Automobilbranche aus. BMW spricht von der größten Krise, die "wir bisher kannten". Daimler sieht das Ende der Talfahrt noch lange nicht erreicht.

Ebenso wie sich das Abkoppeln Europas von Amerika als Mär erwies, mussten sich Ökonomen und Analysten auch von der Vorstellung verabschieden, Deutschlands Unternehmen könnten die Krise umschiffen. Etwa weil sie in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben so gut gemacht haben. Richtig ist zwar, dass sich die meisten Firmen erfolgreich verschlankt, umstrukturiert, modernisiert und dass sie vor allem Kosten gesenkt haben, indem sie den Kunden in die aufstrebenden (Billiglohn-)Länder folgten. Richtig ist aber auch, dass die exportabhängigen Unternehmen ganz besonders unter der Krise leiden, weil die Nachfrage aus allen großen Wirtschaftsblöcken gleichzeitig wegbricht.

BASF verdeutlicht das Dilemma. Bis vor wenigen Wochen glaubte der weltgrößte Chemiehersteller noch, dass sich das schier unerschöpfliche Auftragsland China nach den zeitweiligen Werksstilllegungen während der Olympischen Spiele rasch wieder erholen werde. Mehr noch: Ebenso wie viele andere Industriekonzerne war BASF der Meinung, dass Asien und die vielen Schwellenländer die Schwächen im Amerikageschäft ausgleichen könnten.

Doch das Gegenteil tritt ein. "Es geht weiter nach unten. "Die eigentliche Enttäuschung ist Asien", sagte Konzernchef Jürgen Hambrecht kürzlich, als er die Finanzwelt zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen mit schlechteren Gewinnprognosen schockierte. Dabei ist Hambrecht alles andere als bekannt dafür, mit forschen Prognosen die Anleger zu beglücken. Im Gegenteil: Stets nährte er den Verdacht, mit allzu bedächtigen Vorhersagen für die gesamte Chemie-Industrie, die dann stets übertroffen wurden, allzu üppige Gehaltsforderungen in den Tarifauseinandersetzungen im Keim zu ersticken.

Und doch gibt es ein paar Optimisten. Immerhin zwölf Wirtschaftsbereiche haben am Vorabend des größten Abschwungjahres seit dem Zweiten Weltkrieg - so prophezeien es uns fast alle Institute - konstante Investitionsbudgets auf der Agenda. Die schwergewichtige Automobilindustrie verspricht trotz dramatisch sinkender Umsatz- und Ertragserwartungen sogar mehr Investitionen als im abgelaufenen Jahr. Grund dafür ist gerade die schwerste Krise in der Geschichte des Automobils. Der bis vor kurzem exorbitant hohe Ölpreis und ein weltweit verändertes Fahrverhalten, angefangen in grün angehauchten deutschen Großstädten und vollendet im spritfressenden amerikanischen Mittleren Westen, zwingt die Industrie zum Umdenken. Auch diese Krise schafft also ihre neue schöpferische Kraft.

Darüber hinaus scheint eine Reihe von Unternehmen gegen den weltweiten Abschwung weitgehend immun. Bislang zumindest. Das gilt für die Pharmaindustrie und besonders für Deutschlands Vorzeigefirma, den Dialysespezialisten FMC. Obwohl mit mehr als 95 Prozent der Umsätze in den USA engagiert, laufen die Geschäfte bestens. Der Mutterkonzern Fresenius erhöht fast Quartal für Quartal die Prognosen.

Auch an den Versorgern braust der Sturm weitgehend vorbei. Sowohl an den Klassikern wie RWE, die mit Strom ihr Geld verdienen, als auch an den neuen Versorgern wie der Deutschen Telekom. Natürlich leidet der Ex-Monopolist auch 2009 unter Kundenschwund und Kostendruck. Doch krisenresistent sind die Angebote dennoch. Telefoniert wird immer. Im Zweifel ein wenig mehr auf Kosten üppiger Geschäfts- und Urlaubsreisen.

Und noch etwas macht Hoffnung. Zwar schlägt sich die Krise in dramatischen Auftrags- und Umsatzrückgängen nieder. "Dennoch wollen viele Unternehmen die Arbeitsplätze erhalten, weil Fachkräfte rar sind", sagt IW-Direktor Hüther. Viele Firmen sind offenbar bestrebt, auf Massenentlassungen zu verzichten. Zwar meinen 26 der vom IW befragten Verbände, dass ihre Betriebe im neuen Jahr Arbeitsplätze eher ab- als aufbauen. Doch immerhin gehen 17 von gleich bleibenden Mitarbeiterzahlen aus. Davon konnte in vergangenen, vergleichsweise milden Abschwüngen keine Rede sein.

Auf konstante Beschäftigungszahlen setzen neben dem beschäftigungsintensiven Maschinen- und Anlagenbau mit dem Handwerk, dem Einzelhandel und den Werften drei Branchen, die sich in der Vergangenheit notgedrungen verschlankt haben und nun kaum mit noch weniger Arbeitskräften auskommen. Und schließlich erhofft sich das einst nach Einführung des Euros so arg gebeutelte Gastgewerbe - damals bestraften Konsumenten die gefühlte Teuerung mit Abstinenz - einen stabilen Personalbestand. Die Historie gibt der Branche recht: Volkswirtschaften sparen in großen Krisen nie am Alkohol.

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