Roland Tichy über den Armuts- und Reichtumsbericht Schummel-Scholz

Wer derzeit deutsche Zeitungen liest oder den TV-Nachrichten folgt, dem kommt das große Gruseln: Dem Armuts- und Reichtumsbericht zufolge ist Deutschland ein zutiefst ungerechtes Land, in dem sich einige wenige Reiche auf Kosten hungernder Kinder schändlich bereichern.

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Um es kurz zu machen: Der Bericht, seine einseitige, propagandistische Zusammenfassung und Darstellung durch Arbeitsminister Olaf Scholz sowie die unkritische Berichterstattung vermitteln ein Zerrbild der sozialen Realität – und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen würden das tatsächliche Armutsproblem sogar noch verschärfen (dazu die Analyse von Hans-Werner Sinn).

So wird unterschlagen, dass der Bericht auf Zahlen von 2005 basiert. Seither haben 1,7 Millionen Menschen Arbeitsplätze gefunden und seit nunmehr zwei Jahren steigen auch wieder Löhne und Gehälter. Gerade Langzeitarbeitslose und Jugendliche gehören zu den Gewinnern dieser Entwicklung. Es mag ja sein, dass diese positive Entwicklung zu langsam geht.

Aber daraus „wachsende Armut“ abzuleiten ist ebenso falsch wie die Schlussfolgerung des Ministers, dass jetzt Mindestlöhne eingeführt werden müssten. Ist dem Minister entgangenen, dass die vielen neuen Arbeitsplätze ohne Mindestlöhne entstanden sind und im Übrigen die neuesten Studien zeigen, dass Mindestlöhne das Armutsproblem sogar noch verschärfen würden? Unterschlagen wird auch, dass Deutschland die tatsächliche Armut durchaus wirksam bekämpft und hohe Mittel dafür einsetzt; der Sozialstaat erfüllt somit seine Aufgaben. Peinlich für die gesamte Bundesregierung ist schließlich, dass es den Rentnern in Deutschland wirtschaftlich gut geht, viele Erwerbstätige aber knapp bei Kasse sind. Warum wurden dann außerplanmäßig die Renten erhöht und den Beitragszahlern noch höhere Beiträge abgenommen?

Erschreckend ist aber das Menschenbild des Ministers. Da werden möglichst viele Menschen als ständig betreuungsbedürftig definiert, damit der Staat Leitung und Fütterung übernehmen kann. Woher kommen die Mittel dafür? Natürlich von den Reichen, die zwischen den Zeilen ihr Fett als Steuerflüchtlinge und Absahner abbekommen. In der Welt von Scholz ist schon reich, wer als Single mehr als 3418 Euro im Monat netto zur Verfügung hat.

Schönes Geld – aber reich ist man damit noch lange nicht; es reicht in einer westdeutschen Großstadt gerade für eine Drei-Zimmer-Wohnung und alle fünf Jahre für einen Opel Astra. Nun könnte man darüber den Kopf schütteln, wenn mit solchen Methoden nicht Politik vorbereitet würde: So plant die SPD, beginnend mit der Kfz-Steuer, ein neues Maßnahmenpaket, mit dem die neuen „Reichen“ geschröpft werden sollen. Wir hören die Melodie und kennen die Verfasser: Hier wird der Angriff des Staates auf die wirtschaftlichen Leistungsträger in der Mitte der Gesellschaft ideologisch vorbereitet. Früher waren die gut verdienenden Facharbeiter die Kerntruppe der SPD; Gerhard Schröder umwarb die Ingenieure und Akademiker als „Neue Mitte“. Genau die sollen jetzt trotz der ohnehin übergroßen Abgabenbelastung weiter zum Abkassieren freigegeben werden.

Der Vorgang offenbart aber auch das Scheitern der schwarz-roten Koalition. Scholz hat den Bericht ohne vorherige Information des Bundeskabinetts lanciert. Dafür hat man andere schon aus dem Amt entlassen. Und Angela Merkel? Sie ist nicht mehr in der Lage, die Richtlinien der Politik so zu bestimmen, wie es das Grundgesetz vorsieht.

Eine kleine Bitte: Spendet die 426 000 Steuer-Euro für die Erarbeitung der Scholz-Schummelei besser wirklich Bedürftigen. Denn ihnen helfen nur zielgenaue Maßnahmen – von der globalen Umverteilung haben sie nichts.

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