Umwelt Ökoenergie: Lichtblick sorgt für Ärger

Der Markt für Ökoenergie kannte lange nur eine Richtung: aufwärts. Jetzt kriselt es. Für neuen Zoff sorgt Biogas von Marktführer Lichtblick.

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Angst vor dem Gau: Bereitet Quelle: AP

Die Sonne strahlt vom Himmel; so weit das Auge reicht, nur grüne Felder und Natur. Eine Frau lehnt sich zurück und atmet die Landluft ein. Biogas, das suggeriert der Werbespot der Hamburger Firma Lichtblick, ist eine feine Sache. Die Wirklichkeit ist weniger idyllisch. Denn hinter der Idee vom sauberen Gas liegen Monokulturen und riesige Hallen, in denen Tausende Schweine zusammengepfercht sind, um aus ihrem Fleisch Schnitzel zu machen – und ihren Exkrementen Gülle für die Gaserzeugung.

Das ist nicht die einzige Traumblase rund um Lichtblick, die in diesen Tagen platzt. Gerüchte und Halbwahrheiten ranken sich um das Ökoenergieunternehmen. Erst fühlten sich Kunden vom Ökostrom hinters Licht geführt, weil das Lichtblick-Produkt zu kleinen Teilen Atom- und Kohlestrom enthielt. Nun gerät das Biogas in die Kritik, das seit vergangenem Herbst in sieben Bundesländern im Angebot ist und demnächst in der gesamten Republik erhaltbar sein soll.

Der Schönheitsfehler: Um preislich konkurrenzfähig zu sein und genug Kunden versorgen zu können, besteht Lichtblicks Biogas nur zu fünf Prozent aus regenerativ erzeugtem Gas. Der Anteil soll steigen, einen Zeitplan dafür gibt es nicht. Solange sind 95 Prozent Erdgas, geliefert von den großen Konzernen. „Wir wollten nicht warten, bis der Markt fertig ist, sondern haben uns schon immer als ein Unternehmen verstanden, das den Markt mitgestaltet und aufbaut“, sagt Lichtblick-Geschäftsführer Heiko v. Tschischwitz. Er sieht Lichtblick als Opfer einer Verleumdungskampagne der großen Energiekonzerne. Der Großteil der Ökoenergieanbieter – Greenpeace-Energy, die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und Naturstrom – blickt mit einer Mischung aus Ärger und Schadenfreude nach Hamburg. Einerseits fürchten sie Sippenhaft für die Branche, andererseits stört sie der auf Wachstum getrimmte Kurs des Marktführers. „Die lassen gerne mal Fünfe gerade sein“, witzelt ein Brancheninsider mit Blick auf die ökologischen Maßstäbe.

Ökoszene auf den Barrikaden

„Biogas gibt es eigentlich nicht“, sagt Michael Sladek, Mitbegründer der EWS. Auch die anderen Ökostromer bleiben kritisch: „Wir würden Biogas anbieten, wenn es technisch und wirtschaftlich möglich wäre“, sagt Naturstrom-Geschäftsführer Oliver Hummel. „Wir mischen aber nicht fünf Prozent Biogas in Erdgas und nennen das Biogas.“ Zudem sich das auch in anderer Hinsicht als Ökoillusion entpuppt. Wer es in großen Mengen anbieten will, braucht Monokulturen und riesige Mastbetriebe für die Rohstoffe. „Biogas verbrennt laut Lichtblick klimaneutral“, analysiert das Münchner Umweltinstitut. „Bei solchen Berechnungen wird aber die Art der Produktion ausgeblendet.“ Schon entdecken niederländische und dänische Investoren die ostdeutschen Weiten als Standorte für gigantische Schweinemastanlagen. Die scheiterten bisher an der Entsorgung der Gülle. Biogasanlagen lösen das Problem, weil die Exkremente dort vergären.

Auch der Betreiber einer der geplanten Biogasanlagen, Epuron, treibt die Ökoszene auf die Barrikaden. Im Aufsichtsrat von dessen Mutterunternehmen Conergy sitzt Andreas Büchting, Mehrheitsaktionär des Saatgutkonzerns KWS. Der will Gen-Mais auf deutschen Feldern einführen. Sollte Biogas durchstarten und die Maisnachfrage so steigen, könnte das den Durchbruch für den ertragsstarken Gen-Mais bedeuten. Ein GAU für Umweltschützer. „Man kann nicht Intensiv-Landwirtschaft ablehnen, aber deren Produkte vermarkten“, sagt Marcel Keiffenheim von Greenpeace-Energy.

Wie so oft in mit ideellen Werten aufgeladenen Märkten stellt sich die Grundsatzfrage: Soll man auf harten Standards beharren und sich damit auf die kleine Gutmenschen-Zielgruppe beschränken oder will man Märkte erobern und dabei alte Überzeugungen dem Massenbedarf anpassen? Lichtblick hat sich für den pragmatischen Weg entschieden. „Man kann sich fundamentalistisch geben, aber dann muss man sich davon verabschieden, ein echtes Substitut für konventionelle Energie schaffen zu können“, sagt Tschischwitz. Naturstrom-Chef Hummel hält dagegen: „Es bringt uns nicht weiter, auf Masse zu setzen. Dann werden wir unglaubwürdig.“

Die Kundschaft ist kaum zu beruhigen

Das aber ist ein Grundproblem der Branche. Auch Ökostrom ist nicht immer „öko“. „Der Umweltnutzen von Ökostrom ist nahe null“, stellt Energie-Professor Uwe Leprich fest. Weil die Ökostromanbieter ihren Strom vor allem im Ausland kaufen und nur rechnerisch importieren, ändert sich am Strommix und damit am CO2-Ausstoß kaum etwas. Die Bilanz würde sich nur verbessern, wenn in Deutschland parallel zum Anstieg des Ökostromverbrauchs neue Anlagen zur Verstromung erneuerbarer Träger gebaut würden. Naturstrom etwa weist 50 Prozent deutschen Strom aus, ist aber auch der teuerste Anbieter. „Ökostrom über niedrige Preise zu verkaufen, geht nicht“, erklärt Geschäftsführer Hummel. „Man muss den Neuanlagenbau einkalkulieren.“

Der Schaden aus solchen Diskussionen ist absehbar: Nach einem Rekordwachstum der Ökostromer 2007 bröckeln die Neukundenzahlen nun. Dass die Branche ein Stück weit von Illusionen und dem Glauben an eine bessere Welt lebt, wird vielen Kunden erst jetzt klar. Denn die Diskussion um Sinn oder Unsinn von Ökoenergie ist nicht das erste Problem. Im Frühsommer räumte Lichtblick ein, sein Ökostrom enthalte zu 0,5 Prozent konventionellen Strom. Dass das technisch bedingt ist, weil der Verbrauch nicht exakt vorhersagbar ist und die Anbieter kurzfristig Energie ins Netz nachschießen müssen, die nur konventionell zu bekommen ist, beruhigte die Kundschaft kaum. Denn die anderen drei gleichen das aus, indem sie die Lücken durch eine Überversorgung mit teurem Ökostrom zumindest rechnerisch stopfen.

Platzhirsch in der Nische

Es fremdelt schon länger zwischen der Branche und ihrem Marktführer, weil die Nordlichter so anders sind. Allein die Unternehmenszentrale unterstreicht den Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Außen St. Pauli, innen Empfangsdamen, dunkle Teppiche und viel Glas. Geschäftsführer Tschischwitz eilt in Anzug und Krawatte über die Flure. Bevor er zu Lichtblick kam, hatte der „Ökomanager des Jahres“ 2006 eine Karriere in der konventionellen Energiewirtschaft hinter sich. Heute führt er mit Wilfried Gillrath auch die Geschäfte der Saalfeld Holding. Die ist Mehrheitseignerin von Lichtblick und Ex-Joint-Venture-Partner von Vattenfall.

Auch bei der zweiten Holding-Tochter, Concord-Power, hat das Duo das Sagen. Mit Concord planen sie eine Gaspipeline, die Gazproms Ostseeröhre zwischen Russland und Lubmin mit Berlin verbindet. Die Planungen für ein Gaskraftwerk in Lubmin hat Concord ebenfalls angestoßen. Auch sonst sucht Lichtblick die Nähe zu etablierten Kreisen. So sind die Hamburger als Einziger der reinen Ökostrom-Anbieter mit dem ok-Power-Label zertifiziert. Das prangt unter anderem auch auf Produkten von Vattenfall und großen Stadtwerken. Ebenfalls Mitglied sind die Hamburger im Bundesverband Neuer Energieanbieter. Dort betreiben auch die EnBW-Tochter Yello, Nuon oder Gaz de France Lobbying.

Der Wille fehlt

Dass Lichtblick sich den rauen Sitten auf dem Energiemarkt anpasst, ist schon länger zu beobachten. Im vergangenen Jahr klagten Kunden, sie seien mit Günstigpreisen angelockt worden, obwohl eine Preiserhöhung bevorstand. Geheimniskrämerei, die kein Einzelfall ist. Ausgleichsstrom etwa kaufte Lichtblick an der konventionellen Leipziger Strombörse – anonym. Aus welchen Kraftwerken sein Strom stammt, behält Lichtblick auch für sich. „Die Informationspolitik ist stark verbesserungswürdig“, mahnt Binita Maurmann, Sprecherin von Versiko, dem größten deutschen Finanzdienstleister für nachhaltige Anlagen. Auch die Vertriebsstrategie erinnert eher an Billigheimer, denn an die Ökobranche. So drängte Lichtblick zu Jahresbeginn mithilfe von Kaffeeröster Tchibo in den Massenmarkt. Als Prämie gab es Sparlampen.

Die zerstrittene Branche schadet sich mit ihrem Glaubenskrieg selbst. Die Zahl der Anbieter ist überschaubar, aber der Wille für gemeinsame Standards fehlt. Nicht mal einen Verband gibt es. Dabei müsste die Branche kooperieren. Denn das Gerangel im Ökosegment nimmt zu. Flaut die Konjunktur ab, werden weniger Kunden für Grünstrom tiefer in die Tasche greifen. Zugleich drängen die etablierten Konzerne mit voller Wucht auf den Ökomarkt. Vielleicht auch deswegen beginnt Tschischwitz seine Rolle neu zu definieren – als Robin Hood der Energiebranche. „In den ersten Jahren hatten wir überwiegend Kunden, die unsere ökologische Zielsetzung unterstützen wollten“, sagt Tschischwitz. „Inzwischen haben wir genauso viele Kunden, denen unsere Unabhängigkeit am Wichtigsten ist.“ Das Schöne an denen: Ob Strom und Gas wirklich sauber sind, interessiert die gar nicht so sehr.

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