Vor allem Nike trifft es hart Phantomschmerz der Olympia-Sponsoren

Als Hürdenstar Liu Xiang am Montag aus dem Olympia-Stadion in Peking humpelte, war dies nicht nur ein Schock für China. In diesem Moment machte sich auch in etlichen Firmenzentralen rund um die Welt blankes Entsetzen breit. Denn mit dem Ausscheiden der als sicher eingestuften Goldmedaille brach für Marken wie Nike, Coca-Cola, Lenovo oder Visa in wenigen Minuten ein über Jahre aufgebautes Werbekonzept zusammen.

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Werbung mit dem Superstar. Das Plakat von Coca -Cola. Quelle: dpa

PEKING. Liu Xiang, der smarte Flitzer aus Schanghai, ist im Reich der Mitte nicht nur wegen seiner sportlichen Erfolge der Liebling der Nation. Rund 18 lukrative Werbeverträge, darunter Topmarken der Welt, hatten den 24Jährigen zum Gesicht der Sommerspiele gemacht.

Kaum eine Plakatwand in China, von der Liu Xiang nicht für ein Produkt herablächelt. Insgesamt hat der chinesische Hürdenläufer im vergangenen Jahr fast 24 Mill. Dollar mit Werbeverträgen verdient. Neben den großen internationalen Marken wirbt Liu Xiang auch für chinesische Produkte, etwa für Milch (MolkereiYili), Handys (China Mobile) oder Schuhe (AO Kang). Das US-Magazin Forbes listet den Sprinter hinter Basketballstar Yao Ming als zweitreichsten chinesischen Prominenten auf. Das könnte sich nun ändern. Wegen der verpatzten Olympiaträume habe der umschwärmte Werbeträger Millionen an Wert verloren, sagt Chris Renner, China-Chef der Sportmarketing Agentur Helios Partners. "Sein Marktwert hat schwer gelitten." Am meisten sei davon der Sportartikelhersteller Nike betroffen, ist der Experte überzeugt. Der Konzern habe seinen Werbefeldzug auf dem wichtigen chinesischen Markt vor allem auf den Hürdenstar aufgebaut: "Wenn es eine Marke trifft, dann Nike" - zumal das Unternehmen, anders als andere Sportmarken, bei seinem Marketing ganz auf sportliche Höchstleistung setze.

Noch am Tag des verpatzten Olympia-Starts sendete Nike einen Werbespot mit Liu Xiang im chinesischen Fernsehen unter dem Slogan "Just do it". Die Kampagne hat ihre Schlagkraft verloren. Und der Konzern hat reagiert. In ganzseitigen Anzeigen wurden bislang täglich die unter Vertrag stehenden Gewinner bejubelt. Bei Liu Xiang machte der Konzern eine Ausnahme. Obwohl ausgeschieden, bekam der Star eine ganze Seite und dazu einen neuen emotionalen Slogan: "Liebe den Schmerz - Liebe den Sport, auch wenn er Dir das Herz bricht."

Alle Konzerne, die Chinas Liebling unter Vertrag haben, erklärten nach dem Ausfall, man wolle an Liu Xiang als Werbepartner festhalten. "Wir setzen unsere Kampagne fort", sagt Nike-Sprecher Derek Kent in Peking. Liu Xiang sei eine "Ikone" in China und habe eine sehr große Zukunft vor sich. Bei Coca-Cola klingt es ähnlich: "Wir haben 2003 begonnen Liu Xiang zu unterstützen und werden das weiter tun." Das Konterfei des Sportlers wirbt auf Tausenden von Getränkeautomaten, sein Bild gehörte auch zu einer "Special-Edition" von Cola-Dosen.

Die Kreditkartenfirma Visa pries umgehend in einer Stellungnahme den chinesischen Sportler als "Freund": "Nichts kann ihm seinen Erfolg von Athen nehmen." Liu Xiang war 2004 zum Helden in China geworden, nachdem er bei den Sommerspielen überraschend die Goldmedaille über 110 Meter Hürden gewonnen hatte. Allerdings sehen Experten den Marketing-Stern des Hürdenläufers zunächst durchaus sinken. Er werde nun nicht mehr Teil der großen chinesischen Medaillenfeier sein, auf die "seine" Marken gesetzt hätten. "Viele dieser Jubelanzeigen werden nun im Mülleimer landen", sagt Therry Rhoads, Manager von Zou Marketing.

Darüber spricht man bei den betroffenen Unternehmen ungern. Beim chinesischen Schuhersteller AO Kang heißt es, es habe eine fertige Anzeigenkampagne für den Sieg Liu Xiangs gegeben. Der vorgesehene Slogan - frei übersetzt: "2008 - eine flotte chinesische Sohle" - unter dem Foto des Sportlers wurde ausgetauscht. Auch wenn der Olympiasieg ein Traum geblieben sei, so die neue Kampagne, "in unseren Herzen bist du für immer ein Meister."

Am Donnerstagabend sollte das große Finale zwischen Liu Xiang und dem Kubaner Dayron Robles im "Vogelnest" steigen; Robles hatte Liu Xiang erst kürzlich den Weltrekord weggeschnappt. Dass das Kopf-an-Kopf-Rennen nun nicht stattfindet, hat nicht nur die Preise der Schwarzmarktkarten einbrechen lassen. Auch die Fernsehwerbeminuten, die um das Rennen verkauft worden sind, gelten als nicht mehr so attraktiv. Dennoch überlegen sie bei Nike, einen Sympathie-Spot für Chinas Hürdensprinter zu platzieren. Und schon jetzt steht fest, dass die sportliche Rückkehr von Liu Xiang in einigen Monaten vor allem eines auslösen wird: eine neue Werbeschlacht.

Sorgen um seine Zukunft scheint sich Liu Xiang nicht zu machen: Zehn Millionen Euro aus einer Versicherung lehnte er ab.

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