Wirtschaftsreise Winterkorn und McAllister reisen nach Südamerika

Mit einer hochrangigen Delegation macht sich der VW-Konzern auf den Weg, in Südamerika den Markt aufzumischen. Dort ist der Konzern schon über 50 Jahre aktiv und will jetzt das ganze Potential der Riesenmärkte nutzen.

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VW-Chef Martin Winterkorn reist mit einer Delegation zu den südamerikanischen VW-Werken. Quelle: handelsblatt.com

Es soll eine Rückkehr zu den Wurzeln und zugleich eine Reise in die Zukunft werden. Beim Besuch des ältesten VW-Auslandswerks im brasilianischen Anchieta will Konzernchef Martin Winterkorn kommende Woche die Erfolgsgeschichte des über 50 Jahre alten Standorts beschwören. Der Blick des Managers, der mit einer 80-köpfigen Wirtschaftsdelegation um Niedersachsens Ministerpräsidenten und VW-Aufseher David McAllister nach Südamerika fährt, geht jedoch auch nach vorn: Wie geht es weiter auf dem wachstumsträchtigen Automarkt? Und wie verkraften die Werke auf dem Kontinent den Handelsstreit zwischen Brasilien und Argentinien?

Eigentlich ist die Stimmung bei den Wolfsburgern bestens, wenn sie auf die Absatzentwicklung in den beiden Schwellenländern schauen. Zwar gelten China, Indien und zunehmend auch Russland als zentrale Motoren der Auslandsnachfrage. Die Chancen an Zuckerhut und Rio de la Plata seien allerdings nicht zu unterschätzen. „Ein enormes Steigerungspotenzial ist da“, heißt es aus der Unternehmenszentrale.

Nach Angaben der Analysten von IHS Global Insight hat der Markt für die internationalen Autobauer in Südamerika zwischen 2006 und 2010 um die Hälfte zugelegt. Die Möglichkeiten seien beträchtlich - gerade im dünn besiedelten und industriell schwächeren Nordbrasilien. „Letztes Jahr lag das Land beim Bruttoinlandsprodukt weltweit auf Platz 8, bis 2020 könnte es Platz fünf sein“, glaubt VW. Auch die Autofahrer-Dichte nehme stetig zu, voriges Jahr kamen 150 Wagen auf 1000 Einwohner. „Selbst in Russland ist es schon fast das Doppelte.“ Schon jetzt schlagen sich viele Erwartungen in konkreten Zahlen nieder. Die Verkäufe der neun VW-Konzernmarken zogen in der Region Südamerika bis Ende August mit einem Plus von 10,4 Prozent aber noch nicht so stark an wie im weltweiten Schnitt (14 Prozent). Den Löwenanteil fuhr die Kernmarke VW mit 512.000 Wagen ein - immerhin plus 6,7 Prozent. Im boomenden Brasilien lag der Konzern-Marktanteil 2010 bei 23 Prozent. Die gesamte Branche meldete mit 3,51 Millionen Autos, Nutzfahrzeugen und Bussen den vierten Absatzrekord in Folge.

McAllister, der den 20-Prozent-Anteil seines Bundeslandes an den VW-Stammaktien zäh verteidigt, betonte vor der Abreise die große „Bedeutung, die der südamerikanische Markt für die Wirtschaft und Wissenschaft Niedersachsens hat“. Mit Brasilien - 2012 Partnerland der CeBIT in Hannover - will man noch engere Kontakte knüpfen.

Schon seit 1953 ist VW in Südamerika aktiv

Wo die Abgesandten der weltgrößten Computermesse Neuland betreten, ist der Autoriese schon lange im Geschäft. 1953 ging Volkswagen do Brasil an den Start, sechs Jahre später weihte die Tochter das Werk Anchieta im Speckgürtel der Millionen-Metropole São Paulo ein. Heute arbeiten dort und in drei weiteren VW-Werken in Curitiba, São Carlos und Taubaté rund 23.000 Menschen. Modelle wie der alte VW-Bus T2 sind in Europa längst nicht mehr neu zu bekommen. „In Brasilien laufen und laufen und laufen sie“, berichten die Wolfsburger.

Auch im benachbarten Argentinien schauen Winterkorn und McAllister vorbei. Seit 1980 besteht der VW-Ableger, über 6500 Kollegen arbeiten in dem Land. In Córdoba werden Getriebe gefertigt, das 1995 eröffnete Werk Pacheco bei Buenos Aires hat sich unter anderem auf den Pick-up Amarok spezialisiert. Weil auch die Europäer den bulligen Wagen mögen, startet Mitte 2012 im Nutzfahrzeugwerk Hannover eine eigene Produktionslinie. Die Lastwagen-Tochter Scania ist ebenfalls mit eigenen Standorten in Brasilien und Argentinien vertreten.

Thema bei den Gesprächen dürfte auch der schwelende Handelsstreit zwischen den beiden größten Ländern Südamerikas sein. Argentinien hatte die Einfuhr vieler ausländischer Produkte zu Beginn des Jahres gestoppt oder mit hohen Zöllen belegt, um sein Handelsdefizit zu entschärfen - gegen die Regeln der Welthandelsorganisation und der regionalen Freihandelszone Mercosur. Brasilien zog im Frühjahr nach.

Beobachter sprechen bereits von einem „bilateralen Handelskrieg“. Volkswagen hatte im März die Importsperre Argentiniens überwunden - aber nur, nachdem sich der VW-Statthalter und frühere österreichische Bundeskanzler Viktor Klima wie viele andere Hersteller zu ehrgeizigen Exportzielen verpflichtet hatte. Aus den Netto-Importen im Wert von umgerechnet 583 Millionen Euro 2010 soll 2012 eine Netto-Ausfuhr von 384 Millionen Euro werden. Das Werk Pacheco ist aber gut aufgestellt: Knapp ein Drittel der Autos ging schon im vorigen Jahr ins Ausland.

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