Automobil-Industrie Finanzkrise beutelt Vorzeigemarken Daimler und BMW

Die Finanzkrise beutelt die Automobil-Industrie. Als ob das nicht reichte, stecken Deutschlands Vorzeigemarken Daimler und BMW in einem riskanten Spagat – sie müssen umweltschonende Elektromobile und Luxus-Karossen unter einen Hut bringen und lernen, mit kleineren Autos Geld zu verdienen.

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Maybach-Präsentation: So Quelle: DIAMLERCHRYSLER

Die Sonne scheint, die Straße ist frei, die Finanzkrise so weit weg. Der nagelneue 7er-BMW schnurrt friedlich vor sich hin. Man freut sich über nette Gimmicks wie ein an Kampfflugzeuge erinnerndes Headup-Display, das Geschwindigkeit, Navigationsanweisungen und sogar Warnsignale flott auf die Windschutzscheibe projiziert, wenn etwa nächtens unvermutet Fußgänger am Straßenrand stehen – ein kleiner Schreck in all der automobilen Entrücktheit. Man möchte schlicht nicht aussteigen, lieber die schöne Autowelt genießen, hier, im Umland von Dresden.

Einfach nicht aussteigen – die Versuchung dürfte für manchen Manager in der Autoindustrie derzeit so groß sein wie nie. Gurt anlegen, Scheibe hoch, Radio an und weg, das wär’s jetzt – stattdessen spricht selbst Volkswagen-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch vor wenigen Tagen, beim Autosalon in Paris, traurige Sätze: „Die Dinge, die in den USA ihren Ausgang genommen haben, werden nicht kurzfristiger Natur sein, sondern längerfristiger. Das wird bedeuten, dass auch die Automobilmärkte nicht so wachsen, wie man das noch vor einiger Zeit annehmen durfte.“ Und das sagt ein Vertreter jenes Konzerns, der derzeit noch vergleichsweise gut dasteht. Der – anders als BMW und Daimler – noch keine Gewinnwarnung für das laufende Jahr abgeben musste. Der – anders als die Ford-Tochter Volvo, die insgesamt 6000 Stellen streicht – noch keine Jobs abbaut. Und der – anders als der Konkurrent Opel – noch nicht die Produktionsbänder anhalten musste, weil eh schon zu viele Autos auf Halde stehen. Doch so passabel es VW auch gehen mag – Pötsch weiß so gut wie seine Kollegen: Es wird düster am Konjunkturhimmel der Autoindustrie.

Finanzkrise hat Branche voll erfasst

Einerseits hat die Finanzkrise die Branche voll erfasst und mit ihr auch die Vorzeige-Konzerne Daimler und BMW. So sehr, dass Daimler nicht nur während der in Baden-Württemberg noch bevorstehenden Herbstferien, sondern auch zwischen Weihnachten und Mitte Januar die Produktion im Mercedes-Werk Sindelfingen deutlich herunterfahren wird. Um insgesamt bis zu 80.000 Einheiten, berichtet das Branchenfachblatt „Automobilwoche“, dürfte die Daimler-Produktion damit niedriger ausfallen als noch zu Jahresbeginn geplant. Gut 230 Kilometer weiter ist auch BMW dabei, die Produktion um mindestens 25.000 Fahrzeuge zu kürzen. Weitere Produktionskürzungen will Konzernchef Norbert Reithofer nicht ausschließen. Parallel dazu baut das bayrische Vorzeigeunternehmen 8100 Stellen ab.

Andererseits hat sich die Autowelt wesentlich schneller verändert, als es irgendein Experte vorhergesehen hat – unabhängig von der haltlosen Zockerei zahlreicher Banker und Investoren. Die Probleme der Branche sind vielschichtiger, und sie greifen tiefer. Am Beispiel von Daimler und BMW lässt sich vielmehr ablesen, dass das gesamte Mobilitätskonzept auf dem Prüfstein steht, weil immer mehr Menschen sich die Frage stellen, wie viel Auto, und wenn überhaupt, welches sie eigentlich noch brauchen. Das führt dazu, dass sich vor allem die sogenannten Premium-Hersteller, die in den zurückliegenden Jahren viel Geld damit verdienten, immer größere, stärkere und letztlich auch teurere Autos zu bauen, neu erfinden müssen. Und eines wird immer deutlicher: Beide tragen zwar große Namen. Doch womöglich sind sie allein eine Nummer zu klein für die globalisierte Autowelt und ihre immer komplexeren Ansprüche.

Sichtbar wird das schon bei einem wesentlichen Treiber dieser Entwicklung, der Sorge um das Weltklima – die EU-Kommission in Brüssel hat den Autoherstellern die Pistole auf die Brust gesetzt. Sie müssen bis 2012 den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxyd drastisch reduzieren. Konzernen, denen das nicht gelingt, drohen milliardenschwere Strafzahlungen. Gleichzeitig schicken sich Städte und Kommunen weltweit an, Benzinschleudern aus den Städten zu verbannen. Stattdessen fördern sie Elektromobile, weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen und diese schlicht keine weiteren Stinker mehr wollen. Zur gleichen Zeit sind Konsumenten weltweit angesichts von Finanzkrise und Umweltdebatte tief verunsichert. Viele kaufen entweder gar kein Auto oder im Zweifel ein kleineres – selbst wenn das eigene Konto gut gefüllt ist.

Beide, Mercedes wie BMW, müssen daher jetzt handeln und nicht nur ihre Dickschiffe zum Sparen erziehen, sondern auch mehr kleinere Fahrzeuge verkaufen, um den sich ändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, die aufgedrückten Klima- und natürlich auch die selbst gesetzten Umsatz- und Ertragsziele zu erreichen.

Dass beide mit gut über eine Million jährlich produzierten Fahrzeugen global gesehen nur mittelgroße Autohersteller sind – Toyota etwa baut mehr als neun Millionen Autos und kann bei seinen Zulieferern darum billiger einkaufen und die Entwicklungskosten auf mehr Kunden verteilen –, macht die Sache nicht einfacher: „Anders als noch in der New-Economy-Krise rechnen wir damit, dass es die Premium-Hersteller dieses Mal wirtschaftlich härter trifft als die sogenannten Volumenhersteller“, sagt Christoph Stürmer, Autoexperte beim Beratungsunternehmen Global Insight.

Wer vergangene Woche über den Pariser Autosalon ging, der konnte deutlich die Zeichen der neuen Bescheidenheit bei Daimler und BMW erkennen. BMW stellte den Prototypen des X1 vor, einen kleinen Geländewagen auf Basis des 1er-BMW, der den verunsicherten Kunden das Gefühl geben soll, hoch über der Straße zu schweben, ohne übermäßig Kraftstoff zu verpulvern.

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