Medizin-Spezialist Fresenius: Kampf um Macht, Geld und Moral

Eigentlich stünde der Medizinriese Fresenius für den puren Erfolg, tobte nicht ein bizarrer Streit um Macht, Geld und Moral in dem Vorzeigekonzern.

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Ex-Aufsichtsrätin Kröner: Unfreiwilliger Abgang der Unternehmenstochter.

Er ist einer der heimlichen Strippenzieher in Deutschlands Großunternehmen. Deswegen dürfte es Dieter Schenk auch ganz recht sein, dass ihn kaum jemand kennt. Der Rechtsanwalt von der renommierten Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz tritt selten öffentlich auf.

Der verschwiegene Advokat aus München sucht seinesgleichen in der deutschen Wirtschaft. Denn er herrscht über zwei Dax-Konzerne auf einmal: über den Medizinkonzern Fresenius und dessen Tochterunternehmen, den Dialysespezialisten Fresenius Medical Care (FMC). Den spaltete Fresenius 1996 nach einer Großakquisition in den USA ab und brachte ihn an die Börse. Sowohl bei der Mutter als auch bei der Tochter läuft wenig ohne Schenk – egal, ob es um die Bestellung von Vorständen, die Nominierung von Aufsichtsräten, die Festlegung der Dividende oder deren Verwendung geht. Der Jurist kontrolliert beide Umsatzmilliardäre als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Er gibt den Ton an im Verwaltungsrat des Fresenius-Mehrheitseigentümers, der gemeinnützigen Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Vor allem aber fungiert Schenk als Testamentsvollstrecker von Else Kröner, jener Fresenius-Matriarchin und bedeutenden Nachkriegsunternehmerin, die 1988 verstarb.

Eigentlich könnte sich Schenk auf den Aktionärsversammlungen von FMC und Fresenius am 7. und 8. Mai im Congress Center Frankfurt zum wiederholten Mal in glänzenden Zahlen sonnen. Fresenius zählt ebenso wie FMC zu den solidesten Werten in der Spitzenliga der deutschen Aktien.

Als Medizin-Spezialist sind die Bad Homburger kaum von der Krise betroffen – Krankheiten kennen keine Konjunkturen. Fresenius produziert Infusionslösungen ebenso wie ein Biotech-Medikament gegen Krebs und betreibt Krankenhäuser sowie – via FMC – Dialysestationen. Unter Vorstandschef Ulf Schneider hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren seine Erlöse und Ergebnisse kräftig gesteigert. 2008 erwirtschaftete Fresenius einen Umsatz von 12,3 Milliarden Euro und 450 Millionen Euro Gewinn – und verspricht zudem noch Steigerungsraten von jeweils etwa zehn Prozent für das laufende Geschäftsjahr.

Feldzug gegen Schenk

Doch über der Gewinnmaschine liegt ein dunkler Schatten. Ein bizarrer Kampf um Macht, Geld und Moral zwischen Schenk und seiner großen Gegenspielerin Gabriele Kröner belastet das Unternehmen. Die 47-Jährige Ärztin und Mutter von vier Kindern ist die Stieftochter von Else Kröner und saß bis im vergangenen Jahr im Fresenius-Aufsichtsrat sowie von 2003 bis 2007 im Vorstand der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Seitdem macht sie Schenk für ihren unfreiwilligen Abgang verantwortlich, bekriegen sich die Unternehmertochter und der Advokat mit immer härteren Bandagen.

Neuer Höhepunkt ist der Versuch Gabriele Kröners vor dem Bad Homburger Nachlassgericht, Schenk und seine beiden Mit-Testamentsvollstrecker absetzen zu lassen. Kröner kritisiert die Ämterhäufung von Schenk, seine möglichen Interessenkonflikte und die mangelnde soziale Ausrichtung der Stiftung. Kurzum, sie bezweifelt, dass die Testamentsvollstrecker den Letzten Willen ihrer Stiefmutter erfüllen.

Kröners Feldzug mag persönliche Gründe haben – sie wäre wohl gerne Vorstand der Stiftung und Aufsichtsrätin geblieben. Zugleich legt sie aber nicht selten die Finger auf die wunden Punkte – wenn sie etwa fragt, wie die aggressive Akquisitionspolitik des Unternehmens zur gemeinnützigen Verpflichtung der Stiftung passt.

Fresenius hat in den vergangenen Jahren kräftig zugekauft. Das Unternehmen erwarb im Jahr 2005 für 1,5 Milliarden Euro den deutschen Klinikkonzern Helios. Kurz darauf folgte der US-Dialysespezialist Renal Care Group zum Preis von 3,5 Milliarden Euro. Im Sommer vergangenen Jahres sicherte sich Fresenius das US-Unternehmen APP Pharmaceuticals. Für den Hersteller von intravenös zu verabreichenden Medikamenten mit einem Jahresumsatz von 777 Millionen Dollar zahlte Fresenius, inklusive der übernommenen Schulden, 4,6 Milliarden Dollar – je nach künftiger Geschäftslage kann auch noch eine Sonderzahlung von einer Milliarde Dollar fällig werden.

Satzungszweck der Stiftung steht im Hintergrund

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Viel zu teuer, kritisiert Ex-Aufsichtsrätin Kröner. Viele Analysten sehen das genauso. Der Aktienkurs sackte ab; im dritten Quartal 2008 schrieb Fresenius wegen APP sogar rote Zahlen. Kröner regt vor allem auf, dass Fresenius wegen des Kaufs die Verschuldung drastisch hochgefahren hat – von 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf 8,8 Milliarden Euro in 2008. Durch die hohen Schulden kann die Dividenden-Ausschüttung zugunsten der gemeinnützigen Stiftung gefährdet werden, fürchtet Kröner.

Die Ärztin würde lieber mehr Geld in die Stiftung ihrer Stiefmutter als in den Kauf teurer Unternehmen stecken. Die Else-Kröner-Fresenius Stiftung (EKFS), die sich laut Satzung der Förderung wissenschaftlich-medizinischer Projekte und humanitären Aufgaben widmen soll, bringt es derzeit auf ein Vermögen von rund drei Milliarden Euro. Dennoch hat die Stiftung im Jahr 2007 nur rund sieben Millionen Euro für ihre eigentlichen Aufgaben ausgegeben. Die Volkswagen-Stiftung, von der Größenordnung her vergleichbar, schüttete im gleichen Jahr rund Hundert Millionen Euro für Projekte aus.

Hauptkritik Kröners ist das gesamte Finanzgebaren der Stiftung unter der Aufsicht von Rechtsanwalt und Testamentsvollstrecker Schenk. Bei der EKFS sei der eigentliche Satzungszweck längst in den Hintergrund getreten: Die Stiftung sei vor allem damit beschäftigt, die zahlreichen Kapitalerhöhungen und Akquisitionen mitzufinanzieren, um ihre Mehrheitsbeteiligung an Fresenius – derzeit 58 Prozent – halten zu können. Eine solche Stiftung habe ihre Stiefmutter nicht gewollt, sagt Gabriele Kröner. Else Kröner sei eine „Seele von Mensch“ gewesen, sie habe eine Stiftung zum Wohle der Allgemeinheit und zum Erhalt von Fresenius gegründet. „Davon, dass Fresenius risikoreiche Akquisitionen in den USA tätigen soll, steht jedenfalls nichts im Testament“, sagt Gabriele Kröner.

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