Reiseunternehmen Sommer auf dem Balkon

Leere Reisebüros, leere Ferienflieger, leere Hotels - die deutschen Reiseveranstalter bangen um ihre Buchungen. Den Deutschen scheint ihre Reiselust abhanden gekommen zu sein. Auch wenn die Mittelmeerstrände weiterhin beliebt sind, bleiben viele in der Heimat. Die Anbieter versuchen die einstigen Reiseweltmeister mit Sparpreisen zu locken.

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Auf dem eigenen Balkon ist es sicher nicht am schönsten, aber am billigsten. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Der zwischen Köln und Paris fahrende Hochgeschwindigkeitszug Thalys lockt mit halbierten Preisen zum Frühlingsbesuch in der Seine-Metropole. Österreich wirbt für seine Urlaubsziele mit drei mal zwei Meter großen, öffentlich aufgestellten "Ansichtskarten". Neckermann verspricht günstige "Familienkomplettpreise", die das Urlaubsbudget schonen - werblich aufbereitet mit einem schleckenden Junior unter der Headline: "Weniger Preis, mehr Eis".

Das sind Szenen aus einer Branche, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat. Seit Monaten trommeln Reiseveranstalter, Zielgebiete, Hotels und Mietwagenanbieter, um die von Krisenfurcht gelähmten Verbraucher zum Urlaub zu animieren. Doch die früher so hoch geschätzten "Reiseweltmeister" kommen nur zögerlich in die Reisebüros. "Wir warten immer noch auf die 25 Millionen Deutschen, die bei Umfragen der Marktforschung feste Urlaubsabsichten für dieses Jahr angegeben haben", sagte ein Tui-Sprecher. Europas größter Ferienanbieter macht das, was alle in der Touristik machen: Mit gezielten Vermarktungsaktionen, etwa Kinderfestpreisen und verlängerten Frühbucher-Rabatten, versuchen sie händeringend freie Plätze in der Fliegern und Hotelbetten zu verkaufen.

"Die Branche liegt bei den Buchungen noch mit etwa sechs Prozent im Minus gegenüber dem Vorjahr", schätzt der Düsseldorfer Reisebüro-Inhaber Klaus Laepple, Doppel-Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) und des Bundesverbandes der Touristikwirtschaft (BTW). Damit hätten sich die Veranstalter bereits etwa 60 Prozent ihres zumeist guten Vorjahresumsatzes sichern können. "Das sorgt schon für eine gewisse Beruhigung", meint Laepple - nicht ohne darauf zu verweisen, dass die 60-Prozent-Schwelle im vergangenen Jahr einen ganzen Monat früher erreicht worden war. Und die guten Zeiten, in denen bis Ende Februar drei Viertel des Angebots verkauft war, seien ohnehin "lange vorbei".

Voller Erleichterung hat die Touristik registriert, dass das Ostergeschäft, das wegen des späten Feiertagstermins erst im April zu Buche schlägt, gut lief. "Ostern war wie immer - ausgebucht", konstatiert der Tui-Sprecher. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Veranstalter angesichts der düsteren Erwartungen für das Jahr der Krise ihre Kapazitäten vor allem bei den Flügen meist in Größenordnungen zwischen zehn und 15 Prozent reduziert hatten. An den Hauptreisetagen haben einzelne Veranstalter dann kurzfristig zusätzliche Maschinen geordert, um alle Gäste ans Ziel zu befördern.

Rund ein Viertel der Osterurlauber flog nach den Beobachtungen großer Reisebüroketten wie in den Vorjahren auf die Kanaren. Dort bleiben aber viele Betten frei: Zwar seien die Deutschen angereist wie eh und je, konstatiert Laepple, aber die Spanier und die Engländer blieben weitgehend aus, weil sie von der Krise stärker betroffen sind. Jeweils 15 Prozent der deutschen Osterurlauber zog es an die türkische Riviera und nach Ägypten, zehn Prozent auf die Balearen.

Die Türkei ist mit acht Prozent Zuwachs der große Renner im Pauschalreisegeschäft. Das Preis-Leistung-Verhältnis sei dort ausgezeichnet, heißt es in der Branche übereinstimmend. So hätten die Türken das Fernbleiben ihrer russischen Kundschaft ausgleichen können. Was die Branche besonders freut: Für die Ferien über die Feiertage hatten viele Familien ihre zuvor schon mit Sorgen registrierte Buchungszurückhaltung abgelegt. Zahlen der Marktforschungsfirma GfK aus den Reisebüros belegen, dass auch für Familien die Kanaren, Türkei und Ägypten die beliebteten Ferienziele waren.

Wie es nach Ostern weitergeht, weiß die Reisebranche nicht. "Zumindest bis zu den Sommerferien fliegen wir erst einmal auf Sicht", beschreibt ein Air-Berlin-Sprecher die Situation. Der Branchenverband DRV macht sich dagegen Mut. In den letzten zwei Wochen vor Ostern seien die Buchungseingänge bei den großen Veranstaltern "bombig" gewesen, sagte ein Sprecher. Auch die Marktforscher würden bestätigen, dass die Konsumzurückhaltung allmählich nachlasse.

Der DRV rechnet damit, dass der Badeurlaub am Mittelmeer weiter im Trend liegt, mit einer deutlichen Verschiebung zu Zielen in der Türkei und Ägypten. Nicht zu vergessen das eigene Land: Petra Hedorfer, Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), sieht Deutschland im Sommer "potenziell auf der Gewinnerseite". Einer Studie zufolge könne der deutsche Markt seinen Anteil bei der Hauptreise von derzeit 30 Prozent gegenüber den Flugzielen weiter ausbauen, meint Hedorfer. Generell erwartet die DZT aber einen Rückgang der Übernachtungszahlen in Deutschland von zwei Prozent.

Dabei hätten einzelne Regionen und Produkte durchaus Wachstumschancen. Zum Beispiel Wellness-Hotels: Eine Umfrage des Marketingverbundes Wellness-Hotels-Deutschland unter Kunden und Mitgliedern ergab, dass man - wie im Vorjahr - mit einer zweistellig wachsenden Nachfrage rechne.

Die Hotellerie muss sich generell auf Konjunkturprobleme einstellen. Der Hotelverband Deutschland (IHA) rechnet mit einen Rückgang der durchschnittlichen Zimmererträge um fünf Prozent. Stärker betroffen, so eine allgemeine Brancheneerkenntnis, sind Geschäftsreisehotels. Wer in erster Linie Privatkunden bediene, so bestätigte auch die Buchungsplattform hotel.de, komme besser in der Krise zurecht.

Es gibt auch ausgesprochene Krisengewinnler. Der Ferienhausanbieter Belvilla kann sich wohl dazu zählen. Im Januar verzeichnete er bei seinen 15 000 Angeboten im Vergleich zum Vorjahr ein Buchungsplus von 30 Prozent, im März schon von 70 Prozent. "Das sind", so eine Sprecherin, "ungewöhnliche Zahlen, die entgegen all den Tendenzen in der Wirtschafts- und Finanzberichterstattung gute Laune machen".

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