Nord-Stream-Chef Matthias Warnig im Interview „Wir haben Gegner“

Nord-Stream-Chef Matthias Warnig über die Kostenexplosion bei der Ostsee-Pipeline, politische Widerstände gegen das Projekt und die Vorteile einer Unterwasser-Leitung gegenüber dem Gas-Transport über Land.

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Der ehemalige Bundeskanzler Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Warnig, die Nord-Stream-Pipeline könnte statt der einst geplanten 4,5 Milliarden Euro bis zu acht Milliarden kosten. Wie haben Ihre Gesellschafter die Hiobsbotschaft aufgenommen?

Warnig: Sie sind im Bilde, und Hiobsbotschaften kenne ich keine. Wir werden nach Abschluss der wesentlichen Verträge mit dem Pipelineleger Saipem und dem Logistik-Dienstleister Eupec eine detaillierte Kalkulation vorlegen. Wir sind trotz der Mehrkosten in der Lage, unseren Gesellschaftern die Wirtschaftlichkeit der Pipeline nachzuweisen. E.On Ruhrgas, BASF/Wintershall und die Gazprom sind börsennotierte Unternehmen. Sie würden in solch ein Projekt nicht investieren, wenn es nicht wirtschaftlich wäre.

Ihr stärkster Kostentreiber ist der Stahl. Sie brauchen mehr als eine Million Tonnen davon, und der Stahlpreis steigt und steigt.

Das kalkulieren wir ein. Bestellt sind die Röhren für den ersten Strang. Auch die Preise für den zweiten Strang werden sich nach künftigen Stahlpreisen richten und fließen in die Gesamtkalkulation ein. Im Übrigen sind wir ja keine Ausnahme. Diese Preissteigerungen betreffen alle aktuellen Pipeline-Projekte.

Viele Experten halten eine Landleitung für billiger. Warum verlegen Sie nicht über Land?

Eine Pipeline durch die See verursacht höhere Materialkosten, weil wir mit dickeren Wandstärken arbeiten müssen, also mehr Stahl brauchen. Auch das Verlegen auf See ist teurer. Aber Wirtschaftlichkeit errechnet sich eben aus Investitions- und Betriebskosten. Und die Betriebskosten sind günstiger als bei einer Landleitung.

Wie das?

Wir kommen ohne Verdichterstationen aus, da wir die Leitung in der See wegen des Wasserdrucks von außen mit einem höheren Druck betreiben können. An Land bräuchte man entlang der Strecke fünf Kompressorstationen, um den abfallenden Druck immer wieder auf die gewünschten 100 bar zu bringen – also fünfmal Energieverbrauch, fünf Bedienungsmannschaften und vieles mehr. Wenn Sie Investitionskosten und Betriebskosten zusammenfassen, ist die Seeleitung bei einer Laufzeit von 25 Jahren mindestens 15 Prozent billiger als die Onshore-Lösung.

Aber die höheren Investitionskosten fallen jetzt an. Wer zahlt?

Ein Drittel steuern die Gesellschafter proportional zu ihrem Aktienbestand mit Eigenkapital bei. Der Rest muss am Markt finanziert werden.

Also durch Kredite. Wer gewährt Ihnen die?

Wir erarbeiten gerade Finanzierungsmodelle mit den Banken Société Générale, ABN Amro und Dresdner Kleinwort.

Vor Ihrem Engagement bei Nord Stream haben Sie Dresdner Kleinwort in Russland geleitet. Ist das Mandat ein Abschiedsgeschenk an Ihren früheren Arbeitgeber?

Die Entscheidung, dieses Projekt zu beraten, fiel in der Bank, bevor ich bei Nord Stream anfing. Dresdner Kleinwort und ABN Amro berieten bereits Gazprom. Société Générale war für BASF/Wintershall tätig. Wir haben diese Mandate von unseren Aktionären übernommen. Bezüglich meiner früheren Tätigkeit sehe ich da keinen Interessenkonflikt.

Auch wenn das Geld jetzt von den Banken kommt – am Ende landen die zusätzlichen Kosten doch bei den deutschen Verbrauchern.

Wenn Sie heute Ihren Gasherd entzünden, wissen Sie nicht, ob dort russisches, norwegisches oder niederländisches Gas herauskommt. Es gibt viele andere Versorgungsmöglichkeiten und andere neue Pipeline-Projekte. Unser Gas wird im Preiswettbewerb mit anderem Gas stehen. Russland deckt 40 Prozent des europäischen Gasbedarfs. Das ist kein Monopol. 60 Prozent kommen von anderswo.

Aber der russische Anteil wird steigen, denn die niederländischen und britischen Quellen gehen zur Neige.

Er wird maximal auf 45 Prozent steigen. Norwegen wird noch lange ein bedeutender Lieferant bleiben und seinen Lieferumfang wahrscheinlich erhöhen. Und der niederländische Anteil kann durch russisches, aber auch durch nordafrikanisches Gas per Pipeline und durch Flüssiggasimporte per Schiff ersetzt werden.

Die russische Regierung will die Pipeline, die deutsche will sie, auch EU-Energiekommissar Andris Piebalgs hat sich dafür ausgesprochen. Gibt es Notfallpläne für ein Szenario, in dem die Kosten noch weiter aus dem Ruder laufen?

Wir sehen keine Notwendigkeit für Notfallpläne, und nichts ist aus dem Ruder gelaufen. Pläne, um staatliche Finanzierungshilfen zu ersuchen, gibt es nicht. Das war auch nie Thema in unseren Kontakten mit der Politik.

Nord Stream hat nach Ansicht Ihrer Kritiker den politischen Auftrag Russlands, Transitstaaten zu umgehen. Estland befürchtet, Russland könnte unter dem Vorwand, die Pipeline zu schützen, Militär vor seine Küste schicken, um das Land unter Druck zu setzen.

So etwas kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt natürlich Sicherheitsaspekte, aber auch klare Richtlinien: Für die Sicherheit sind die Verteidigungsministerien und Küstenwachen der Anrainerstaaten zuständig, durch deren Wirtschaftszonen die Pipeline verläuft. Mit denen sprechen wir darüber.

Wie gehen Sie mit dem wachsenden Widerstand in Estland, Polen und Schweden um?

Man muss unterscheiden: Es gibt Befürchtungen zum Umweltschutz, Fischereischutz und zur Sicherheit des Schiffsverkehrs. Die haben einen realen Hintergrund, und damit müssen wir sorgsam umgehen. Aber es gibt auch eine sehr politisch geprägte Argumentation, die oft mit den Umweltschutz-Argumenten vermischt wird. Wir bemühen uns, auch dieser offen entgegenzutreten, aber wir sind ein Unternehmen und keine politische Institution.

Hat Nord Stream Feinde?

Wir haben sicher Gegner, mit unterschiedlichsten Motiven und Interessen. Aber es gibt kein Großprojekt von solcher Dimension, das keine Gegner hat.

...Gegner wie den polnischen Premierminister Donald Tusk, seinen estnischen Amtskollegen Andrus Ansip oder auch Robert Amsterdam, den Rechtsanwalt des inhaftierten russischen Oligarchen Michail Chodorkowski?

Wir arbeiten in einem politischen Umfeld, das ist klar. Aber ich werde mich hier auf keine politischen Statements einlassen. Das ist nicht meine Aufgabe und nicht die Aufgabe von Nord Stream.

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