Volkswagen und Deutsche Bank Die Fallstricke des Kulturwandels

Ob Deutsche Bank oder Volkswagen: Kulturwandel ist bei vielen Unternehmen nötig – wird aber zu oft nicht ernst genommen. Change-Management-Expertin Anabel Houben nennt die Herausforderungen. Ein Gastkommentar.

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Wenn sich das Führungsgremium nicht dem Kulturwandel unterzieht, ändern sich die Mitarbeiter auch nicht. Quelle: Fotolia

Düsseldorf „Kulturwandel? Das mache ich zwischen 12 Uhr und mittags!“ Solche und ähnliche Aussagen höre ich von Managern immer wieder. Dabei ist in vielen Unternehmen, gerade in Deutschland, ein Kulturwandel nötiger denn je. Die Beispiele Deutsche Bank und Volkswagen zeigen eindringlich, wie schädlich so manche Führungskultur für ein Unternehmen sein kann – ja sogar zur Existenzbedrohung werden kann. Das gilt nicht nur in Compliance-Fragen.

Vielfach stellt ihre Unternehmenskultur schlichtweg die größte Hürde beim überfälligen Wandel des Geschäftsmodells dar. Ich erlebe immer wieder, wie schwer sich zum Beispiel die deutsche Stammhauskultur mit der Globalisierung tut, es an echter Innovationskultur mangelt oder ein regelrechter Widerwille gegen die Digitalisierung vorherrscht. Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Unternehmen von Leichtfüßigkeit von Google & Co. bedroht.

Wie lässt sich nun eine verkrustete Kultur verändern? Wie lassen sich mehrere Tausend Mitarbeiter dazu bewegen, eingefahrene Verhaltensmuster über Bord zu werfen? Dazu liegen mittlerweile interessante Forschungserkenntnisse vor. Im Kern sind drei Herausforderungen zu meistern.

Fallstrick Nummer 1: Verändern müssen sich nur die anderen

Die Treppe von oben kehren. Wenn sich das Führungsgremium nicht selbst dem Kulturwandel unterzieht, ändern sich die Mitarbeiter auch nicht. Schließlich reagieren die Mitarbeiter immer auf das Verhalten von ganz oben. Ein Topmanagement zum Beispiel, das schlechte Nachrichten nicht hören will, bekommt halt auch nur noch „grüne Ampeln“ gemeldet.

Damit sich das Führungsgremium selbst wandelt, braucht es ein notwendiges Maß an Selbsterkenntnis und Selbstreflektion, die eigenen, bisher erfolgversprechenden Verhaltensmuster in Frage zu stellen. Topmanager müssen gewillt sein, sich Rat geben zu lassen. Sicher, dieser Prozess ist schmerzhaft. Er braucht auch bei der Unternehmensführung Zeit und Durchhaltevermögen.

Fallstrick Nummer 2: Es lebe der Homo oeconomicus

Kulturwandel reduziert sich häufig auf den reinen Appell an die Vernunft des Einzelnen, sich nun „richtig“ zu verhalten. Ein Townhall-Meeting des CEO zur gewünschten Zielkultur allein verändert noch nichts. Die Forschung zeigt: Ohne die positive Erfahrung, dass sich ein neues Verhalten für den einzelnen nachhaltig lohnt, lassen sich etablierte Muster nicht aufbrechen. Echte Veränderungen, wie mehr Kundenfokus, dafür weniger Absicherungsreporting, müssen erst mehrfach positiv erlebt werden. Sonst füllen die Mitarbeiter bei der nächsten Gelegenheit lieber wieder Reportings aus.

Fallstrick Nummer 3: Kulturwandel als Anordnung

Ohne den Mittelbau als Bindeglied zwischen oben und unten geht es nicht. Sie als Multiplikatoren zu gewinnen wird jedoch zunehmend schwieriger. „Sandwich-Manager“ sind schon zu oft per Anordnung zu „Change Agents“ gemacht worden, so dass viele nur noch nach dem BOHICA-Motto agieren: „Bend over, here it comes again!“

Das Topmanagement muss glaubwürdig selbst vorleben, was sie von ihren Führungskräften verlangen. Zum Beispiel Kritiker ermuntern, selbst Sparvorhaben vorleben, Fehler nicht bestrafen oder Zeit zur Zielerreichung lassen. Das mittlere Management wiederum braucht systematische Unterstützung, um seine eigenen Verhaltensmuster zu reflektieren und anzupassen. Und sie müssen das nötige psychologische Rüstzeug erhalten, damit sie den Kulturwandel auch effektiv bei ihren Mitarbeitern verankern können.

Ist Kulturwandel überhaupt machbar? In jedem Fall! Mit einem engagierten Führungsgremium, den richtigen Methoden und vor allem mit ausreichend Zeit. Aber eben nicht zwischen 12 Uhr und mittags.

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