Zeit ist Trumpf: Wer seinem Gegenüber eine Lüge nachweisen will, muss auf das Verhalten achten, das der Gesprächspartner innerhalb der ersten fünf Sekunden nach der Frage zeigt. So lange braucht unser Gehirn, um sich eine Strategie zurechtzulegen, wie wir auf eine Frage antworten sollen.
Und in der Zeit reagiert unser Körper: Uns entgleist das Gesicht, wir zucken zusammen, wir stottern. Erst dann fangen wir uns und lügen, dass sich die Balken biegen. Deshalb ist es wichtig, zu sehen, wie jemand reagiert und zu hören, was er sagt. Gibt es da eine Diskrepanz? Dann ist das ein gutes Zeichen für eine Lüge.
Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass einmal Zucken oder rot werden schon heißt, dass das Gegenüber lügt. Die Körpersprache lässt sich zwar durchaus als Anzeichen bewerten. Aber aufgrund eines einzelnen Indiz kann man noch lange kein pauschales Urteil fällen. Denn hinter einem Verhalten können die verschiedensten Gründe stecken. „Jeder Mensch hat individuelle Sprechgewohnheiten und auch typische physische Verhaltensmuster“, heißt es im Buch „Erkenne den Lügner“. Diese Muster haben gar nichts zu bedeuten, sie gehören einfach zu unserer Persönlichkeit.
Mit diesen Fragen bringen Sie Lügen ans Licht
In Situationen, in denen wir nicht die Antwort bekommen, mit der wir gerechnet haben, greifen wir oft zu negativ formulierten Fragen. Angenommen, Sie fragen eine Autofahrerin, ob sie schon einmal die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, und sie antwortet darauf: "Nein, noch nie." Diese Antwort wird Sie vermutlich überraschen, also haken Sie spontan noch einmal nach: "Sie haben noch niemals die Höchstgeschwindigkeit überschritten? Wirklich noch nie?" Doch damit bestärken sie Ihren Gesprächspartner, bei seiner Antwort zu bleiben.
Beginnen Sie Ihre Frage mit einer Einleitung: "Als Nächstes möchte ich Sie nach XYZ befragen. Bevor wir auf dieses Thema eingehen, will ich Ihnen erklären, warum diese Frage wichtig ist und worum es uns geht." Legitimierungen führen dazu, dass Menschen die Frage ehrlicher beantworten. Auch Rationalisierungen eignen sich sehr gut als Prolog zu einer Frage. Zum Beispiel: "Niemand ist perfekt" oder "Jeder macht einmal etwas falsch". Das kann enorm dazu beitragen, Ihren Gesprächspartner für die Frage zu öffnen, die Sie ihm stellen möchten. Auch durch Minimierung können Sie verhindern, dass sich jemand hinter seiner Lüge verschanzt – zum Beispiel mit Äußerungen wie: "Wir möchten diese Angelegenheit ja nicht unnötig aufbauschen."
Es ist wichtig, zwischen Verdachtsfragen und Suggestivfragen zu unterscheiden. Mit einer Suggestivfrage versucht man den Gesprächspartner zu beeinflussen und ihm eine bestimmte Antwort in den Mund zu legen: "Sie haben doch gestern Abend das Geld genommen?" Eine Verdachtsfrage ist: "Was ist gestern Abend mit dem Geld passiert?" Der Unschuldige sagt "Keine Ahnung." Wer schuldig ist, muss nachdenken und sagt also eher: "Sie fragen mich, was da passiert ist? Woher soll ich denn das wissen?"
Eine klassische Köderfrage wäre "Könnte es einen Grund geben, warum jemand behauptet, Sie hätten das Geld genommen?" Es handelt sich um eine hypothetische Frage, die auf einem psychologischen Prinzip namens "Gedankenvirus" beruht. Wenn der Kollege auf Sie zukommt und sagt: "Die Chefin möchte dich sofort in ihrem Büro sprechen", schlägt ein solches Gedankenvirus zu. Wir machen uns nämlich sofort Gedanken darüber, was wir angestellt haben könnten, was uns jetzt droht und spielen alle Konsequenzen durch.
Fragen Sie: "Was sollte Ihrer Meinung nach mit der Person passieren, die das getan hat?" Wenn Sie jemanden befragen, der kein reines Gewissen hat, fordern Sie die verdächtige Person mit dieser Frage im Grunde genommen dazu auf, sich selbst zu verurteilen. Dahinter steht die Theorie, dass jemand, der schuldig ist, naturgemäß eine ziemlich milde Strafe vorschlagen wird. Wer unschuldig ist, wird sich dagegen wohl für eine strengere Bestrafung aussprechen.
Das Problem mit dieser Theorie ist nur, dass Lügner und Betrüger immer nach Möglichkeiten suchen, unsere Wahrnehmung ihres Charakters zu manipulieren: Ignorieren Sie also die Forderung nach einer harten Strafe, aber werden Sie bei zu milden Strafen hellhörig.
Mit solchen Fragen kann man Lügen vom Weglassungstyp auf die Schliche kommen. "Gibt es noch irgendetwas Wichtiges zu Ihrer Beziehung mit dieser Person, das wir bisher nicht besprochen haben?" oder "Gibt es noch irgendetwas, was ich wissen sollte und worüber wir bisher nicht gesprochen haben?"
Erst, wenn mehrere Indizien zusammen kommen, sollten Sie misstrauisch werden. Zupft sich das Gegenüber an der Nase, wippt mit dem Fuß, nestelt an den Klamotten rum und gibt dann auch noch ausweichende Antworten, sollten Sie dringend nachhaken. Und vergessen Sie nicht: Das erste Indiz muss innerhalb von fünf Sekunden nach der Frage erfolgen.
Doch wie unterscheidet sich die wahrheitsgemäße Aussage von einer Lüge? Ehrliche Antworten sind normalerweise direkt und spontan. „Nein, ich habe das Geld nicht gestohlen.“ Da es uns schwer fällt, anderen direkt ins Gesicht zu lügen, sagt der Lügner nicht: „Nein, ich habe das Geld nicht genommen“, sondern nutzt Ausflüchte. Wer kein reines Gewissen hat, muss schließlich irgendetwas sagen, um seinen Gesprächspartner zu überzeugen.
Diese körperlichen Signale deuten auf eine Lüge hin
Laut den CIA-Agenten Philip Houston, Michael Floyd und Susan Carnicero - Autoren des Buches "Erkenne den Lügner" - gibt es einige körperliche Signale, die helfen, eine Lüge zu enttarnen. Eine häufige Diskrepanz zwischen verbalem und nichtverbalem Verhalten, auf die Sie achten sollten, besteht darin, dass Ihr Gesprächspartner bestätigend nickt, während er gleichzeitig "Nein" sagt, oder umgekehrt: Er sagt "Ja" und schüttelt dabei den Kopf.
Wenn sich jemand die Hand vor den Mund hält, während er eine Frage beantwortet, hat das etwas zu bedeuten. Außerdem neigen wir alle von Natur aus dazu, uns vor der Reaktion eines Menschen abzuschirmen, den wir belügen. Wenn jemand bei der Antwort auf Ihre Frage also seine Augen abschirmt, verrät er damit auf unterbewusster Ebene womöglich, dass er Ihre Reaktion auf die faustdicke Lüge, die er Ihnen gerade erzählt, nicht mitansehen kann.
Wenn jemand sich vor seiner Antwort auf eine Frage räuspert oder deutlich spürbar schluckt, liegt hier womöglich ein Problem vor. Tut er das erst nach seiner Antwort, so brauchen wir uns keine Gedanken darüber zu machen.
Achten Sie auf alles, was Ihr Gegenüber als Reaktion auf Ihre Frage mit seinem Gesicht oder Kopf anstellt. Vielleicht beißt oder leckt er sich die Lippen oder er zieht an seinen Lippen oder Ohren. Oder die betreffende Person ringt die Hände oder reibt sie sich.
Wenn wir nervös sind, zeigt unser Körper das, beispielsweise durch sogenannte "Ankerpunkt"-Bewegungen. Die Ankerpunkte eines Menschen sind jene Körperteile, die ihn an einem bestimmten Punkt oder in einer bestimmten Position verankern. Wenn er steht, sind die Füße seine primären Ankerpunkte. Wer von einem Fuß auf den anderen tritt, gibt so seiner Anspannung ein Ventil. Wenn jemand auf einem Stuhl sitzt, sind die primären Ankerpunkte sein Gesäß, sein Rücken und seine Füße. Rutscht er im Stuhl hin und her oder wippt vor und zurück?
Manche Menschen versuchen ihre Nervosität auch durch Gesten zu vertreiben: Sie streichen oder zupfen an sich selber oder an irgendwelchen Gegenständen in ihrer unmittelbaren Umgebung herum.
Dass jemand schwitzt, ist unerheblich, aber wenn er sich bei seiner Antwort den Schweiß mit einem Taschentuch oder mit der Hand von der Stirn wischt, ist das ein Alarmsignal.
Manchmal räumt jemand, der eine Lüge erzählt, auch plötzlich sein näheres Umfeld auf: Man stellt ihm eine Frage und plötzlich muss das Telefon zurechtgerückt werden, das Glas Wasser steht zu nah oder der Bleistift liegt nicht am richtigen Ort.
Zum Beispiel beginnt er zu erklären, warum er niemals stehlen würde oder er wiederholt sich ständig: „So etwas würde ich niemals tun, wirklich nicht. Ich habe so etwas noch nie gemacht.“ Und auch wenn Franklin D. Roosevelt gesagt hat, dass eine Lüge durch Wiederholung nicht zur Wahrheit wird, halten wir es zumindest für wahrscheinlich, dass jemand Recht hat, wenn er es nur oft genug wiederholt.
Wer künftig also genau darauf achtet, was sein Gegenüber sagt und wie, hat eine gute Chance, so manche Lüge zu enttarnen. Allerdings wird er deshalb noch nicht selbst zum besseren Lügner. Denn das meiste, was uns enttarnt, machen wir automatisch und unterbewusst. Unser Körper lügt nun einmal nicht.