Aus vielen aktuellen Gesprächen mit Personalleitern, Managern, CIOs und Bewerbern ergibt sich für uns ein ähnliches Bild wie das in dem Beitrag „Der so genannte Fachkräftemangel“ von Ferdinand Knauß gezeichnete. Mit dem allgemeinen Klagen über den Fachkräftemangel hat es jedenfalls nur wenig gemein. Aktuell haben wir sicher einen Bewerbermarkt. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine wechselwilligen Fachkräfte gibt. Wir können bei fast allen Suchaufträgen für jede offene Position mindestens drei Bewerber oder mehr vorstellen. Es stellt sich die Frage, warum trotzdem immer wieder offene Stellen nicht besetzt werden.
Aus unserer Sicht gibt es hierfür folgende Gründe:
1. Die Anforderungen der Unternehmen an Bewerber sind oft zu starr und für manche Aufgabenstellungen merklich zu hoch angesetzt. Manche Anforderungen erinnern an die berühmte „Eierlegende Wollmilchsau“. Neben möglichst vielen Fachkenntnissen sowie jungem Alter wird oft eine hohe Reisebereitschaft gewünscht, Bereitschaft zu Wochenendarbeit, sehr gute Fremdsprachen-Kenntnisse, tiefes Brachenwissen, gutes abgeschlossenes Studium, Spezialwissen, Branchen-Know-How, wichtige Softskills und mehr – und das alles zu einem standardisierten Tarifgehalt. Realistische, praxisorientierte Anforderungen, eine Rückbesinnung auf die Key-Points der Stelle und eine Ausgewogenheit in den Anforderungen zwischen Bewerber und Unternehmen würden zu deutlich mehr Besetzungen führen.
So nutzen Mittelständler ihre Stärken im Wettbewerb um Fachkräfte
Diese Einschätzung stimmt allerdings nur zum Teil. Auf die Frage, welche Kriterien bei ihrer Jobauswahl eine Rolle spielen, landeten ein angenehmes Betriebsklima und interessante Arbeitsinhalte an erster Stelle der Wunschliste der potenziellen Bewerber (jeweils 8,7 Punkte auf einer Skala von eins bis zehn).
Für die Studenten spielen außerdem Arbeitsplatzsicherheit (7,9 Punkte), gute Karrierechancen (7,8 Punkte) und eine gute Bezahlung (7,7 Punkte) eine wichtige Rolle bei der Auswahl ihres künftigen Arbeitgebers. Die Unternehmensgröße ist den meisten nicht so wichtig (4,3 Punkte). Auch der Standort und das Image des Unternehmens sind für viele Bewerber nicht ausschlaggebend (jeweils 6,6 Punkte).
Vieles deutet darauf hin, dass der Mittelstand und Familienunternehmen nicht stärker vom Fachkräftemangel betroffen sind als Großkonzerne. Denn fast 80 Prozent der Studenten planen, sich sowohl bei mittelständischen als auch in großen Unternehmen zu bewerben. Nur elf Prozent wollen ausschließlich bei Großunternehmen arbeiten; neun Prozent sind nur auf mittelständische Unternehmen fokussiert.
Die Studenten, die mittelständische Unternehmen als eher attraktiv bewertet haben, wurden gebeten, eine Begründung für ihre Einschätzung zu geben. Auf die (ungestützte) Frage gaben 28,8 Prozent an, dass sie kleinere und mittelständische Unternehmen besonders schätzen, weil sie familiär und weniger anonym sind und dort ein besseres Betriebsklima erwarten. Außerdem erhoffen sie sich mehr Verantwortung und Freiräume (16,4 Prozent) sowie eine größere Anerkennung ihrer Leistungen (12,3 Prozent). Elf Prozent wissen die flacheren Hierarchien und Strukturen zu schätzen. Auf diese Vorteile sollten Mittelständler und Familienunternehmen in ihrer Kommunikation mit (potenziellen) Bewerbern eingehen.
Aus Sicht der befragten Studenten könnten Mittelständler noch attraktiver werden, wenn auch die Verdienstmöglichkeiten wettbewerbsfähig sind. Das sagen 23 Prozent der Befragten. Sie glauben auch, dass Werbung, gute Öffentlichkeitsarbeit und ein informativer Internetauftritt dazu beitragen können, die Attraktivität eines mittelständischen Unternehmens zu steigern. "Daran sollten Familienunternehmen und Mittelständler arbeiten und sich – wenn nötig – professionelle Unterstützung holen", empfiehlt Dr. Peter Bartels.
Um viele Bewerbungen von hochqualifizierten Absolventen zu bekommen, sollten Unternehmen früh mit den potenziellen Bewerbern in Kontakt kommen. Das geht beispielsweise, indem sie Studenten anbieten, ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit dem Unternehmen zu schreiben. Für über 90 Prozent der befragten Bewerber ist dieses Angebot attraktiv. Die Möglichkeit, sich intensiv kennen zu lernen, bevor ein festes Arbeitsverhältnis geschlossen wird, bieten natürlich auch studienbegleitende Praktika.
Darüber hinaus sollten Unternehmen Studenten gezielt ansprechen. Zum Beispiel über Stipendienprogramme, Recruiting-Veranstaltungen oder auf Jobmessen. "In der Kommunikation mit den möglichen Bewerbern sollten sich mittelständische Unternehmen darauf konzentrieren, die Bewerber gut zu informieren – und zwar zu den Punkten, die ihnen bei der Jobwahl am wichtigsten sind, also zu den genauen Arbeitsinhalten sowie Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten", so die Empfehlung von Dr. Peter Bartels.
Allerdings müssten sich Unternehmen auch bewusst sein, sagt Bartels, dass Informationen nicht ausreichen. Sie müssen den künftigen Kollegen auch etwas bieten können: Und dazu zählen in jedem Fall ein wettbewerbsfähiges Gehalt und gute Karrierechancen.
2. Gerade große Konzerne versuchen immer wieder Stellen für erfolgreiche Spezialisten in ein Korsett von Tarifverträgen zu pressen, die nur wenig Spielraum lassen. Spezialwissen wird oft nicht honoriert und schwer erhältliche Professionals werden oft nicht entsprechend ihren Erfahrungen eingestuft. Es ist augenscheinlich, dass durch starre Eingruppierungen die benötigten Fachspezialisten nicht besetzt werden können. Hier regelt der Markt augenscheinlich noch nicht den Preis.
3. Bei Unternehmensberatungen entwickeln sich die Tagessätze teilweise nicht mehr wie früher. Dies hat nachhaltige Auswirkungen auf die Gehälter der Mitarbeiter und ist für Bewerber deutlich sichtbar. Früher wurde aufgrund von hohen Anforderungen und hoher Reisetätigkeit ein höheres Gehalt als in vergleichbaren Inhouse-Positionen bezahlt. Dieses „Schmerzensgeld“ gibt es seit einigen Jahren nicht mehr. Die hohen Anforderungen sind aber geblieben. Es gab in den letzten Jahren oft keine neuen Ideen, wie die Life-Work-Balance besser ausgeglichen werden kann. Dies führt dazu, dass viele Consultants die Beratung nach wenigen Jahren verlassen. Und nur wenige kommen neu dazu. Zudem gibt es bei manchen Beratungsunternehmen noch immer das up-or-out-Prinzip und häufige Personalreduzierungen in Krisenzeiten, was viele Bewerber nachhaltig abschreckt.
Firmen investieren zu wenig in interne Ausbildung
4. Probleme im Bereich IT: Die Anzahl der Informatik-Studenten lag im Jahr 1994 bundesweit laut VDI bei 9.000, im Jahr 2011 bei über 48.000. Es wird deutlich, dass Unternehmen zu wenig in die firmeninterne Ausbildung eigener neuer Mitarbeiter im Bereich IT und SAP investieren. In früheren Jahren wurde ein nicht geringer Teil der IT-Spezialisten in den Firmen selbst ausgebildet. Dies hat in den letzten Jahren spürbar nachgelassen und wurde auf Universitäten und Hochschulen verlagert, was dort aber nur bedingt praxisgerecht umgesetzt werden kann. Zudem sind Bachelor- und Master-Studiengänge innerhalb der einzelnen Bundesländer und Hochschulen so unterschiedlich, dass ein Wechsel zwischen den einzelnen Hochschulen nur noch schwer möglich ist. Die Gesamtausbildung ist zu komplex, mit zu hohem Zeitdruck verbunden und zu wenig praxisorientiert.
Eine Lösung des Problems durch den Zuzug ausländischer IT Spezialisten sehen wir in der Praxis nicht, da gerade IT-Spezialisten aus Indien und China ein anders aufgebautes Studium absolviert haben und nur bedingt die deutschen Firmenprozesse und -Abläufe kennen. Zudem dauert es meist mehrere Jahre, bis die sprachliche Integration erfolgt ist, was für die meisten deutschen Unternehmen zwingende Voraussetzung für eine Einstellung ist.
5. Immer mehr Konzerne möchten offene Stellen anfangs nur befristet besetzen. Dies ist für die meisten berufserfahrenen Bewerber ein K.O.-Kriterium. Speziell ein Wechsel aus einer Festanstellung wird hierdurch unrealistisch.
6. Manche der suchenden Unternehmen haben ländliche Standorte. Diese sind für junge Akademiker meist nicht favorisiert. Dieses Problem kann nur gelöst werden, indem Firmen an diesen Standorten selbst regional ausbilden.
Die spürbaren Auswirkungen von Nicht-Besetzungen in den Unternehmen, speziell von Ingenieuren und IT- und SAP-Spezialisten, sind der Grund für temporäre Projekt-Besetzung mit Freiberuflern oder Interim-Managern. Und das zu hohen Stundenpreisen, die deutlich außerhalb der Tarifgehälter liegen. Für jedes Unternehmen und jeden Manager ist aber gerade ein mittel- und langfristiger Know-How-Aufbau und -Erhalt ein wichtiger und Kosten schonender Erfolgsfaktor.
Aus unserer Sicht sind leider viele Schwierigkeiten bei der Besetzung von Professionals hausgemacht. Es liegt meist nicht an den fehlenden Fachkräften, sondern an zu hohen Anforderungen und zu wenig Flexibilität innerhalb der Unternehmen.