Moderne Arbeitswelt New Work ist weder neu, noch gut

Feelgood-Manager, Work-Life-Balance und Chefeinladungen zum Tofu-Grillen. Die neue Arbeitswelt wird uns schöner verkauft, als sie ist. Denn in den vergangenen 30 Jahren hat sich nicht viel verändert.

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Die Arbeitswelt verändert sich stetig, doch die Arbeit 4.0 ist nichts Neues Quelle: imago images

Alles so schön bunt hier: wir arbeiten in der Hängematte mit dem Smartphone, überall nur flache Hierarchien. Alle sind fröhlich (das hat der Feelgood-Manager so angeordnet). Beim „Neuen Arbeiten“, „New Work“ im Personalersprech, geht es nicht mehr nur darum, täglich seine acht bis zehn Stunden abzureißen, um die Miete bezahlen zu können. Nein, es geht um den Menschen, seine Individualität, seine Ideen, sein Wohlbefinden, seine Selbstverwirklichung. Das „S“ in dem Wort Arbeit steht schließlich für Spaß.

Arbeit 4.0 ist ein fiktiver Begriff

Die Idee, die sich hinter „New Work“ verbirgt, ist nicht neu: Philosoph Frithjof Bergmann hat den Begriff bereits in den 1980er Jahren geprägt. Er sprach davon, dass Arbeiten kein langweiliger „Nine-to-Five-Job“ sein dürfe, sondern sinnstiftend sein müsse. Die Personaler-, Berater- und Coach-Welt tanzt also seit gut zwei Jahren aufgeregt um eine mehr als 30 Jahre alte Idee.

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Stefan Kühl, Soziologe und Professor an der Universität Bielefeld, hält auch nicht viel von dem Mode-Arbeitsbegriff: „Arbeit 4.0 ist ein völlig fiktiver Begriff“, sagte er bei der Messe Zukunft Personal, die sich ausgerechnet das Thema Arbeiten 4.0 zum Motto gewählt hatte. „So viele neue Trends sind bei der Arbeit 4.0 nicht dabei“, sagt er. „IT-Vernetzung war beispielsweise schon in den 1980er Jahren ein Thema.“

New Work ist wie die Rückkehr der Jeans mit den zerschnittenen Knien

Das Problem, dass neue Technologien bestimmten Berufen den Garaus machen, gibt es vermutlich auch schon seit Erfindung des Rades. Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) an der Hochschule Ludwigshafen, ergänzt: „Seit den 80er Jahren geht es um Produktionstiefe, Lean-Management, Verschlankung, Auslagerung. Das ist also auch alles nicht neu.“

Die nächste Generation der Industrie wird den Arbeitsmarkt umkrempeln. Skeptiker fürchten Stellenstreichungen, doch tatsächlich entstehen mit der Digitalisierung völlig neue Beschäftigungsbereiche. Die Jobs der Zukunft.

Die gute alte Tele-Arbeit, die beispielsweise BMW mit dem Ziel von Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben einführte, heißt mittlerweile Home-Office. Die erwähnte Vereinbarkeit nennt sich Work-Life-Balance. BMW hat seinen Tele-Mitarbeitern  damals dafür übrigens PCs, Faxgeräte und Festnetz-Telefonanschlüsse zu Hause installiert. Davon ist heute so manches Unternehmen, das Home-Office anbietet, noch meilenweit entfernt.

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Auch Rump arbeitet seit 15 Jahren immer und überall, sie nennt ihren Rollkoffer ihr Büro. Kühl vergleicht sie die Arbeitswelt deshalb mit der Modebranche: Bei beiden gäbe es Wellenbewegungen. „Nur vergisst man immer wieder, welche Effekte es gab.“

Trotzdem heißt es überall, dass sich unsere Arbeitswelt in einem rasanten Wandel befindet. Entsprechend wird sowohl in Unternehmen, Medien als auch in der Politik darüber diskutiert, wie wir in Zukunft arbeiten wollen. Und in vielen Bereichen gibt es tatsächlich Veränderungen. Nur ein Umbruch bedeuten diese eben nicht. „Die Diskussion um New Work ist Evolution, nicht Revolution. Das ist einfach die Wirtschaftsform, die wir uns ausgesucht haben“, sagt Stefan Ries, Personalchef bei SAP.

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