Überforderte Arbeitnehmer Hilfe, mein Job bringt mich noch um

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Ratlos angesichts der Auswahl an Fächern und Berufen

Die Berufe mit den höchsten und niedrigsten Stressgraden
Platz 5:Höchste Stressbelastung: KochNiedrigste Stressbelastung: Sozialarbeiter* Die Stressbelastung von Berufen basiert auf 15 verschiedenen, stressfördernden Faktoren, wie z.B. Termindruck, Wettbewerbsintensität, körperliche sowie emotionale Belastung. Die Summe der Faktoren bestimmt das Ranking. Je schädlicher der Stress eingestuft wurde, desto höher wurde er dabei gewichtet. Quelle: dpa
Platz 4:Höchste Stressbelastung: JournalistNiedrigste Stressbelastung: Sekretär Quelle: dpa
Platz 3:Höchste Stressbelastung: PilotNiedrigste Stressbelastung: Übersetzer Quelle: dpa/dpaweb
Platz 2:Höchste Stressbelastung: FacharztNiedrigste Stressbelastung: Bibliothekar Quelle: dpa
Platz 1:Höchste Stressbelastung: BohrhelferNiedrigste Stressbelastung: Rezeptionistin Quelle: AP

Annika Herrlich* wäre vermutlich froh um eine so klar definierte Aufgabe. Als sie kurz nach ihrem 18. Geburtstag ihr Abiturzeugnis in Händen hielt, war sie glücklich und gleichzeitig ratlos. Was nun? Die Entscheidung für ein freiwilliges kulturelles Jahr an einem Theater in Sachsen-Anhalt hielt ihr die Studienwahl weitere zwölf Monate vom Hals. Doch auch ein Jahr später war Herrlich noch immer auf der Suche nach dem perfekten Studienfach.

Ein Problem, vor dem viele junge Erwachsene stehen. Früher war der Lebensweg durch die räumliche Gebundenheit meist vorbestimmt. Die Abiturienten heuerten beim größten Unternehmen der Region an, absolvierten eine Lehre bei der örtlichen Bank oder studierten an der nächstgelegenen Universität. Heute steht vielen sprichwörtlich die ganze Welt offen. Alleine in Deutschland können angehende Studenten zwischen knapp 17.000 Studiengängen wählen. „Für diese Entscheidung sind die Abiturienten ganz allein verantwortlich“, sagt Hagemann. „Das verunsichert und überfordert viele.“

Herrlich entschied sich schließlich für das Fach Cultural Engineering an der Universität Magdeburg, eine Mischung aus Kulturwissenschaft, Wissensmanagement und Logistik. Doch die Zweifel kamen zurück, spätestens im dritten Semester. „Ich hatte keine Ahnung, was ich damit später anfangen soll“, sagt die heute 21-Jährige. Sie begann sich erneut nach Alternativen umzuschauen. Und verlor sich in endlosen Internet-Recherchen und Gesprächen mit Verwandten und Freunden, die alle unterschiedliche Ratschläge parat hatten.

„Das verwirrte mich“, sagt die Studentin. „Ich hatte Angst, das falsche Fach gewählt zu haben oder erneut zu wählen.“

Psychotherapeutische Studentenberatung

Über ein halbes Jahr schleppte sie diese Sorge mit sich herum, vernachlässigte ihr Studium, die Arbeit türmte sich. Schließlich besuchte sie die psychotherapeutische Studentenberatung der Universität. Für Herrlich eine Befreiung. „Ich konnte einfach mal losheulen und alles rauslassen.“

Endlich saß ihr jemand gegenüber, der keinerlei Erwartungen an sie hatte. „Vorher habe ich versucht, es allen meinen Gesprächspartnern recht zu machen und ihre gut gemeinten Ratschläge zu befolgen“, sagt die Studentin. „Mich selbst habe ich dabei zurückgenommen.“

Sauna und Feierabendbier

Ein Phänomen, das Burn-out-Beraterin Betz gut kennt. „Menschen, die so ticken, speisen ihr Selbstwertgefühl aus der Anerkennung durch andere“, erklärt die Expertin. „Sie müssen lernen, unabhängiger von den Erwartungen anderer zu handeln.“

Sybille Knauf hat das schon geschafft: Seit gut anderthalb Jahren hat sie wieder mehr Zeit für sich. Nicht nur, weil ihre Tochter nun auf eigenen Füßen steht. „Ein Coach hat mir geholfen, wieder mehr an mich selbst zu denken“, sagt die 56-jährige Mutter, die sich jetzt auch mal wieder Zeit nimmt für einen Besuch in der Sauna oder spontan mit den Kollegen auf ein Feierabendbier geht. Und abends inzwischen auch nach ein paar Seiten Lektüre nicht mehr über dem Buch einschläft. „Für mich hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen.“

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