Jungunternehmer Vom Gründer zum Jobmacher

Schon vier Mal ist der WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb gestartet, im Frühjahr 2011 geht er in eine neue Runde. Doch was ist eigentlich aus den bisherigen Siegern und Finalisten geworden? Gibt’s die noch? Es gibt sie!

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Martin Höfeler, Anton Jurina Quelle: Falco Peters

Heilbronn, Kirchheim, Lindau: Im Herbst hat Anton Jurina seine Vertriebsmitarbeiterin auf Reisen geschickt. Nicht in den Urlaub, sondern auf „Dorflandtour“. So nennt der Unternehmer es, wenn er oder seine Mitarbeiter durch jene Städte tingeln, in denen die Produkte des Startups Armedangels noch nicht in den Läden zu finden sind. Im Gepäck: Mode-Artikel aus Baumwolle, die biologisch hergestellt und „fair“ gehandelt wurde. Also zu Preisen, die den Baumwollbauern in Indien ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen sollen.

Mit der Idee, trendige Ökoklamotten zu verkaufen, haben Anton Jurina und sein Mitgründer Martin Höfeler im Jahr 2007 den ersten WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb gewonnen. „Das hat uns geholfen, bekannter zu werden und mit den richtigen Leuten ins Gespräch zu kommen“, sagt Jurina heute.

Im Frühjahr 2011 wird der WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb zum fünften Mal ausgeschrieben. Grund genug, Bilanz zu ziehen: Was ist eigentlich aus den Siegern und Finalisten geworden? Gibt es die noch? Und wenn: Sind sie erfolgreich?

Sie sind, sehr sogar! Die Armedangels etwa schreiben Gewinne und beschäftigen sieben Mitarbeiter. Wie sie standen bisher insgesamt 20 Gründerteams im Finale. Zusammen haben sie mehr als 200 Jobs geschaffen. Ein kleines Jobwunder.

Das zeigt, welche wichtige Rolle Gründer auf dem Arbeitsmarkt spielen: Im Schnitt entstehen in einem Startup im Gründungsjahr drei Stellen, wie KfW Bankengruppe und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ermittelt haben. Allein im Krisenjahr 2009 haben Deutschlands Gründer 560 000 neue Arbeitsplätze geschaffen – ein Rekordwert.

Gescheitert an Investoren

Natürlich landen nicht alle einen Volltreffer. In den ersten drei Jahren gibt jeder vierte Jungunternehmer wieder auf, so der KfW-Gründungsmonitor.

„Der Gang zum Amtsgericht war ein Gang nach Canossa“, sagt Christian Klammer, der mit Jana-Maria Lehnhardt 2008 mit dem Startup Publicbox das Wettbewerbsfinale erreichte. Jetzt mussten sie Insolvenz anmelden – obwohl sie mit ihren Produkten durchaus Erfolg hatten. Publicbox bedruckt Postpakete und Umzugskartons mit Werbung und hilft Unternehmen so, bestimmte Zielgruppen besser anzusprechen.

Mit der Idee gewannen die Gründer Designpreise, überzeugten Kunden wie Nestlé und Bosch und beschäftigten bis vor Kurzem noch zehn Mitarbeiter. Doch im Sommer platzte überraschend eine zweite sicher geglaubte Finanzierungsrunde. Dem Startup ging das Geld aus.

Das Beispiel zeigt, wie sehr junge Unternehmen auf ihre Partner angewiesen sind. Auch den Armedangels fiel der Erfolg nicht in den Schoß: „Wir haben anfangs viele Rückschläge kassiert, weil die meisten Modehändler mit unserem Label nichts anfangen konnten“, sagt Gründer Jurina. „Bei vielen Händlern mussten wir zwei oder drei Saisons ackern, bis die uns ins Sortiment genommen haben.“

Franz Duge, Michael Bruck

Und das Ackern verschlang mehr Geld als gedacht. Geld für Produktmuster, Messestände, Fahrten zu den Händlern. An ihrem Konzept gezweifelt haben Jurina und Höfeler dennoch nicht, sondern aus den Rückschlägen gelernt: „Je früher man erkennt, wie wichtig es ist, Projekte realistisch zu planen, desto weniger Ressourcen verschwendet man“, sagt Jurina.

Heute lässt sich der Erfolg an Landkarten in Jurinas Büro ablesen: Deutschland, die Schweiz und Österreich sind übersäht mit Fähnchen. In über 150 Städten liegt die Ökomode jetzt im Laden – und nach jeder Dorflandtour werden es mehr.

Aber nicht nur langsames, auch schnelles Wachstum ist eine Herausforderung, wie das Beispiel Chocri beweist. Das Berliner Startup stellt Schokotafeln nach Kundenwunsch her und wurde 2009 zum Sieger des Gründerwettbewerbs gekürt.

Kunden als Erfinder

Die Gründer Franz Duge und Michael Bruck beschäftigen bereits 35 Mitarbeiter, die rund um die Uhr Schokotafeln herstellen. „Dieses rasante Wachstum haben wir nicht erwartet“, sagt Duge.

Wenn sich die Strukturen im Wochentakt ändern, wächst aber auch die Gefahr, den Überblick zu verlieren. „Inzwischen kenne ich nicht mehr alle Mitarbeiter persönlich“, räumt Duge ein. Das Problem haben die beiden Gründer erkannt: Regelmäßig gibt es kleine Feiern, alle duzen einander weiterhin, und auf der Homepage kann sich jeder Mitarbeiter mit Foto vorstellen. Die wichtigste Erkenntnis: „Wir haben gelernt, Verantwortung an Mitarbeiter abzugeben“, sagt Duge.

Die Gründer kümmern sich zum Beispiel nicht mehr selbst um ihren Facebook-Auftritt, den Twitter-Kanal und das Firmenblog. Dabei spielen die sozialen Netzwerke eine zentrale Rolle für den Chocri-Erfolg: Von Anfang an bezogen die Gründer potenzielle Kunden und Freunde in Entscheidungen mit ein und ließen sie über Zutaten, Preise und Werbeslogans abstimmen.

„Open Innovation“ nennen Experten diese Methode. Gründer kommen so an gute Ideen und können den Kunden genau jene Produkte anbieten, die sie haben wollen.

Von dem Erfolg ihres Startups profitieren nicht nur die Gründer Duge und Bruck. Ähnlich wie die Armedangels setzt Chocri auf fair gehandelte und biologisch hergestellte Produkte. Außerdem finanziert es ein Waisenhaus in Afrika. Die neue Gründergeneration schafft eben nicht nur Jobs und Innovationen – viele verstehen sich auch als „soziale Unternehmer“.

Soziales Engagement lohnt

Sogar als „fairer als Fairtrade“ bezeichnet das Berliner Unternehmen Moema Espresso Republic sein Geschäftsmodell. Es importiert Gourmet-Kaffee aus Brasilien.

Die brasilianischen Bauern ernten den Kaffee aber nicht nur, sondern rösten ihn auch. Effekt: Pro Kilo bekommen sie 1,20 Euro mehr als für gewöhnlichen Fairtrade-Kaffee. Trotzdem soll der Kaffee die Endkunden nicht mehr kosten, da Zwischenhändler umgangen werden.

Friedrich von Ploetz, Tobias Wittmann Quelle: Hans Scherhaufer für WirtschaftsWoche

Erfunden haben das ungewöhnliche Geschäftsmodell Ozan Taner, Wolfgang Rüth und Niels Frandsen. Taner berichtete vor fünf Jahren im ersten Gründertagebuch darüber. Zwar peilt Moema im Jahr 2011 eine Dreiviertelmillion Euro Umsatz an, wollte diese Marke aber schon vor einigen Jahren knacken.

„Auf der Kostenseite haben wir eine Punktlandung geschafft, aber auf der Vertriebsseite lagen wir manchmal daneben“, bringt es Taner auf eine einfache Formel.

Also baute Taner den Vertrieb aus und warb den Vertriebschef eines großen Kaffeeherstellers ab. Heute bietet Moema Gastronomen Systemlösungen und eine Kaffee-Flatrate für 29 Euro im Monat. Rund 10 feste und 15 freie Mitarbeiter sind inzwischen an Bord – und seit 2008 arbeitet mit Wolfgang Rüth auch der zweite der drei Gründer Vollzeit für Moema.

Jahresproduktion bereits verkauft

Denn bei der Gründung kündigte zunächst nur Taner seinen Job, um das Startup aufzubauen. Seine Mitgründer verdienten weiter Geld und unterstützen ihn. Auch wenn Moema inzwischen Gehälter zahlt, teilen die Gründer ihre Einkommen fair untereinander auf. „Jeder muss seine Einnahmen und Ausgaben offenlegen“, sagt Taner, „das schweißt zusammen.“ Manche Gründerteams zerbrechen aber auch, wenn sich ein Unternehmen weiterentwickelt. So geschehen bei Suncoal Industries, das im Jahr 2008 den WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb gewann.

Suncoal verwandelt Biomasse in Kohle, die als Energieträger genutzt werden kann. Das Verfahren ist sehr energieeffizient, reduziert den Ausstoß von CO2 und ist inzwischen patentiert. Das Patent war ein wichtiger Meilenstein: In Kürze beginnt Suncoal vor den Toren Berlins mit dem Bau einer Anlage, die jährlich 20 000 Tonnen Biokohle herstellen kann. Die komplette Jahresproduktion ist bereits verkauft, weitere Projekte sind „in der Pipeline“. Aktuell beschäftigt das Unternehmen 20 Mitarbeiter und hat bereits größere Räume bezogen.

Von den vier Gründern sind allerdings nur noch zwei an Bord: Friedrich v. Ploetz und Tobias Wittmann. „Der Gesellschafterkreis hat erkannt, dass sich das Unternehmen nicht mit vier Geschäftsführern führen lässt, die ähnliche Qualifikationen mitbringen“, sagt v. Ploetz. „Aber wir haben es weitgehend geschafft, uns in Freundschaft zu trennen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%