Frühstudium Studieren neben dem Abitur: So können Schüler ins Uni-Leben schnuppern

Auch Schüler können unter bestimmten Voraussetzungen ein Studium aufnehmen. Quelle: dpa

Beim Juniorstudium können schon Schüler ein Fach an der Uni ausprobieren und Punkte für den späteren Abschluss sammeln. Für wen solche Studienangebote sinnvoll sind und was Jugendliche sowie Eltern beachten müssen.

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Ausbildung oder doch lieber Studium? Und wenn studieren, was? Viele Abiturienten stolpern völlig unvorbereitet in diese wichtige Entscheidung. Entsprechend hoch sind laut Statistischem Bundesamt die Quoten junger Menschen, die ihr Erststudium abbrechen (25 Prozent) oder ihre Fachrichtung wechseln (15 Prozent).

Ein Juniorstudium kann da frühzeitig bei der Orientierung helfen – und sogar die Zeit auf der Universität verkürzen.

Das Juniorstudium – auch Schülerstudium oder Frühstudium genannt – richtet sich insbesondere an begabte Schüler der Oberstufe. Es gibt einen Vorgeschmack auf das Studium. Schüler registrieren sich verbindlich und dürfen dann an regulären Lehrveranstaltungen teilnehmen. Damit das flexibel neben der Schule funktioniert, werden Vorlesungen oder Seminare für die jungen Besucher aufgezeichnet und über Onlineplattformen, beispielsweise Stud.IP, zum Abruf bereitgestellt. Das Juniorstudium ist kostenfrei, es wird kein Semesterbeitrag erhoben.

Diese Unis bieten das Juniorstudium an

Ob eine Hochschule ein Juniorstudium anbieten darf, ist im Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes festgeschrieben. Im Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) finden sich aktuell 60 Einrichtungen, die ein Juniorstudium anbieten. Alphabetisch sortiert reicht das Angebot von der RWTH Aachen bis zur Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Mit dabei sind auch die Universität Hamburg, die Technische Universität Berlin und die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Auf eine lange Tradition blickt das Juniorstudium an der Universität Rostock zurück. Seit 2008 wird dort Minderjährigen die Möglichkeit geboten, online an Vorlesungen teilzunehmen. Im vergangenen Wintersemester nutzen über 500 Schüler diese Angebot, wie Paul Winkel berichtet. Der Student kümmert sich um die Organisation des Programms. Er und seine Kollegen verzeichnen seit der Coronapandemie eine stark gestiegene Nachfrage. Im Sommersemester 2018 lag die Teilnehmerzahl noch bei etwas über 200. Winkel führt das auf eine allgemein gesteigerte Akzeptanz von Onlinebildungsangeboten zurück. Die Uni werbe aber seit Ausbruch der Pandemie auch stärker auf Instagram für das Programm.

„Wir sehen ein Juniorstudium als riesige Chance, sich in der Fächervielfalt einer Universität zurechtzufinden und ein Studium für sich auszuprobieren“, erklärt Winkel. Er empfiehlt das Angebot aber auch Schülern, die sich bereits für eine Fachrichtung entschieden haben. Denn die Vorlesungen und Aufgaben vermitteln laut Winkel einen Eindruck vom universitären Alltag: „Damit schließen wir eine wichtige Lücke im Übergang von der Schule an die Universität.“

Paul Winkel Quelle: Presse

Insbesondere Volluniversitäten bieten Juniorstudierenden ein reichhaltiges Angebot. „Im MINT-Bereich sind wir breit aufgestellt und verzeichnen jedes Jahr hohe Teilnehmendenzahlen“, berichtet Winkel. Neben Pädagogik sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sind in Rostock besonders Veranstaltungen im Bereich Medizin gefragt. Hier ist die Universität nach eigenen Angaben mit ihrem Onlineangebot für Schüler bundesweit einmalig. 

Das Frühstudium richtet sich in erster Linie an ältere Jugendliche ab der zehnten Klasse. Bei besonders begabten Schülern, die unterfordert sind oder schlicht neue Herausforderungen suchen, ist in Rostock aber auch eine frühere Teilnahme möglich. Hier entscheidet laut Winkel die individuelle Absprache mit dem Schüler, den Eltern und den Lehrern. „Dabei ist uns wichtig, dass der Schüler selbstständig arbeitet und im privaten Umfeld bei Bedarf Unterstützung erhalten kann“, betont Winkel. Eine pädagogische Einzelbetreuung könne die Uni nicht bieten. Ebenso gehe es bei dem Programm nicht darum, Jugendliche bei der Berufsorientierung zu begleiten. 

Punkte werden für späteres Studium angerechnet

Die Schülerstudenten sind aber nicht völlig auf sich selbst gestellt. Sie werden wie reguläre Studierende von den Hochschulen betreut. Das geschieht entweder durch die Dozenten oder durch spezielle Tutoren. In Rostock kümmern sich Studierende, die die jeweilige Veranstaltung selbst besucht haben, um den Nachwuchs. „Sie stehen dazu über unsere Lernplattform mit den Schülerinnen und Schülern in Verbindung, stellen und korrigieren die Aufgaben und Tests und geben persönliches Feedback“, erklärt Winkel. Auf diese Weise könnten die Tutoren die jungen Schützlinge noch einmal gezielt auf das selbstständige Arbeiten an einer Hochschule vorbereiten und aus erster Hand Tipps geben.

Doch das Juniorstudium ist nicht nur zum Ausprobieren da. Die Schüler legen auch Prüfungen ab und sammeln auf diese Weise Punkte, die bei einem späteren Studium angerechnet werden können. Garantiert klappt das, wenn der Schüler sein Studium an derselben Hochschule fortsetzt. „Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass auch andere Universitäten die Bescheinigungen unseres Juniorstudiums anerkennen“, berichtet Koordinator Winkel. Probleme mit der bundesweiten Anerkennung gab es allerdings mit dem Zertifikat für das frühe Medizinstudium in der Hansestadt. Die zentrale Vergabestelle Hochschulstart.de erkennt es derzeit nicht an.

Beim Juniorstudium in Rostock stehen auch zwei Präsenzveranstaltungen auf dem Programm. Die Schüler können so vor Ort Hörsaal oder Labor in Augenschein nehmen, den Campus erkunden und nicht zuletzt ihre Kommilitonen persönlich kennenlernen. Diese Besuche sind fester Bestandteil des Frühstudiums in Rostock. Teilnehmer, die nicht anreisen können, dürfen sich von ihrem Tutor eine Ersatzaufgabe geben lassen.

Wer Glück hat, bekommt ein Juniorstudium direkt von einem Lehrer des Vertrauens angeboten. Viele Universitäten kooperieren hierbei mit Schulen – auch, um begehrte Studierende von morgen für sich zu gewinnen. Allerdings hat Winkel festgestellt: „Frühstudienprogramme sind noch nicht flächendeckend bekannt.“ Umso wichtiger sei es, auch Lehrkräfte stärker auf diese Angebote aufmerksam zu machen. 

Einige Hochschulen verlangen dezidiert eine Bestätigung, dass ein Schüler hochbegabt ist und prüfen dies nach, beispielsweise anhand von Zeugnissen oder im persönlichen Gespräch. „Vielleicht ist es ein besserer Weg, zunächst die Schulnoten zu verbessern und sich dann für ein Juniorstudium zu bewerben“, heißt es beispielsweise bei der Universität Hamburg. Die Uni Rostock betont hingegen: „Es findet kein Auswahlverfahren statt.“ Heißt: Jeder Schüler, bei dem Lehrer und Eltern ein Juniorstudium befürworten, darf in der Hansestadt ins Unileben schnuppern.

Bewerbung für das Juniorstudium

Durch das Onlineformat sind die jungen Studierenden frei, was die Wahl der Hochschule angeht. Hier können neben den angebotenen Fachrichtungen auch andere Faktoren den Ausschlag geben. Einige Universitäten wickeln die Anmeldung für das Frühstudium über zentrale Onlineportale ab und erlauben den Start nur im Wintersemester. Bei anderen Bildungseinrichtungen läuft der Antrag formlos ab und ein Einstieg ist auch im Sommer möglich.

In Rostock geben die Schüler gleich bei der Anmeldung ihre Wunschveranstaltungen an. Die Universität erlaubt es Juniorstudierenden, nach Absprache mehrere Veranstaltungen gleichzeitig zu besuchen. Bei anderen Hochschulen wie der Universität Hamburg sollen sich Schüler hingegen auf einen Studiengang beschränken.

Grundsätzlich mahnen Experten: Schüler und Eltern sollten nicht unterschätzen, wie viel Zeit ein Juniorstudium in Anspruch nimmt – gerade mit Blick auf die Vorbereitungen zum Abitur. Interessenten sollten mit mindestens drei bis fünf Wochenstunden für eine Veranstaltung rechnen. Die LMU empfiehlt ihren jungen Besuchern, maximal acht Wochenstunden für das Studium auf Probe zu reservieren.

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„Wichtig ist dabei, immer behutsam mit Blick auf das Kind vorzugehen, um Überforderung und Fehlentwicklungen zu vermeiden beziehungsweise früh zu erkennen“, warnt ein Sprecher der HRK. Bleibt am Ende doch zu wenig Zeit für Schule und Privates, können die Teilnehmer ein Juniorstudium auch abbrechen und gegebenenfalls verschieben. 

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