Mitarbeitergespräche „Ein typischer Fehler ist, kein differenziertes Feedback einzufordern“

Nehmen Sie sich Zeit für das Mitarbeitergespräch Quelle: Getty Images

Sind Mitarbeitergespräche gut gemacht, steigern sie nicht nur die Motivation der Mitarbeiter, sondern auch die Erträge des Unternehmens. Wie das Jahresgespräch gelingt.

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Den Termin für ein Gespräch unter vier Augen ansetzen, vielleicht ein kurzer Plausch zum Einstieg, gemeinsam den standardisierten Fragebogen ausfüllen, fertig. So oder so ähnlich laufen in vielen deutschen Firmen die Mitarbeitergespräche ab. Sie gelten vielen eher als notwendiges Übel statt als wertvolles Instrument zur Mitarbeiterführung. Doch das ist ein Fehler.

Für Psychologe Rüdiger Hossiep ist dieser regelmäßige Austausch ein entscheidender Erfolgsfaktor für gute Führung. Er meint: „Das Mitarbeitergespräch ist der Schlüssel zu allem.“ Trotzdem sitzen dieser Tage wieder viele Beschäftigte in Jahresgesprächen, die sich ziemlich überflüssig anfühlen. Was also läuft falsch – und wie geht es besser? 

Laut Hossiep können Mitarbeitergespräche über Wohl und Wehe von Unternehmen entscheiden. Sie können Leistung, Motivation und Zusammenarbeit fördern. Sind sie schlecht gemacht, führen sie zum Gegenteil: „Simulierte Gefolgschaft, Quiet Quitting, Sabotage und Demotivation“ könnten dann laut Hossiep die schädlichen Konsequenzen sein. Um dies zu verhindern, ist laut dem Wirtschafts- und Personalpsychologen der Ruhr-Universität Bochum vor allem die Einstellung des Vorgesetzten wichtig. „Auch für die Führungskraft ist es elementar, aus jedem Mitarbeitergespräch zu lernen“, unterstreicht Hossiep.

Das zu erkennen, ist für Führungskräfte nicht einfach. Viele gehen davon aus, dass sie ohnehin tagtäglich mit ihren Mitarbeitern im Austausch sind. Doch das reicht nicht, mahnt Dirk Sliwka, Professor für Personalwirtschaftslehre an der Universität zu Köln. „Es gibt immer wieder Themen, die im Alltag untergehen“, sagt er. Das betreffe insbesondere langfristigere Aufgaben und Pläne. Aber auch für Feedback sei in der Hektik des Alltags häufig keine Zeit. Das könne demotivieren.

Bloß nicht zur Farce verkommen lassen

Von dem Mitarbeitergespräch als alljährlichem Brauch kurz vor Weihnachten hält Hossiep wenig. Insbesondere dann, wenn es zur „lästigen Pflichtübung zu Dokumentationszwecken“ verkomme. „Wer meint, das mit der linken Hand machen zu können, liegt falsch“, sagt er. Mitarbeiter würden mangelndes Engagement sofort bemerken. „Das macht viel kaputt“, warnt der Wirtschaftspsychologe. Denn dann gerate das Gespräch schnell zur Farce.

„Es ist besser, als keine Gespräche zu führen, aber es gibt wahrscheinlich bessere Zeitpunkte“, urteilt auch Sliwka über das Jahresendgespräch. Sein Rat: Das Treffen sollte lieber in Monate gelegt werden, in denen weniger Trubel herrsche. Wie oft und wie lang man sich zusammensetzt, hängt laut den Experten auch davon ab, wie eng Führungskraft und Beschäftigter thematisch und räumlich zusammenarbeiten. „Lediglich eine halbe Stunde anzusetzen, greift zu kurz“, findet Hossiep. Er versichert: „Die investierte Zeit zahlt sich aus.“

Damit das Mitarbeitergespräch aber nicht thematisch ausartet, kann es sich anbieten, das Format inhaltlich zu entzerren. Hossiep schlägt in seinem Ratgeber „Mitarbeitergespräche – motivierend, wirksam, nachhaltig“ vor, beispielsweise pro Quartal ein Treffen mit wechselnden Schwerpunkten anzusetzen. Diese könnten sein: 

1.    Ziele für den Mitarbeiter in diesem Jahr definieren,
2.    Leistung des Vorgesetzten beurteilen,
3.    Leistung des Mitarbeiters beurteilen,
4.    Entwicklungsmöglichkeiten diskutieren.

Tipps für das Mitarbeitergespräch

Laut Hossiep sollten Mitarbeitergespräche nie überfallartig zwischen Tür und Angel geführt werden, nach dem Motto: „Haben Sie mal kurz Zeit?“ Mindestens ein bis zwei Wochen Vorlauf hält er für nötig. Vorgesetzte sollten sich aber lange vorher auf das Treffen vorbereiten. Sie sollten die individuellen Stärken und Schwächen des Mitarbeiters laufend beobachten und adressieren, um im Mitarbeitergespräch schließlich eine Zwischenbilanz ziehen zu können. 

Vier Tipps fürs Zuhören

Ein klares Format für das Mitarbeitergespräch kann laut Sliwka so aussehen: Rückblick, Ausblick und Entwicklungsperspektiven. Abschließend sollte der Vorgesetzte um Feedback zum eigenen Führungsstil bitten und die Stimmungslage im Team ergründen. 

„Was sollte ich tun oder lassen, damit Sie Ihre Leistung hier noch besser einbringen können?“, kann laut Hossiep eine offene Frage zum eigenen Führungsstil lauten. Wichtig sei dabei, entstehende Pausen auszuhalten, nachzufragen und immer wieder mögliche Missverständnisse zu klären. Manchmal gebe es in der Arbeitsbeziehung schlicht unterschiedliche Auffassungen darüber, wer für was zuständig sei. Außerdem könnten Führungskräfte nur begrenzt für die Zufriedenheit der Mitarbeiter verantwortlich sein. Bei all dem helfe ein klärendes Gespräch. „Bisweilen fällt es den Gesprächspartnern wie Schuppen von den Augen und man kann anschließend viel konstruktiver und erfolgreicher zusammenarbeiten“, sagt der Psychologe. 

Vom Stil her sollte das Gespräch laut Hossiep möglichst nahbar, vertrauensvoll und natürlich verlaufen. Er hält deswegen nichts von vermeintlichen Gesprächstechniken. Solche eingeübte Rhetorik unterminiere den aufrichtigen Austausch, warnt er. „Seien Sie offen und hören zu. Reden Sie weniger selbst“, empfiehlt Hossiep. „Zeigen Sie ehrliches Interesse an der Person. Sprechen Sie ausführlich über Stärken.“

Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitnehmer

All das setzt jedoch ein gutes Betriebsklima voraus. „Wenn das Verhältnis nicht von Vertrauen geprägt ist, wird auch kaum etwas beim Mitarbeitergespräch herauskommen“, sagt Hossiep. Der Experte nimmt hier auch Beschäftigte in die Pflicht, damit das Mitarbeitergespräch produktiv wird – oder überhaupt stattfindet. Wer sich für sein Unternehmen und seine Führungskraft interessiere, müsse Mitarbeitergespräche geradezu einfordern, verlangt er. Häufig würden sich Beschäftigte allerdings kaum auf das Treffen vorbereiten und abwarten, was auf sie zukomme.

Kritisch nachfragen im Mitarbeitergespräch

„Ein typischer Fehler von Beschäftigten ist, kein differenziertes Feedback einzufordern“, moniert Sliwka. Das sei aber wichtig, denn im Alltag würden negative Dinge häufig nicht angesprochen. „Das ist erst einmal für beide Seiten bequem. Aber so verpasst man als Beschäftigter auch Feedback darüber, wo man sich verbessern kann“. Das Mitarbeitergespräch sei deshalb der richtige Zeitpunkt, um noch mal kritisch nachzuhaken: War wirklich alles gut? Wo kann ich besser werden?

Ein Fehler, der laut Sliwka immer wieder vorkommt, ist, dass Führungskräfte mit der Planung von Mitarbeitergesprächen komplett allein zu gelassen werden. Manchmal gehe das im Alltag schlicht unter.

Eine simple Hilfestellung kann da schon viel bewirken. Sliwka und Kollegen haben in einem Feldversuch Führungskräften eine regelmäßige Erinnerungsmail geschickt. Allein das habe in dieser Gruppe zu mehr Mitarbeitergesprächen und dadurch zu höherer Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten geführt. Mehr noch: „In dieser Gruppe wurden auch mehr Weiterbildungen gebucht“, stellten die Forscher fest.

Ein Mitarbeitergespräch sollte laut den beiden Experten in der Regel vom direkten Vorgesetzten geführt werden. Aber: „Es gibt Studien, die zeigen, dass auch Mitarbeitergespräche mit Kollegen auf der gleichen Ebene hilfreich sein können“, berichtet Sliwka. Bei einem Versuch in den USA habe ein Lehrer den Unterricht eines Kollegen beobachtet und anschließend Feedback gegeben. „Das Ergebnis: Beide Gruppen – die Beobachteten und die Beobachter – haben danach ihre Unterrichtsqualität gesteigert.“

Damit das Mitarbeitergespräch nachhaltig positiv wirkt, müssen Vereinbarungen aber auch umgesetzt werden, mahnt Hossiep: „Wenn man als Führungskraft ankündigt 'Ich mache dich darauf aufmerksam, wenn mir das wieder auffällt' und es dann nicht tut, macht man einen gravierenden Führungsfehler.“

Mit Gesprächen Erträge steigern

Jede Ebene im Unternehmen sollte sich dafür einsetzen, dass Mitarbeitergespräche ernst genommen werden. Denn das kann sich nicht nur indirekt über die Mitarbeitermotivation auf den Unternehmenserfolg auswirken, sondern auch direkt in steigenden Erträgen, wie Sliwka herausfand. Er hat mit Kollegen in 50 zufällig ausgewählten Filialen einer Supermarktkette regelmäßige Mitarbeitergespräche eingeführt.

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Ziel des Treffens war: Was kann der Marktleiter tun, um Profite zu erhöhen? „Das Ergebnis war, dass die Gewinne dieser Märkte im Vergleich zur Kontrollgruppe um mehr als sieben Prozent gestiegen sind“, berichtet Sliwka. Weit weniger erfolgreich sei hingegen der Ansatz in einer anderen Gruppe gewesen, mit Bonuszahlungen profitable Ideen zu suchen. „Reden hat hier also klar mehr gebracht als – sehr viel teurere – monetäre Anreize.“

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 22. November 2023 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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