Ralph Wollburg Der Anwalt der Wirtschaftsbosse

Der selbstbewusste Düsseldorfer Anwalt Ralph Wollburg ist einer der gefragtesten Ratgeber für deutsche Vorstände – nicht nur in Übernahmeschlachten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Deutschlands heimliche Herrscher
Ralph Wollburg Quelle: Picture-Alliance/dpa
Ann-Kristin Achleitner Quelle: dpa
Henning Kagermann Quelle: dpa
Michael Vassiliadis Quelle: AP
Michael Hoffmann-Becking Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche
Gerhard Cromme Quelle: dpa
Manfred Schneider Quelle: Picture-Alliance/dpa

An den Wänden glänzt das Gold, die hohen Decken zieren Stuck und Malereien, die Treppen Marmor, die Türen sind schwer und mit Schnitzereien besetzt. Die Büros der Kanzlei Linklaters an der Düsseldorfer Königsallee stellen ordentlich was dar, und in dieser Umgebung fühlt Ralph Wollburg sich sichtbar wohl. Mit leuchtenden Augen führt der Anwalt durch die Gemächer.

Die Tour geht durch ein zum Konferenzraum umfunktioniertes Musikzimmer, durch das Atrium, über das sich eine Glaskuppel wölbt.

Mit schnarrender Stimme erzählt der 55-Jährige die Geschichte des Prachtbaus an Düsseldorfs Prachtmeile. Das um 1900 errichtete Gebäude habe zuerst einer Industriellenfamilie als Heimstatt gedient, danach Thyssen, später Mannesmann und schließlich der Deutschen Bank gehört. Wollburg schert sich nicht um rote Besetzt-Zeichen vor den Besprechungszimmern.

Er öffnet die Türen und zeigt die Räume, in denen einst die früheren Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Friedrich Wilhelm Christians und Alfred Herrhausen ihre Büros hatten. Und den Saal, in dem der noch amtierende Chef Josef Ackermann und sein Team während des Strafprozesses um Abfindungszahlungen nach der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone 2005 ihre Besprechungen abhielten.

Im Spiel, wenn es hart auf hart kommt

Zwischen großen Namen, ganz nah dran an Finanzwelt und Unternehmen, dabei durchaus etwas dick aufgetragen – die Umgebung passt perfekt zu Wollburgs Wesen und Wirken.

„Große deutsche Unternehmen zu vertreten ist für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt er. Er bewundert sie, egal, ob börsennotiert oder familiengeführt, denn sie stehen für ihn für Internationalität, Wettbewerbsfähigkeit, attraktive Produkte und die Sicherung des Lebensstandards in Deutschland.

Sie sind Wollburg seinen vollen Einsatz wert. Und weil er stets gewillt ist, diesen zu erbringen, ist er weit mehr als eine Vertragsausarbeitungsfachkraft, ein auf Übernahmen spezialisierter Jurist. Gesetze und Verträge sind für Wollburg schon lange nur noch der Resonanzboden seines eigentlichen Wirkens als Ratgeber in strategischen Fragen, Vertrauensperson und Sparringspartner für Vorstände und Chefjustiziare der deutschen Wirtschaft.

Wollburg kommt dann ins Spiel, wenn es um existenzielle Entscheidungen geht, um Fusionen, Übernahmen, gesellschaftsrechtliche Umwandlungen, wenn es hart auf hart kommt und für Manager auf der obersten Etage alles auf dem Spiel steht. „Ich stehe im laufenden Dialog über wichtige Fragen mit Vorständen und Chefjustiziaren, aber der Begriff Strippenzieher ist übertrieben“, sagt er. „Sicher habe ich Einfluss, aber letztlich bleibe ich Berater.“

Nicht das Ob, sondern das Wie

Rechtsanwalt Wollburg Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Die Aussage ist kein Signal für Bescheidenheit. Wollburg ist es wichtig, wichtig zu sein. Er sieht sich selbst als den führenden deutschen Wirtschaftsanwalt. Mehrmals erwähnt er, wo und an wem er wie nah dran ist, und schnell fallen im Gespräch die Namen der Dax-Konzerne, die er nach eigenen Angaben berät. Auch wenn er im Hintergrund bleibt, verlangt er von weniger wichtigen Wesen Respekt.

Als er einmal am Düsseldorfer Flughafen mit der Zollkontrolle aneinandergerät, fährt er den Beamten an, ob der wohl wisse, wen er da vor sich habe.

Ganz oben mitreden, gestalten, prägen, das hat Wollburg immer gewollt. Es ging für ihn nie um das Ob, sondern bloß um das Wie der großen Karriere. Die Welt der Wirtschaftsführer hatte ihn früh fasziniert, sein Vater war stellvertretender Vorstandsvorsitzender von MAN. „Wollburg hat den Stallgeruch, um sich sicher in diesen Kreisen zu bewegen“, sagt ein früherer Mitarbeiter.

Der Anwalt selbst sieht seine Herkunft als Vorteil, aber nicht als Voraussetzung seiner Laufbahn. Jeder könne ein Gespür dafür entwickeln, wie die Spitzen der Gesellschaft ticken, meint er.

Wollburg rast durch Studium und Promotion und fängt dann, ausgestattet mit den passenden Examensnoten, bei einer Vorgängerkanzlei der heutigen Branchengröße Freshfields an. Schon mit 30 wird er Partner, er brennt, will etwas bewegen, auf Augenhöhe mit den Machern agieren.

Maximaler Einsatz und harte Bandagen

Der allmähliche Aufstieg auf der ausgetretenen Pöstchenleiter ist nichts für ihn. „Die Struktur eines großen Konzerns wäre für mich nicht geeignet gewesen“, sagt er.

Sein Durchbruch kommt 1992, als Krupp den Stahl- und Bergbaukonzern Hoesch feindlich übernimmt. Von einem erfahrenen Partner bekommt Wollburg die Verantwortung für die Abwehr der Übernahme übertragen. Die Selbstständigkeit erhalten kann er nicht mehr, aber mit maximalem Einsatz und harten Bandagen holt er raus, was rauszuholen ist. So bleibt etwa der Name vorerst erhalten.

Vor allem beeindruckt der Anwalt einen durchaus kritischen Top-Manager. An der Spitze von Hoesch steht der noch heute für seine ruppige Art bekannte Kajo Neukirchen, mit dem sich Wollburg prima versteht und der ihn in der Folge immer wieder beauftragt.

Andere folgen. Schnell schafft es Wollburg in die allererste Reihe der Rechtsberater deutscher Konzerne. „Entscheidend sind erstklassige juristische Kompetenz; Kreativität und ein hervorragendes Team“, sagt er. „Wenn die Mandanten merken, dass man mit Herzblut und Engagement dabei ist, verbreitet sich der Ruf, und es baut sich Vertrauen auf.“

So gut wie nie vor Gericht

An der Seite der Macht: Im Mannesmann-Prozess steht Wollburg dem angeklagten Ex-Chef Klaus Esser (links) bei Quelle: dpa

In den großen Übernahmekämpfen steht Wollburg nicht immer auf der Gewinnerseite. Beim letztlich erfolgreichen Kauf von Mannesmann durch Vodafone vertritt er das Düsseldorfer Unternehmen. Dennoch erarbeitet er sich den Ruf, gerade als Abwehrspezialist stets das Beste zu erreichen. Viele Konzerne haben ihn präventiv damit beauftragt, Verteidigungsstrategien zu entwickeln.

Im Mannesmann-Fall optimieren auch die übernommenen Manager um den Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser ihre Abfindungen. Im anschließenden Strafprozess berät Wollburg zu gesellschaftsrechtlichen Fragen und tritt selbst als Zeuge auf. Vor Gericht ist er sonst so gut wie nie zu sehen.

Einen besonders engen Draht hat Wollburg zum Multiaufsichtsrat Gerhard Cromme, mit dem er 1999 die Fusion der Stahlriesen Thyssen und Krupp ausbaldowert und den er mit Gutachten für kritische Fragen auf Hauptversammlungen wappnet. Zudem begleitet er mit Fresenius Medical Care einen der übernahmeaktivsten deutschen Konzerne auf seiner jahrelangen Einkaufstour.

Triumph und Scheitern

Der letzte spektakuläre Deal ist die am Ende gescheiterte Fusion von Deutscher Börse und New York Stock Exchange. Wollburg tritt hier auf den Plan, als die grundsätzliche Entscheidung zum Zusammengehen gefallen ist, und übernimmt, wie er selbst meint, den anspruchsvollsten Teil: die Ausarbeitung der Führungsstruktur des neuen Konstrukts, die Aufgabenteilung zwischen Amerika und Deutschland.

Ergebnis ist eine komplexe Doppellösung, die Wollburg, wenig überraschend, für ausgesprochen geglückt hält.

Das Verfahren geht voran, ein feindlicher Übernahmeversuch der US-Börse Nasdaq scheitert, 40 von 42 als kritisch definierten Eckpunkten sind abgearbeitet. Doch dann scheitert die Fusion an der fehlenden Genehmigung der europäischen Kartellbehörde.

Natürlich sei es „in hohem Maße frustrierend“, wenn die Arbeit von 15 Monaten, zahllose Flugreisen und Besprechungen, durchgearbeitete Nächte letztlich umsonst waren, meint Wollburg. Da sei auch er erst mal niedergeschlagen.

Auf der anderen Seite stehen Triumphe. Zu denen zählt Wollburg etwa sein Engagement beim Kosmetikkonzern Beiersdorf im Jahr 2003. Der bisherige Großaktionär Allianz will seine Beteiligung von rund 40 Prozent verkaufen, der US-Konsumgüterriese Procter & Gamble hat Interesse am Nivea-Produzenten.

Ein Freund der Manager

Bulle und Bär vor der Börse Quelle: dapd

Zuletzt stellt die Allianz ein Ultimatum: Bis zum Mittag des kommenden Tages müssten die Alternativbieter um die Gebrüder Herz ein unterschriftsreifes Angebot vorlegen. Wollburg verhandelt die Nacht durch und legt den Vertrag rechtzeitig vor. So bleibt der Beiersdorf-Konzern erhalten.

Der Anwalt, daran lässt er keinen Zweifel, ist ein Freund der Manager. Trotz aller öffentlicher Kritik hält er sie für tüchtige, intelligente Leute, deren Haupttreiber nicht zuerst Eitelkeit, sondern das Wohl des Unternehmens ist. Für die Politik arbeitet er weniger, eine Ausnahme ist die verstaatlichte Hypo Real Estate, bei der er den Ausschluss der freien Aktionäre durchsetzt.

Den Volksvertretern fehle oft „konservative Integrität“, die er sich zuschreibt. Sein wichtigstes Kapital ist Vertrauen, die bedingungslose Einhaltung von Zusagen. Wenn Politiker überraschende Entscheidungen treffen, ist das durchaus zuträglich für sein Geschäft. So berät er den Versorger E.On, der wegen der Energiewende seine Strategie neu erarbeiten muss, beim Aufbau eines Gemeinschaftsunternehmens mit MPX in Brasilien.

Work-Life-Balance ist Kokolores

Wollburg lebt unbedingten Einsatz. „Mich treibt die Möglichkeit, wirtschaftliche Prozesse an herausgehobener Stelle mitzugestalten“, sagt er. „Die Arbeit hat immer Vorrang, das führt zu einem erheblichen Mangel an Zeit.“ Ein weniger befriedigender Beruf in den Niederungen der Angestelltenwelt sei für ihn keine Alternative.

So hoch die Ansprüche an sich selbst sind, so viel verlangt er von seinen Mitarbeitern. „Ich bin ein sehr anspruchsvoller Chef, Qualitätsdefizite können wir uns nicht leisten“, sagt er. Eine 60-, 70-Stunden-Woche ist selbstverständlich, ein Thema wie Work-Life-Balance für den Vater eines kleinen Sohns, der in seinen wenigen Freiminuten Golfbälle über das heimische Grundstück schlägt, Kokolores.

Angestellte haben mindestens Respekt vor ihm, frühere Mitarbeiter berichten von einer hohen Fluktuation. Wollburgs Schule sei hart, manchmal unmenschlich, aber wer sie durchstehe, habe immens viel gelernt.

Wollburg ist kein Diplomat und auch wenn er sich bemüht, sein Team zu loben, ist er nicht kollegial, er bestimmt, wann und wo Treffen stattzufinden haben, er sagt, was er denkt, ist von Natur aus autoritär. Und als Star pflegt er Privilegien und Extravaganzen, die für seine hoch bezahlten Kollegen unvorstellbar wären.

Schwarzer Tee als Begleiter

Arbeiter an einem E.On-Logo Quelle: dapd

So verzichtet er auf elektronische Kommunikation, liest keine E-Mails, nutzt keinen Blackberry, nicht einmal einen Computer. Wichtige Botschaften druckt sein Sekretariat aus. Der Chef, der vier, fünf Großprojekte parallel betreut, soll sich ohne Ablenkung auf das Wesentliche konzentrieren.

Das führt leicht zur Papierüberflutung. Deshalb wandert Wollburg in die eigentlich als Besprechungsraum vorgesehene, holzgetäfelte Bibliothek der Kanzlei aus. In den Regalen stehen staubige juristische Kommentare, auf dem Tisch liegen die E-Mail-Ausdrucke und, das immerhin doch, ein Mobiltelefon. Eine Kanne schwarzer Tee ist sein ständiger Begleiter.

Regeln und Konventionen, das weiß der Rechtsberater, sind Auslegungssache. Ohne zu zögern, steckt er sich in den eigentlich nikotinfreien Kanzleiräumen eine Marlboro an. Wenig später die nächste. Andere Privilegien lässt er sich schriftlich geben, als er 2007 von Freshfields zu Linklaters wechselt. Die Großkanzlei ist bis dahin vor allem auf das Geschäft mit Banken fokussiert, nun geht es darum, einen Fuß in die Tür der Großindustrie zu bekommen.

Wollburg besteht darauf, in Düsseldorf zu bleiben. Die Kanzlei zieht von Köln aus um, ein Teil spaltet sich als Oppenhoff und Partner ab. Für den Neuzugang reformiert sie zudem das interne Entlohnungssystem für die Partner. Das basiert auf einem Punktesystem.

Anwalt im besten Berateralter

Je nach Rang erhöht sich der Multiplikator für das Gehalt. Anders als ihre Kollegen in Großbritannien können deutsche Partner nur auf 20 statt 25 Punkte kommen. Bis Wollburg kommt.

Der Anwalt zelebriert den Starkult, so heißt es in der Kanzlei, dass er im Flugzeug immer vorne rechts sitzen muss. Andere erzählen, dass einmal sein Parkplatz in der Tiefgarage besetzt war, er darauf mitten in der Zufahrt stehen blieb und am Empfang den Schlüssel auf den Tisch knallte mit der Aufforderung, das Problem zu lösen.

Mitunter heißt es, dass Wollburgs große Zeit zu Ende gehe. Er selbst hat noch viel vor, sieht sich im besten Berateralter und verweist auf Kollegen, die deutlich älter sind. Selbst Konkurrenten räumen ein, dass Linklaters mit ihm einen Sprung nach vorn gemacht hat. Er selbst würde sich sicher eine gute Transaktion nennen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%