Carsten Maschmeyer: zielstrebiger Unternehmer, der weiß wo es lang geht, und von dessen Wissen wir alle profitieren können. Das zumindest will er uns mit seiner Biographie „Self Made. erfolg reich leben“ glauben machen. Das Buch hat den Zweck, den Unternehmer Maschmeyer als Vorbild für einen jeden einzelnen von uns zu inszenieren. Das ist, dreist und auch völlig unglaubwürdig. Denn der Erfolg Maschmeyers gründet in erster Linie Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Kunden, und den richtigen Bekanntschaften. Auch wenn er sich nun dezenter kleidet, und versucht, den smarten Unternehmer zu geben, bleibt Maschmeyer ein Unikat. Er spielt nach den Regeln der Stars und Starlets, und seine bisherige Strategie der Selbstinszenierung war es, sich durch Auftritte mit Veronika Ferres in Szene zu setzen. Jetzt das unternehmerische Vorbild geben zu wollen muss scheitern.
Inszenierung gehört zur Unternehmensführung dazu
Botschaften werden in der heutigen Zeit im Wesentlichen über Bilder vermittelt. Das weiß Maschmeyer genauso gut wie Politiker oder Manager. Einer Studie der PR-Agentur Burson Marsteller zufolge erhöht sich der Wert eines Unternehmens um 24 Prozent, wenn die persönliche Reputation seines obersten Managers um 10 Prozent steigt. Inszenierung gehört schon deshalb zur erfolgreichen Unternehmensführung hinzu. „Wir alle spielen Theater“, konstatiert der US-Soziologe Erving Goffman, weil die soziale Welt eben nun mal „eine Bühne ist – mit Publikum, Darstellern und Außenseitern, mit Zuschauerraum und Kulissen“.
Der sich selbst Inszenierende spielt dabei eine Rolle und idealerweise führt er in der Selbstinszenierung selbst Regie. Die Bühne sind die Medien, das Publikum Zuschauer, Leser, Aktionäre, Mitarbeiter.
Das richtige Maß finden
Doch die Inszenierung als Führungspersönlichkeit hat besondere Tücken. Gerade weil es bei ihr darum geht, für die Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Identifikation zu schaffen, ist hier die Versuchung groß, das Maß zu verlieren.
Authentisch ist die Inszenierung, wenn die Rolle mit dem Ich des Sich-Inszenierenden kongruent ist, das heißt übereinstimmt. Selbst wer in die Rolle eines Kellners schlüpft, merkt schnell, dass die Öffentlichkeit bereits konkrete Bilder davon hat, was einem Kellner entspricht und was nicht. Die Kontrolle über die Regie seiner Inszenierung behält deshalb nur, wer Ich und Rolle trennen kann. Das ist ein Balanceakt, den viele nicht beherrschen.
Authentisch oder nicht?
Allein auf gelebter Konstanz lässt sich eine gelungene, authentische Inszenierung aufbauen. Wo dagegen ruchbar wird, dass hinter der Inszenierung wenig Substanz steckt, schlägt diese gegen den Sich-Inszenierenden zurück. Es ist wie in einer Liebesbeziehung, in der ein Partner erfährt, dass der andere ihn betrogen hat. Täuschung zieht Enttäuschung nach sich, Liebe schlägt in Hass um. Auch deshalb sieht die Öffentlichkeit die Großen so gern fallen, und ergötzt sich an ihrem Niedergang
Ein starkes konstantes Ich ist also die Grundlage gelungener Inszenierung von Führungskräften. Die Inszenierung muss die Qualitäten des Selbst unterstreichen, die in der Rolle als Führungspersönlichkeit von Bedeutung sind. Nicht das Makeup ist es, das Schönheit erzeugt, sondern die Person.
So ist es z.B. bei Drogerie-Unternehmer und dm-Chef Götz Werner. Dieser macht aus seiner anthroposophischen Grundhaltung kein Geheimnis, und transportiert sein Verantwortungsgefühl für Mensch und Umwelt nach außen. Doch er trägt es nicht wie eine Monstranz vor sich her. Stattdessen ist es ihm gelungen seit Ende der 90er-Jahre Unternehmen und Philosophie zusehends miteinander zu verschmelzen. Der Slogan „Hier bin ich Mensch hier kauf ich ein“ ist der offensivste Part von Werners Selbstdarstellung. Ansonsten lässt er Taten sprechen: die Angestellten sind ihm Mitarbeiter, deren Kreativität und Mitsprache er schätzt, die einzelnen Filialen von dm entscheiden relativ autonom über Produktwahl und Arbeitszeit. Das Konzept ist erfolgreich: dm-Mitarbeiter sind zufriedener und motivierter, und die Zufriedenheit überträgt sich auf die Kunden.
Opfer der eigenen Eitelkeit
Die Kosmetik, um auf die Metapher zurückzukommen, unterstreicht also dem Grundsatz nach vorhandene Schönheit. Wo dagegen das sich heraus Putzen im Vordergrund steht, ist der Weg zu Hochstapelei und Karikatur nicht weit.
Selbstdarsteller wie Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der noch in einem Interview wenige Wochen vor der Pleite seines Konzerns im Brustton der Überzeugung erklärte: „Wir haben das Unternehmen gerettet.“, sind Opfer ihrer eigenen Eitelkeit. Sie haben nicht erkannt, dass die Grenzen der Inszenierung überschritten sind, wo eine Handlung für die Vermittlung eines Inhaltes nicht erforderlich ist, und inszenieren im Wortsinne nur noch sich selbst.
Sie suchen Selbstbewusstsein durch äußeren Zuspruch zu ersetzen, und offenbaren so ungewollt ihre Angst, Schwächen nicht aus eigener Kraft kompensieren zu können. Führungskräfte, die so sehr auf Zuspruch von außen angewiesen sind, sollte man von der Bühne jagen.