Unternehmenschefs Super-Männchen statt Alpha-Tiere

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Mitarbeiter führen ist wie Kinder erziehen

Post-Chef Appel Quelle: dpa

Frank Appel ist gern Fußnote. Der Chef der Deutschen Post ist auch einer dieser Beta-Typen. Appel hat den neuen CEOs sogar einmal einen Namen gegeben: Postheroiker. Chefs, die keine Helden mehr sein wollen. Manager ohne Monster-Ego. Auch sich selbst sieht er als Postheroiker. "Ich will gar nicht zu sehr im Rampenlicht stehen. Mein Job hat eine dienende Funktion", sagt er. Seine Aufgabe beschreibt Appel so: "Ich sehe mich nicht als der Obermanager, der alles an sich reißt und allein entscheidet. Ich versetze die Organisation und ihre Führungskräfte in die Lage, das Richtige zu tun. Das ist mein Job: coachen, anleiten, Rahmenbedingungen setzen." Mitarbeiter führen ist nach dieser Philosophie ein wenig so wie Kinder erziehen. Man setzt ihnen einen Rahmen, innerhalb dessen sie sich frei bewegen dürfen.

Deswegen, sagt Appel, sei die Bezeichnung Chief Executive Officer auch nicht mehr zutreffend. Der CEO von heute sei eher ein "Chief Enabling Officer". Ein Chef, der dafür sorgt, dass andere ihren Job erledigen können. Der an sein Team delegiert, anstatt einsam zu entscheiden. "Chief Energy Officer" ist noch so ein Begriff, den Appel verwendet. Ein Dirigent, der die Energien im Unternehmen lenkt. Ein Motivationscoach.

Als Appel Postchef wurde, fand er das Büro seines Vorgängers Klaus Zumwinkel viel zu groß, also ließ er es verkleinern, das massive Mobiliar fortschaffen und auch das Gemälde des preußischen Generalpostdirektors Heinrich von Stephan. Appel hat dann Bilder von Autos und Flugzeugen aufgehängt, die Kinder von Mitarbeitern gemalt haben. Statussymbole seien ihm egal, sagt Appel. In seiner Garage steht keine S-Klasse, er fährt eine R-Klasse. Statuswert null, aber der Mercedes-Kombi sei einfach das beste Auto für eine Familie mit Hund, sagt er.

Neue CEOs halten sich für ersetzbar

Wenn man Appel fragt, was seinen Erfolg ausmacht, dann antwortet er: "Die Auswahl der richtigen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Und zweitens Glück." Er habe unheimlich viel Glück gehabt in seinem Leben. Könnte Jürgen Großmann so reden? Der üppige Alpha-Mann, der erst als Stahlbaron mit der Georgsmarienhütte groß wurde und dann RWE fünf Jahre lang leitete, der ein Sternerestaurant in Deutschland und ein Hotel in der Schweiz sein Eigen nennt? Niemals. So redet jemand, der sich für ersetzbar hält. Jemand, dessen größte Sorge darin besteht, nicht zu erkennen, wenn etwas schiefläuft. Jemand, der sich selbst infrage stellt. Appel bereut, dass er keine Auszeit genommen hat, als seine Kinder klein waren.

Stefan Rastorfer kennt viele solche Anekdoten. Der 47-Jährige betreut für den Versicherungskonzern Allianz die Führungskräfte von morgen. Rund 200 Hoffnungsträger begleitet er auf dem Weg nach oben. Namen darf er keine nennen, aber ein paar Geschichten erzählt er. Zum Beispiel vom Topmanager, der auf die große Chance im Ausland verzichtet, weil seine Frau gerade ihren Traumposten in Deutschland angetreten hat. Ein anderer schlägt ein Angebot aus, weil die Familie wegen des Jobs schon dreimal umgezogen ist und er die Kinder nicht schon wieder aus der Schule nehmen will. Ein Dritter begründet den Verzicht auf den nächsten Karriereschritt so: Eine Scheidung sei genug, die zweite wolle er nicht riskieren. So erzählt es Rastorfer in seinem Münchner Büro am Englischen Garten. "Vor fünf Jahren hätte das keiner zugegeben. Da wurde eine Scheidung eher als Kollateralschaden verbucht." Die Generation Appel ist menschlich, und sie räumt Schwächen ein.

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