Volkswagen Financial Services Die Zukunft wird digital

VW baut seine Finanzsparte um. Organisatorisch soll sich nichts ändern, ein Stellenabbau sei nicht geplant. Wir haben vor Bekanntwerden mit Christiane Hesse, Personalchefin bei Volkswagen Financial Services, gesprochen.

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Volkswagen will mit einem Umbau seiner Finanzsparte den finanziellen Spielraum für Wachstum in strategisch wichtigen Geschäftsfeldern erhöhen. Die sind digital. Quelle: dpa

Volkswagen will mit einem Umbau seiner Finanzsparte die Kapitalreserven schonen. Am ersten November verkündete Volkswagen Financial Services AG (VWFS), die hauseigene Bank von der Volkswagen Financial Services AG zu trennen und direkt der Volkswagen AG anzugliedern. "Damit brauchen wir künftig weniger Kapital und schonen die Nettoliquidität des Konzerns", sagte ein Sprecher der Finanzsparte.

Die Volkswagen Financial Services AG (VWFS) kam Ende vergangenen Jahres auf eine Bilanzsumme von 121 Milliarden Euro und gehört damit zu den 21 größten deutschen Banken, die direkt unter der Aufsicht der EZB stehen. Auf die Volkswagen Bank entfallen nach Unternehmensangaben davon 54 Milliarden Euro - auch sie bleibt damit ein Fall für die EZB. Derzeit hat VWFS knapp 18 Millionen Verträge im Bestand, davon 6,4 Millionen Kredit- und 2,8 Millionen Leasing-Verträge. Bis 2025 sollen daraus 30 Millionen werden.

Digitale Geschäftsfelder sollen wachsen

Ohne den Umbau bräuchte sie für dieses Wachstum noch mehr Kapital. "Zudem schaffen wir finanziellen Spielraum für kapitaleffizientes Wachstum in strategisch wichtigen Geschäftsfeldern", erklärte Vorstandsmitglied Michael Reinhart. Und die sind digital, wie Lars Henner Santelmann, Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Financial Services AG, auf der Jahrespressekonferenz im März sagte. Die Strategie „ Route 2025“ gibt die Richtung vor. Man wolle der beste automobile Finanzdienstleister der Welt sein: digital, mobil und ohne die traditionell gewachsenen Strukturen.


WirtschaftsWoche: Umbau, Route 2025, neue Geschäftsfelder: Wer arbeitet heute bei Ihnen und wer soll in Zukunft bei Ihnen arbeiten?
Christiane Hesse: Wir beschäftigen in Braunschweig rund 6000 Mitarbeiter. Die Anzahl werden wir in Zukunft eher nicht erhöhen, aber die Qualifikationen der Menschen werden sich ändern.


Es gibt also keine Neueinstellungen, aber die Alten müssen umlernen?
Das ist Folge der Digitalisierung. Die Kunden werden ihre Verträge zunehmend online abschließen wollen, insofern rechnen wir in diesem Bereich mit einem Personalrückgang. Auf der anderen Seite entstehen neue Geschäftsfelder, in denen die Mitarbeiter eingesetzt werden können und müssen.

Zur Person

Klingt nach viel Arbeit.
Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass man aus einem langjährigen Mitarbeiter im Kundenservice eher keinen ausgewiesenen IT-Spezialisten macht. Aber solche Prozesse gehören zu unserer klassischen Personalentwicklung, die wir seit Jahren schon betreiben. Wer beispielsweise im Kundenservice arbeitet und eine Banklehre hat, könnte zum Beispiel ins Risikomanagement oder zum Flottenmanagement wechseln.


Wie finden Sie heraus, wer sich für welche Stelle eignet, die es vielleicht noch gar nicht gibt?
Wir sprechen einfach mit den Leuten. Wir führen Mitarbeitergespräche, tauschen uns in Personalplanungs- und Entwicklungsrunden aus und stellen den Mitarbeitern verschiedene Positionen vor, die zu ihnen passen. Sie können dann eine Prioritätenliste erstellen und wir versuchen, dem auch zu entsprechen.

Vom Vertrieb in die Revision - wie halten Sie es denn allgemein mit schrägen Lebensläufen? Sind Quereinsteiger willkommen?
Ich bin froh, wenn jemand mit krummen Lebenslauf kommt. Ich habe noch nie jemandem geglaubt, der behauptet hat, dass er schon im Kindergarten wusste, dass er mal Abteilungsleiter in der Revision werden wollte und dann seine ganze Karriere darauf ausgerichtet hat. Diese Stringenz halte ich für überbewertet. Was nicht heißt, dass solche stringenten Typen nicht gut für ein Unternehmen sein können. Aber wenn jemand nach dem Abitur gejobbt, dann Jura studiert und dann im Kundenservice gearbeitet hat, finde ich das prima. Ich würde nicht sagen: Oh, der wusste aber mit 19 noch gar nicht, wo er hinwollte.

"Frauen erbitten sich Bedenkzeit"


Flexibilität heißt also, alles einmal ausprobiert zu haben?
Ein Indikator für Erfolg ist für mich, wenn jemand auch mal auf die Nase gefallen, gescheitert ist - und wieder aufgestanden ist. Wenn der sich dann dreimal geschüttelt hat und dann bereit ist, weiter zu kämpfen, ist mir das lieber, als der glatte Lebenslauf. Unternehmen leben schließlich auch von der Vielfalt.
Ist Scheitern per se gut?
Schwierig wird es nur, wenn Bewerber das verstecken oder beschönigen wollen. Manche denken, sie müssten sich irgendeine Begründung ausdenken, um mich zufrieden zu stellen. Aber es geht mir darum, dass Menschen authentisch sind. Und dass Bewerber reflektieren, warum es mit dem Studium oder dem Job nicht geklappt hat.

von Lin Freitag, Katharina Matheis, Daniel Rettig

Ein weiterer Indikator für Erfolg ist nämlich zweifellos die Selbstreflektion. Nicht, mir eine Geschichte zu erzählen, die bei der zweiten Nachfrage in sich zusammen fällt, sondern zu wissen wer man ist und was man kann oder auch nicht, das ist die Voraussetzung, um sich stetig weiter zu entwickeln.


Apropos Weiterentwicklung: Wie halten Sie es mit der Frauenförderung?
Wir schauen uns die Studiengänge an. Wenn wir wissen, dass 50 Prozent der Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge weiblich sind, dann ist unser Ziel, auch zu 50 Prozent weibliche Wirtschaftswissenschaftler einzustellen. In der IT sind solche Zahlen natürlich nicht realisierbar. Da liegt der Anteil der Hochschulabsolventinnen bei 16 Prozent und wir sind nicht so vermessen, zu glauben, dass 17 Prozent der IT-Absolventinnen bei uns arbeiten wollen. Bei der Besetzung unserer Ausbildungsplätze achten wir darauf, dass es 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen sind.


Wie geht es dann im Berufsleben mit der Förderung weiter?
Wir führen das weiter, was wir derzeit auch schon tun: Es gibt Mentoring- und Förderprogramme für weibliche Nachwuchskräfte. Man muss sich immer fragen: Verliere ich unterwegs Frauen, weil sie eine andere Lebensplanung haben oder sich eine Führungsposition nicht zutrauen.


Die schüchternen Frauen also...
Es ist schon so, dass Männer oftmals weniger zögern und sich auch einen Schuh anziehen, der ihnen gegebenenfalls drei Nummern zu groß ist, wogegen Frauen sehr genau überlegen, ob ihnen der angebotene Schuh auch wirklich passt. So etwas sind gesellschaftlich verankerte Probleme. Bei unseren Standorten in Mexiko oder Russland gibt es das gar nicht. In Russland beispielsweise sind 70 Prozent unserer Führungspositionen mit Frauen besetzt.

Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?


Kann man dagegen als Unternehmen etwas tun?
Sie müssen mit den jeweiligen Frauen reden. Wir sagen dann: Wenn wir glauben, dass Sie die richtige sind, warum glauben Sie denn nicht an sich?
Sie können Programme aufstellen, wie Sie wollen, wenn Sie nicht im Einzelgespräch immer wieder sagen: Trau dich, geh den nächsten Schritt.


Haben Führungskräfte denn die Lust und die Zeit dazu, Frauen in höhere Positionen hinein zu quatschen?
Wir reden ganz viel mit unseren Führungskräften darüber, dass sich Männer und Frauen im Berufsleben unterschiedlich verhalten und dass sie damit umgehen müssen. Wenn Sie einer Frau einen neuen Job anbieten, erbittet sie sich ein, zwei Tage Bedenkzeit - auch um mit Freunden und Familie zu sprechen. Männer sagen: Jo, mach ich.
Wir sagen unseren Führungskräften deshalb immer wieder: Verwechselt diese Bitte um Bedenkzeit nicht mit Unsicherheit, richtet euch darauf ein, dass Frauen diese Zeit fordern werden und gewährt sie ihnen. Es kann nicht das schlechteste sein, wenn sich jemand etwas gut überlegt.

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