Berufsalltag Wie man verlorenes Vertrauen zurückgewinnt

Gerade im beruflichen Alltag spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. In seinem neuen Buch „Vertrauen“ analysiert Matthias Nöllke, wie man Misstrauen begegnet und verlorenes Vertrauen zurückgewinnt. Die WirtschaftsWoche druckt exklusiv Auszüge.

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Autor Matthias Nöllke

Vertrauen zu anderen Menschen schätzen wir als etwas Kostbares. So wurde kürzlich in einem Internet-Forum gefragt, wie vielen Menschen man wirklich vertrauen könne. Die meisten Antworten bewegten sich in einem Bereich zwischen null und drei Personen. Und in keinem Fall war jemand darunter, mit dem die Betreffenden beruflich zu tun hatten. So ist das eben, wenn man Vertrauen mit der Goldwaage misst: Es bleibt nicht viel davon übrig.

Und doch scheinen wir unsere Mitmenschen erst einmal für vertrauenswürdig zu halten. „Vertrauen ist so etwas wie unsere Standardeinstellung“, meint Robyn Dawes, Psychologe an der Carnegie-Mellon-Universität. „Von der weichen wir nur ab, wenn es einen Grund gibt.“

Auf den ersten Blick wirkt das überraschend. Immerhin machen wir doch auch die Erfahrung, dass viele Menschen zunächst skeptisch, misstrauisch und abweisend reagieren, ehe sie auftauen – oder auch nicht. Aus Sicht der Psychologen stellt sich die Sache ein wenig anders dar.

Demnach gibt es eine Art stillschweigender Übereinkunft, die uns die Verständigung mit anderen immens erleichtert: Solange es keine Anzeichen gibt, das Gegenteil anzunehmen, unterstellen wir uns gegenseitig, vertrauenswürdig zu sein. Dabei handelt es sich zunächst nur um ein Minimalvertrauen, das wir dem anderen spendieren und er uns. Jedoch kann es den Weg bereiten für gewichtigere und riskantere Vorleistungen, wer auch immer die zu erbringen hat.

Wichtig ist, wo uns eine Person erstmals begegnet

Nach Ansicht der Evolutionspsychologen Leda Cosmides und John Tooby von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara sind wir als kooperierende Spezies zwar mit einem Detektor ausgestattet, um Betrüger zu entlarven. Doch sind wir bei Weitem nicht so gut darin, wie wir selber glauben. Oft haben wir gar nicht die Zeit, die Vertrauenswürdigkeit des anderen gründlich zu prüfen. Also nehmen wir eine Abkürzung und halten uns an ein paar bewährte Indizien, sogenannte Shortcuts.

Wichtig ist beispielsweise der Ort, wo uns eine Person erstmals begegnet. Hochstapler wissen das und treiben sich vorzugsweise in exklusiven Lokalitäten herum. Das mag Ihnen plump erscheinen. Doch das Beunruhigende ist, dass es funktioniert. Findet unsere erste Begegnung im Baumarkt statt, werde ich Sie vermutlich für weit weniger vertrauenswürdig halten, als wenn Sie mir – sagen wir: auf einem wissenschaftlichen Kongress – begegnen.

Noch wichtiger ist die Körpersprache. Denn Gestik und Mimik lassen sich nur begrenzt bewusst steuern. Daher verraten sie immer auch etwas über die verborgenen Absichten des anderen. Allerdings sind wir bei der Deutung der Körpersprache nicht immer fein gestrickt. Für besonders vertrauenswürdig halten wir nämlich diejenigen, die sich ähnlich gebärden wie wir.

Nicht sehr schmeichelhaft, aber wahr: Wer uns imitiert, auf den fallen wir herein. Das ist mehrfach mit erschreckender Deutlichkeit belegt worden, erst kürzlich von Tanya Chartrand, Professorin für Psychologie an der renommierten Duke-Universität. Und die Medienwissenschaftler Jeremy Bailenson und Nick Yee aus Stanford haben herausgefunden, dass wir sogar einer computeranimierten Kunstfigur mehr Glauben schenken, wenn sie unsere Bewegungen nachahmt.

Dass sogar oberflächliche Ähnlichkeit eine erstaunliche Wirkung entfalten kann, belegt eine schon etwas angejahrte, aber wegweisende Studie des US-Psychologen Timothy Brock. Dabei ging es darum, ob die Kunden dem Ratschlag des Verkäufers in einem Malergeschäft folgen würden oder nicht. Eine Frage des Vertrauens, könnte man sagen. Im ersten Fall erzählte der Verkäufer, dass er kürzlich die gleiche Menge an Farbe gekauft habe und Produkt XY empfehlen könne. Im zweiten Fall erzählte er, dass er kürzlich ebenfalls Farbe gekauft habe, aber in einer anderen Menge. Man mag es kaum glauben, aber die Kunden verließen sich weit eher auf den Rat des ersten Verkäufers.

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