Green, der in Oxford Politik, Philosophie und Ökonomie studierte und fließend Deutsch spricht, weist darauf hin, dass die Demokratie im modernen Deutschland fest verankert sei. „Das ist eine außerordentliche Leistung“, sagt er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Deutschland sei „weit entfernt vom alten Führerprinzip. Deutschland übt eine Rolle aus, die man als zögernde Führung bezeichnen könnte, sie steht im Kontext einer europäischen Identität. Dieses neue Deutschland wird von den Briten nicht als bedrohlich empfunden.“
Der Ex-Banker macht klar, dass es die Euro-Krise war, die Deutschland zwang, in seine Funktion als „zurückhaltender Meister“ hineinzuwachsen. Die Identität des heutigen Deutschlands sei einerseits Folge lang zurückliegender historischer Gegebenheiten, andererseits ein Resultat der jüngeren Geschichte: Green nennt die Vergangenheitsbewältigung in der Nachkriegszeit, die Wiedervereinigung und die EU-Osterweiterung.
Wirtschaftlicher Erfolg
Aus britischer Sicht ist es aber nicht nur diese politische Transformation, sondern auch der wirtschaftliche Erfolg, der zu einer Neubewertung Deutschlands geführt hat. Die Finanzkrise hat den Briten gezeigt, dass ihr Wirtschaftsmodell mit seiner Abhängigkeit vom Finanzsektor und den vergleichsweise geringen Exporten erhebliche Schwächen aufweist. Deutschland, das nach der Wiedervereinigung jahrelang als „kranker Mann Europas“ und Repräsentant der „Old Economy“ verspottet worden ist, gilt vielen Experten nun als Vorbild.
Green lobt nicht nur den deutschen Mittelstand, sondern erwähnt auch die gut funktionierenden Handelskammern und das duale System der Berufsausbildung. Immerhin: Die Briten haben mit der British Business Bank eine neue Förderbank gegründet, die sich an der deutschen Kreditanstalt für Wiederaubau und Entwicklung (KfW) orientiert und Mittelständler mit günstigen Darlehen versorgen soll.
Wichtigster Handelspartner
Auch die gegenseitige Abhängigkeit ist gewachsen: 40 Prozent der britischen Exporte gehen in die Euro-Zone, wo Deutschland der wichtigste Handelspartner ist. Zudem werden die Briten bei ihrem Versuch, das eigene Verhältnis zur EU neu auszuhandeln, die Deutschen als Partner brauchen. Schon deshalb wurde die Bundeskanzlerin bei ihrem jüngsten London-Besuch besonders herzlich empfangen.
Viel Deutsches gehört inzwischen zum Alltag der Briten, nicht zuletzt im Bereich des Konsums. Discounter wie Aldi konnten seit der Finanzkrise kräftig zulegen. Zu den typischen Szenen gehört der Einkauf im Lidl-Supermarkt: Bei Nieselregen packt die Londoner Familie Paprika der Eigenmarke „Karin“, Edel Nougat Zapfen (mit 26 % Haselnüssen) und zehn Flaschen Wein in ihren Einkaufswagen. Mit günstigem Wein guter Qualität lockt Lidl inzwischen auch die englische Mittelklasse in seine Geschäfte.
Humor
Und was ist mit dem Humor, der den Deutschen angeblich fehlt? Der deutsche Komiker Henning Wehn gehört inzwischen zum Standardrepertoire der BBC, tritt in Quizsendungen auf und treibt mit seinem fetten deutschen Akzent selbstironisch die beliebten Klischees über die Deutschen auf die Spitze. Gleichzeitig erlaubt er sich Scherze über die Briten, indem er etwa Witze über englische Handwerker reißt. Auch für „Herman ze German“ gehört Humor zum Erfolgsrezept: Der Firmenname nimmt die harte „th“-Aussprache der Deutschen aufs Korn.
„Wir wollen uns damit bewusst von den Kriegsgeschichten distanzieren“, sagt Florian Frey. Das „ze“ ist allgegenwärtig: „Our Wurst is ze Best“ lautet der Slogan der Jungunternehmer. Wenn alles glattgeht, hoffen sie mit ihren Produkten bald auch in britischen Supermärkten präsent zu sein.