Großbritannien Die Briten sind in Deutschland verliebt

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Das heutige Deutschland im Kontext einer europäischen Identität

Green, der in Oxford Politik, Philosophie und Ökonomie studierte und fließend Deutsch spricht, weist darauf hin, dass die Demokratie im modernen Deutschland fest verankert sei. „Das ist eine außerordentliche Leistung“, sagt er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.

Deutschland sei „weit entfernt vom alten Führerprinzip. Deutschland übt eine Rolle aus, die man als zögernde Führung bezeichnen könnte, sie steht im Kontext einer europäischen Identität. Dieses neue Deutschland wird von den Briten nicht als bedrohlich empfunden.“

Der Ex-Banker macht klar, dass es die Euro-Krise war, die Deutschland zwang, in seine Funktion als „zurückhaltender Meister“ hineinzuwachsen. Die Identität des heutigen Deutschlands sei einerseits Folge lang zurückliegender historischer Gegebenheiten, andererseits ein Resultat der jüngeren Geschichte: Green nennt die Vergangenheitsbewältigung in der Nachkriegszeit, die Wiedervereinigung und die EU-Osterweiterung.

Wie die Engländer unser Leben bereichern
Aus Liverpool kommen die Pilzköpfe, die als „The Beatles“ unsterblich wurden. 1960 gründete sich die Band, Love Me Do wurde ihre erste Single. Ohne ihre Hits wäre die Welt um zahlreiche Ohrwürmer ärmer. Sie zeigten der Jugend, dass neben Walzer und Stehblues auch bedingungsloses Durch-die-Gegend-Hüpfen als Tanzstil durchgeht. Dieses Foto entstand am 28. Februar 1968 und zeigt (v.l.): Paul McCartney, John Lennon, Ringo Starr und George Harrison. Quelle: AP
Als begnadete Autobauer werden die Engländer nicht in die Geschichte eingehen. Und doch gibt es einen Ausreißer, der die Herzen aller Karosserie-Liebhaber heftig schlagen lässt: der Rolls-Royce. Quelle: rtr
England schenkte uns auch einen Zauberlehrling, der Kinder wieder dazu brachte, gierig nach einem Buch zu greifen. Harry Potter machte außerdem den Schauspieler Daniel Radcliffe berühmt und Autorin Joanne K. Rowling steinreich. Quelle: rtr
Auf der Insel wurde nicht nur der Fußball erfunden, auf ihr wuchs auch ein Fußballer auf, der zu den extravagantesten seiner Zunft gehört: David Beckham. Der Kicker spielte nicht nur für Manchester United, sondern auch für Real Madrid, AC Milan und Los Angeles Galaxy. Mit ihm ... Quelle: dapd
... zog seine Frau Victoria Beckham in die Welt – berühmt als Ex-Spice-Girl, später als Model und Designerin. Quelle: dpa
Tee wird auf verschiedenen Kontinenten getrunken. Eine wahre Zeremonie haben die Engländer daraus gemacht. So genießen auch diese Hindu ihre Tea-Time. Quelle: dapd
Er lebte von 1564 bis 1614, schrieb 38 Dramen und wurde so zum bekanntesten Schriftsteller und Dichter Englands: William Shakespeare. Seine Komödien und Tragödien gehören zu den am meisten aufgeführten und verfilmten Bühnenstücken der Weltliteratur. Das Chandos-Porträt von William Shakespeare in der National Portrait Gallery in London. Quelle: dpa

Wirtschaftlicher Erfolg

Aus britischer Sicht ist es aber nicht nur diese politische Transformation, sondern auch der wirtschaftliche Erfolg, der zu einer Neubewertung Deutschlands geführt hat. Die Finanzkrise hat den Briten gezeigt, dass ihr Wirtschaftsmodell mit seiner Abhängigkeit vom Finanzsektor und den vergleichsweise geringen Exporten erhebliche Schwächen aufweist. Deutschland, das nach der Wiedervereinigung jahrelang als „kranker Mann Europas“ und Repräsentant der „Old Economy“ verspottet worden ist, gilt vielen Experten nun als Vorbild.

Green lobt nicht nur den deutschen Mittelstand, sondern erwähnt auch die gut funktionierenden Handelskammern und das duale System der Berufsausbildung. Immerhin: Die Briten haben mit der British Business Bank eine neue Förderbank gegründet, die sich an der deutschen Kreditanstalt für Wiederaubau und Entwicklung (KfW) orientiert und Mittelständler mit günstigen Darlehen versorgen soll.

Wichtigster Handelspartner

Auch die gegenseitige Abhängigkeit ist gewachsen: 40 Prozent der britischen Exporte gehen in die Euro-Zone, wo Deutschland der wichtigste Handelspartner ist. Zudem werden die Briten bei ihrem Versuch, das eigene Verhältnis zur EU neu auszuhandeln, die Deutschen als Partner brauchen. Schon deshalb wurde die Bundeskanzlerin bei ihrem jüngsten London-Besuch besonders herzlich empfangen.

Viel Deutsches gehört inzwischen zum Alltag der Briten, nicht zuletzt im Bereich des Konsums. Discounter wie Aldi konnten seit der Finanzkrise kräftig zulegen. Zu den typischen Szenen gehört der Einkauf im Lidl-Supermarkt: Bei Nieselregen packt die Londoner Familie Paprika der Eigenmarke „Karin“, Edel Nougat Zapfen (mit 26 % Haselnüssen) und zehn Flaschen Wein in ihren Einkaufswagen. Mit günstigem Wein guter Qualität lockt Lidl inzwischen auch die englische Mittelklasse in seine Geschäfte.

Humor

Und was ist mit dem Humor, der den Deutschen angeblich fehlt? Der deutsche Komiker Henning Wehn gehört inzwischen zum Standardrepertoire der BBC, tritt in Quizsendungen auf und treibt mit seinem fetten deutschen Akzent selbstironisch die beliebten Klischees über die Deutschen auf die Spitze. Gleichzeitig erlaubt er sich Scherze über die Briten, indem er etwa Witze über englische Handwerker reißt. Auch für „Herman ze German“ gehört Humor zum Erfolgsrezept: Der Firmenname nimmt die harte „th“-Aussprache der Deutschen aufs Korn.

„Wir wollen uns damit bewusst von den Kriegsgeschichten distanzieren“, sagt Florian Frey. Das „ze“ ist allgegenwärtig: „Our Wurst is ze Best“ lautet der Slogan der Jungunternehmer. Wenn alles glattgeht, hoffen sie mit ihren Produkten bald auch in britischen Supermärkten präsent zu sein.

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