Deutsche Besserverdiener dürfen sich ab sofort zu einer extravaganten und neuen Gesellschaftsschicht zählen. Als "neue Bohème" bezeichnet die Unternehmensberatung Brand Trust wohlhabende Deutsche, die viel Wert auf immateriellen Luxus legen und mit materiellen Statussymbolen wie Sportwagen und Diamantencollier eher zurückhaltend auftreten. Ganz anders sieht die Lage bei der chinesischen Oberschicht aus, wie die Luxusstudie "New Luxury and Brands Reloaded" verrät. Im Land der Mitte schätzt man noch klassische Statussymbole, 90 Prozent der Befragten würden eine edle Anschaffung einer Auszeit vorziehen.
Luxus ist nicht gleich Luxus
Für die Studie haben die Berater insgesamt rund 1500 Besserverdiener aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, China und den USA befragt. Das Ergebnis: Luxus ist nicht gleich Luxus, besonders zwischen den drei europäischen Staaten und China liegen die Definitionen weit auseinander.
In der Schweiz, Österreich und Deutschland steigt die Bedeutung von materiellem Luxus zwar sehr leicht, dabei allerdings in neue Richtungen. "Klassische Luxusbranchen verlieren an Boden und schaffen Raum für Marken, die sich im Luxussegment etablieren können", heißt es in der Studie. So sind teure Automarken weniger gefragt und müssen Unternehmen, die für Wellness und Gesundheit stehen, Platz machen. Bentley, Ferrari und Porsche müssen also weichen, ebenso teure Modemarken wie Louis Vuitton.
Nichts besonderes mehr
Das hat mehrere Gründe, so Klaus-Dieter Koch. Er ist der Gründer von Brand Trust und einer der Herausgeber der Studie: "Das letzte Jahrhundert war das Jahrhundert der Mobilität, heute haben die edlen Automarken keine Antwort mehr auf die Frage, wie sie das Leben der Menschen verändern wollen." Ihn habe das Ergebnis überrascht, da edle Automarken wie Porsche und Ferrari für den Normalverdiener immer noch Statussymbol und Objekt der Begierde zugleich seien. Jedoch gehe es in der Luxusbranche vor allem um die sogenannte Kennerschaft.
Die Exklusivität in Sachen Qualität, Image und eben Bekanntheitsgrad ist entscheidend, weniger der Preis. Porsche kennt jeder und bietet damit wenig Möglichkeiten sich abzugrenzen. Dies erkläre auch wieso "Stilikonen" wie Louis Vuitton oder Rolex in der Untersuchung ähnlich schlecht wie die Automarken abgeschnitten haben. "Die Marken kennt jeder und erfahrene Luxuskenner wollen nicht mit irgendeinem Starlet identifiziert werden, das eine Louis Vuitton-Tasche über der Schulter trägt", so Koch.
Dass diese altgedienten Luxusmarken in Europa wenig gefragt sind, in China jedoch eine hohe Popularität erfahren, sei historisch zu begründen: In der Schweiz gäbe es so schon lange einen Markt für Luxusgüter, dort wären diese Marken nichts besonderes mehr, wohingegen China erst seit kurzem einem Boom in der Luxusbranche erfahre und dementsprechend unerfahren sei.
Lieber Zeit haben als teure Chronometer tragen
In Deutschland, Österreich und der Schweiz, den sogenannten DACH-Staaten variiert die Wahrnehmung von Gütern als luxuriös über das Alter. Junge und ältere Bürger ziehen eine Auszeit einer teuren Anschaffung vor, mit rund dreißig kippt die Wahrnehmung jedoch und eine längere Pause im Arbeitsalltag wird der Luxusuhr vorgezogen.
In der Summe ist das Verhältnis von Interesse an immateriellem zu materiellem Luxus in Deutschland beinahe ausgeglichen, Materialismus-Spitzenreiter ist China mit 90 Prozent Interesse an klassischen Luxusgütern. Am anderen Ende liegt die Schweiz, hier gaben 67 Prozent der Befragten an, dass eine Auszeit wertvoller und luxuriöser als eine Anschaffung ist. In den USA ist das Verhältnis, ähnlich wie in Österreich sehr ausgeglichen.
Die Verfasser der Studie erklärten, dass sich der Luxusbegriff weiter ausdehne, je wohlhabender eine Gesellschaft ist. So werden gerade in der Schweiz alte Luxusgüter wie Uhren und Autos zunehmend von Dingen wie Familie, Urlaub oder Gesundheit abgelöst. In China hingegen ist der Materialismus alles, immaterielle Werte haben keinen, bis einen nur sehr geringen Stellenwert.
Deutsche haben kein Problem mit Imitaten
Auch das Thema Nachhaltigkeit ist im Luxussegment angekommen, in den DACH-Staaten legen die Konsumenten immer mehr Wert auf Produkte, die fair produziert werden. Definiert sich eine Marke jedoch über ihr starkes Luxusimage, treten die Produktionsbedingungen in den Hintergrund. In der Schweiz und China legt man allerdings auch trotzt starkem Edelimage Wert auf nachhaltige Produktion, am anderen Ende dieser Skala liegen die USA, wo faire Produktion bisher nur wenig wertgeschätzt wird.
Europäisches Understatement versus chinesischen Protz
Geht es um denn die Wahrnehmung von Luxus, klafft eine große Meinungsverschiedenheit zwischen den DACH-Staaten auf der einen Seite und China nebst den USA auf der anderen Seite. Hierzulande und in den zwei Nachbarstaaten gilt Luxus als etwas persönliches, was nicht groß zur Schau gestellt wird. Understatement und Handwerkskunst sind wichtiger als Auffallen um jeden Preis. Anders sehen das die Amerikaner und Chinesen. Hier ist man der Meinung, dass Luxus provozieren darf und gerne auch nach außen gezeigt wird.
Trotz diesen sehr entfernten Wahrnehmungen von Luxus, eines haben die fünf untersuchten Ländern gemeinsam. Geht es um den Sinn von Luxus ist man sich einig, dass er einer Abgrenzung zu unteren sozialen Schichten dient und ein Erkennungsmerkmal der "Upper-Class" ist.
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Dieser Meinung sind auch die Schweizer und Chinesen. Die Befragten beider Nationen legen einen hohen Wert auf Originalprodukte und kaufen keine Imitate. Dahingegen ist es in den USA, Österreich und Deutschland weniger problematisch auch mal eine Fälschung als Original auszugeben. Knapp die Hälfte der Befragten gaben an, mit Imitaten keine Probleme zu haben.
Spannend ist die Wahrnehmung von ständiger Erreichbarkeit via Telefon, SMS oder Internet. Während rund 80 Prozent der Deutschen, Schweizer und Österreicher es als luxuriös empfinden, nicht erreichbar zu sein, sehen fast 90 Prozent der Chinesen eine dauerhafte Erreichbarkeit als erstrebenswert an und verknüpfen dies mit Luxus. Die amerikanischen Befragten liegen zwischendrin, bei knapp Fifty-Fifty.
Blickt man in die Zukunft, scheint China bald das neue "Luxusmekka" zu sein. Dreiviertel der befragten Chinesen waren sich einig, dass Luxus in ihrem Land in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, in den DACH-Ländern und den USA geht man eher von einer Stagnation des Stellenwertes von Luxus aus.
Wie Porsche & Co. wieder punkten könnten
Damit Luxusmarken in Zukunft erfolgreich weiter bestehen, rät Koch zu zwei Dingen: "Die Autohersteller müssen sich eine neue Daseinsberechtigung schaffen und Marken wie Louis Vuitton und Rolex sollten wieder mehr in handwerkliche Spitzenleistungen investieren."
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Stilikone, die trotz ihres Bekanntheitsgrades auch in der aktuellen Untersuchung ganz weit oben steht, kommt übrigens aus Deutschland: Der Uhren-und Füllerhersteller Montblanc mit Stammsitz in Hamburg.