Trend So viel Blau war schon lange nicht mehr

Fern wie der Himmel, tief wie das Meer, klar wie der Geist: Die neue Modefarbe heißt Blau. Das hat nicht nur Haribo verstanden.

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Was verbindet Justin Timberlake mit der deutschen Fußballnationalmannschaft und dem Süßwarenhersteller Haribo? Die Wiederentdeckung der Farbe Blau. Während der amerikanische Popstar im azurblau changierenden Smoking über die Bühne fegt und Jogi Löws WM-Team bei offiziellen Anlässen im dunkelblauen Dreiteiler mit Denimhemd auftritt, hat Haribo ein blaues Bärenwunder angekündigt: Von Juli an sollen erstmals in der Geschichte des Bonner Unternehmens in einer „limited Edition“ auch blaue Bären in der Tüte stecken. Mit „lieblich-süßem Heidelbeeraroma“ und einem Farbstoff, der, passend zur Farbe Blau, aus Meeresalgen gewonnen wird.

Kein Zweifel, eine veritable, blaue Revolution im Hause Haribo. So viel Blau war schon lange nicht mehr – auf den Showbühnen und Laufstegen, auf den Möbelmessen und in den Supermarktregalen. Blau – die Farbe der Stunde? „Ja, absolut“, meint Peter Wippermann, Trendforscher und Gründer des Trendbüros, der die Karriere der Farbe Blau seit Jahren beobachtet. Zwar hat noch niemand schlüssig erklären können, wer oder was die Farbzyklen von Mode und Lifestyle bestimmt. Doch für Wippermann fällt die Blau-Konjunktur deshalb keineswegs vom Himmel. In einer Zeit „merkwürdiger Zukunftsunfähigkeit“, in der niemand wisse, wo und wann die nächste Erschütterung zu erwarten ist, verbinde Blau, anders als die Leidenschaftsfarbe Rot, emotionale mit rationalen Komponenten: die Suggestion von Hoffnung und Zuversicht mit dem Versprechen auf Autonomie. Als „Farbe der Ferne“ spanne Blau eine Zukunftsperspektive auf, die an den Gestaltungswillen des Publikums appelliert: „Nehmt die Dinge selber in die Hand.“

Fantasien eines Trendgurus? Spekulationen ins Blaue hinein? Immerhin, der Titel von Al Gores neuem Buch „Die Zukunft“ prangt sicher nicht zufällig in heiteren, himmelblauen Lettern auf dem Cover. Die Farbe Blau birgt die Geheimnisse der Zukunft. Sie ist nicht nur der Megatrend der Lifestyle-Industrie, sondern die Leitfarbe der Moderne. Der französische Historiker Michel Pastoureau hat in seiner jüngst erschienenen Studie „Blau. Die Geschichte einer Farbe“ ihren Siegeszug eindrucksvoll nachgezeichnet: Er führt vom Hochmittelalter, wo Blau als Marien- und Königsfarbe gilt, über die Reformation, die Blau als „moralische Farbe“ entdeckt, geradewegs in die Moderne: Spätestens im 19. Jahrhundert wird Blau, nicht zuletzt durch das Aufkommen des synthetischen Indigo, „endgültig zur Farbe des Fortschritts, der freiheitlichen Gedanken“ – und macht der Farbe Schwarz zunehmend Konkurrenz.

Vor allem in der Kleidermode: Erst beim Militär, das Anfang des 20. Jahrhunderts auf breiter Front zu marineblauen Uniformen übergeht, dann bei den Zivilisten, die ihre schwarzen Anzüge gegen dunkelblaue Kleidung eintauschen. Eine „Revolution“, wie Pastoureau sagt, eines „der großen Ereignisse in der Mode des 20. Jahrhunderts“. Denn mit dem modernen, dunkelblauen Anzug hat der Mann seine Berufsuniform gefunden: Er tritt ins Glied zurück, ordnet sich dem Kollektiv unter, wird zum Repräsentanten der Mannschaft.

Farbe der Freiheit

Was Markenfarben bewirken
Der Einfluss von MarkenlogosMenschen lernen früh, bestimmte Markenlogos einem bestimmten Produkt zuzuordnen. Eine Studie der Uni Amsterdam zeigte, dass 67 Prozent der teilnehmenden Kinder zwischen zwei und drei Jahren einem Markenzeichen das richtige Produkt zuordnen können. Bei achtjährigen Kindern waren es 100 Prozent. Dabei verbinden Menschen mit verschiedenen Logos bestimmte Emotionen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Markenfarbe, wie im Folgenden zu sehen ist. Quelle: dpa
Grün (Starbucks, Android, Greenpeace)Die Harmonie der Natur spiegelt sich in grün wider. Eine entsprechend entspannende, friedvolle und hoffnungsspendende Wirkung sollen grüne Markenlogos, wie jene von Android und Starbucks, auslösen. Quelle: dpa
Rot (YouTube, Coca-Cola, Red Bull)Rot, wie es YouTube oder Red Bull verwenden, verbinden Menschen mit der Intensität von Blut und Feuer. Entsprechend sind die Emotionen, die die Farbe auslöst: Leidenschaft, Emotionalität, Liebe, Vertrauen, Intensität, aber auch Aggressivität. Quelle: dpa
Blau (Samsung, Facebook, Nivea)Deutlich beruhigender als aufwühlendes rot ist blau, das Menschen mit der Tiefe und Stabilität von Himmel und Meer verbinden. Mit dieser Farbe vermitteln Marken, wie Samsung und Ford, etwa Klarheit, Ruhe, Vertrauen, Aufrichtigkeit, Verständnis und Behaglichkeit. Quelle: dpa
Schwarz (Blackberry, Montblanc, Boss)Schwarz ist die Farbe der Nacht, die Marken, wie Blackberry und Tiffany & Co. aufgreifen. Sie steht für Ernsthaftigkeit und Luxus. Quelle: dpa
Lila (Yahoo, FedEx)Lila ist eine illustre Farbe der High-Society-Welt und alter Königshäuser. Menschen verbinden sie mit  Macht, Glamour, Ansehen und Romantik. Firmen, wie FedEx oder Yahoo greifen lila in ihren Logos auf.   Quelle: dpa
Gelb (Ferrari, McDonald’s)Gelb ist der Farbe der Sonne – und somit übertragen Menschen die Eigenschaften der Sonne auf gelb. Die Markenlogos von Ferrari oder McDonald’s wirken auf Menschen daher auch aufheiternd und erfrischend. Quelle: dpa

Was Wunder, dass die Metzinger Modemarke Hugo Boss, der offizielle Ausstatter des WM-Teams, die Spieler in blaue Anzüge steckt. Der dunkelblaue Anzug gilt als Klassiker. Für Kevin Lobo, den Kreativdirektor von Boss Menswear, ist Blau die perfekte Konsensfarbe: Blau sehe „immer elegant und hochwertig aus“, Blau stehe „jedem Kunden, unabhängig von der Haarfarbe und dem Hauttyp“. Die schmalen Schnitte, der Verzicht auf überflüssige Verzierungen, die Konzentration auf Blau-Grau-Braun-Töne bei Boss verweist auf das Stilideal der Geschäftswelt: Der Haribo-Bär will auffallen, Hugo Boss hingegen übt sich in der Rhetorik des Understatements.

Dass es anders, spektakulärer geht, zeigt Giorgio Armani, der in seiner Damenkollektion diesen Sommer dunkles Seidenblau mit silbrigem Chiffon und kostbaren Rottönen verbindet. Oder Calvin Klein, der in seiner Herrenkollektion die ganze Skala der Blautöne durchspielt, von dunkel leuchtendem Ultramarin über hypnotisierendes Lapislazuli bis zu lieblichem Babyblau, auf Overalls, Anzügen oder Schuhen.

Der Sportschuhhersteller Adidas wählte ein hell leuchtendes Blau als Hausfarbe, Blue Pantone 300. Denn Blau ist nicht gleich Blau, es kennt viele Register. Der Münchner Farbexperte Martin Benad, Fachplaner für Farbgestaltung und Autor mehrerer Bücher zur Farbenlehre, unterscheidet „psychologisch“ vier grundlegende Varianten, denen er spezifische Stimmungen und Werte zuordnet: das helle Cyanblau, die Himmelsfarbe in Horizont-Nähe – die Farbe der Freiheit; das in die Tiefe führende, samtig-weiche Ultramarinblau – die Farbe der Konzentration; das gläsern-gespannte, grünlich schimmernde Gletscherblau – die Farbe der Distanz; und das lyrische Lavendelblau – die Farbe der Romantik. Jüngst hat er für ein viergeschossiges Bürogebäude bei Augsburg das Farbkonzept entwickelt: Die Außenhaut strahlt in unterschiedlichen Facetten von Blau und nimmt die Anmutung der Materialien Glas und Stahl auf.

Benads Kollege Axel Venn, Professor für Farbgestaltung an der Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, erklärt sich die wachsende Beliebtheit der Farbe Blau auch damit, dass sie nicht polarisiere, sondern in ihrer Symbolik offen, fast neutral sei: Jeder habe die Freiheit, Blau so zu interpretieren, wie er es für richtig hält.

So hat die Autoindustrie das gegenüber Grün ideologisch weniger stark festgelegte Blau zur Kennfarbe der Elektromobilität erhoben. „Blue Motion“ oder „Blue Efficiency“ heißen die Schlagworte, sie stehen für ökologische Nachhaltigkeit. Die Nieren des Kühlergrills beim i3 und i8 von BMW sind, statt mit Chrom, bayrisch-blau markiert. Die Elektroversion des Supersportwagens SLS AMG von Mercedes glänzt in grellem Bonbonblau. Und die Elektro-Smarts von Car2Go, dem Carsharing-Anbieter von Daimler, tragen die ökologisch besetzten Signalfarben Blau und Weiß.

Von Aqua bis Violett

Krawatten – und was sie über ihren Träger verraten
Über die Jeansfrage lässt sich streiten, über das feine Bindegewebe weniger. Die Krawatte ist nicht nur eines der dominantesten Accessoires, die man(n) trägt – sie verrät auch welcher Typ Mann einem gegenüber sitzt oder steht, findet etwa Deutschlands Dresscode- und Stil-Papst Bernhard Roetzel. Genau genommen sind es vor allem sechs unterschiedlicher Trägertypen, die sich daran ausmachen lassen. Quelle: dpa
Die einfarbige Krawatte – Der StilvolleSchwarzer Anzug, weißes Hemd und eine unifarbene Krawatte in sanften Tönen. Männer mit diesem Erscheinungsbild mögen im ersten Moment zwar etwas unscheinbar wirken, doch laut Stil-Experte Bernhard Roetzel sind sie extrem modebewusst und stilsicher. Eine solche Krawatte verrät zudem Besonnenheit, Beschaulichkeit und meist auch Niveau. Sie schreit eben nicht. In Italien sei man als Träger dieser Variante immer auf der richtigen Seite. Und was in Italien modisch ist, kann in Deutschland nicht verkehrt sein. Quelle: dpa
Die gestreifte Krawatte – Der KonservativeDer Klassiker unter den Krawatten ist die englisch angehauchte gestreifte Krawatte. Der typische Träger sei entsprechend konservativ, so Bernhard Roetzel. Mit umwälzenden Veränderungen oder revolutionären Ideen sei bei deren Träger nicht zu rechnen. Immerhin: Aufgrund des aufsteigenden Verlaufs (die Streifen sollten immer von links unten nach rechts oben zeigen!) der Streifen strahlt der Träger allerdings ebenso Zuversicht und Optimismus aus. Schließlich erinnert das Muster an den Wunschverlauf einer jeden Wirtschaftskurve. Quelle: dpa
Die karierte Krawatte – Der VerlässlicheKaros sind gerade wieder angesagt und werden auf den Laufstegen der Welt in sämtlichen Variationen zur Schau gestellt. Für Krawatten-Profi Bernhard Roetzel sagt das über den Träger vor allem eines: Der Karo-Träger versucht mit dem Trend zu gehen, was in gewisser Weise auf seine Anpassungsfähigkeit schließen lässt (aber nicht unbedingt für Mut spricht). Und er geht mit der Zeit, reiht sich ein, spielt im Team. Oder kurz: Auf den Karo-Träger ist am Arbeitsplatz in der Regel Verlass. Quelle: dpa
Die Motiv-Krawatte – Die WitzfigurMickey Mäuse auf reiner Seide? Lustige Tierbildchen als gebundener Zoo? Homer Simpson als Statement? Das mag in der Freizeit lustig sein – im Geschäftsleben aber macht sich der Träger damit zur Witzfigur. Entgegen der Annahme solche Designs würden Lockerheit und Humor ausdrücken, lassen sie eher das Fehlen von Geschmack und Sachverstand erkennen. Und selbst wenn der Träger ein Ass in seinem Fach ist – spätestens die Krawatte macht ihn zum Nerd. Quelle: AP
Die grelle Krawatte – Der IndividualistSitzt ihnen im Büro ein Kollege mit einer zwar ordentlich gebundener, aber dennoch schriller Krawatte (wild gemustert, grelle Farben) gegenüber, sind heiße Diskussionen nicht ausgeschlossen. So jemand will auffallen und anders sein – um jeden Preis. Laut dem Mode-Experten Roetzel sind die so genannten lauten Krawattenmuster Ausdruck von Individualität und Vorwitz. Sie können aber leider auch leicht in „nervöse Geschmacklosigkeit“ übergehen. Also Vorsicht: Querdenker ist zunächst nichts Schlechtes. Um seiner selbst Willen aber ist es schnell zu viel des Guten. Quelle: dpa
Die Fliege – Der ExentrikerWer mit Fliege im Büro erscheint, muss sich auf schiefe Blicke gefasst machen. Schon an der Uni fallen Professoren damit gerne als latent "staubig" auf – im Joballtag aber wirkt die Nostalgie-Variante der Krawatte aber erst recht hoch gestochen. Fliegenträger seien, laut Roetzel über-individuell, selbstbewusst und meist hochgradig exzentrisch. Die Meinung anderer ist interessiert sie kaum, entsprechend agieren sie eher als Einzelkämpfer. Doch Vorsicht: Wer schon zur Fliege greift, sollte wenigstens eine echte zum Binden benutzen. Die vorgebundenen Fliegen mit Gummiband werden von Kennern sofort erkannt und outen den Träger als Kretin.  Über den Experten: Bernhard Roetzel ist durch sein Buch „Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode“ bekannt geworden. Der Bestseller wurde bereits 1999 veröffentlich und seitdem in 18 Sprachen übersetzt. 2009 erschien eine überarbeitete Auflage, die ebenfalls zum Bestseller wurde. Roetzel gilt unter Kingge-Experten als Stilpapst und wird in Fachkreisen hochgeschätzt. Quelle: dpa

„Blau ist gut“, heißt die schlichte Botschaft, so Paolo Tumminelli, Professor für Design an der Kölner International School of Design. „Du tust dir und den anderen etwas Gutes.“ Kein Wunder, dass VW den neuen Polo auf Werbeplakaten in Metallic-Blau zeigt. Neben dem Ökoimage zieht vor allem das „semantische Profil“ von Metallic-Blau. Dieses „mittlere“ Blau hat, wie Tumminelli betont, anders als das Anzug-Blau eine „Pop-Konnotation“, erinnert an „Jeans“, wirkt „jung, dynamisch, progressiv“, aber auch „zuverlässig, solide, gediegen“. Mit Blau könne die Industrie „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Die Trendfarbe verspreche „Innovation und Tradition“.

Noch liegt die Autofarbe Blau, die ihren Höhepunkt in den Neunzigerjahren hatte, bei den Zulassungszahlen mit gut acht Prozent deutlich hinter dem Spitzen-Trio Schwarz/Silber/Weiß. Doch die „Talsohle ist durchschritten“, sagt Mark Gutjahr, Farbdesigner bei BASF-Coatings. Mit dem „Trend zu mehr Farbigkeit“ rechnet Gutjahr auch mit einem steigenden Blau-Anteil. Weniger im Hinblick auf das meist nicht aufpreispflichtige Dunkelblau, das „viel von der Form wegnimmt“. Umso mehr bei den „Grau-Blau-Tönen“: Sie „zeichnen“ die Form, unterstreichen die Winkel, Kanten und Seitenlinien der Karosserie mithilfe von Farb- und Effektpigmenten, die die „Flächen verdunkeln“ und die „Lichtkanten hervorheben“ können.

Vor allem bei Kleinwagen, wie bei Ford oder Fiat, sieht Gutjahr den Trend zu „bunten, leuchtenden Blautönen“. Die Möbelbranche bestätigt ihn in seiner Diagnose. So hat die Möbelmarke COR mit ihrem Messestand auf der diesjährigen Kölner Möbelmesse die Blau-Karte gespielt: mit dunkelblau lackiertem Parkettboden und einer Decke in hellem Blau und Grau. Helen Biermann, Produktdesignerin bei COR, sieht für die Zukunft viele Blaunuancen, von einem „nebligen Aqua bis Violett oder Petrol“, in Kombination mit „hellen Naturhölzern wie Ahorn und Esche oder mit Marmor“.

Blau, für viele die schönste und edelste Farbe, gilt nicht umsonst als Königsattribut. Sie wirkt „nobilitierend“, wie Axel Venn betont, vor allem im Zusammenspiel mit Gold. Dass Königshäuser mit Farben modische Akzente setzen können, zeigt Kate, die Herzogin von Cambridge, die mit ihren Kleidern für viele zum Stilvorbild geworden ist. Immer dabei: ihr Ring, den einst Prinzessin Diana zur Verlobung trug. In der Mitte, in Gold gefasst, umrahmt von weißen Diamanten, prangt: ein Saphir. In strahlendem Blau.

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