Börsen-Roundtable Warum Anleger und Gründer eine neue Tech-Börse brauchen

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Woher kommt das Geld?

Martin Reck Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Weil Unternehmen dort leichter an Geld kommen?

Schambach: Das ist jedenfalls ein wichtiger Punkt. Im Internet wie auch in anderen technologiegetriebenen Branchen haben Sie fünf bis zehn Jahre Zeit, um eine marktbeherrschende Position aufzubauen. Wenn ich es in dieser Zeit nicht schaffe, dominiere ich den Markt nicht und schaffe so auch nicht diesen immensen Wert für Investoren. In dieser Wachstumsphase von bis zu zehn Jahren brauchen Unternehmen viel höhere Summen, als sie mit Krediten oder Geld von Business Angels hereinholen können. Die USA bieten den Unternehmen Finanzierung über Risikokapital und die Börse. Deswegen ziehen sie die besten Köpfe an. Und wir in Europa können uns nur noch hinterher beschweren, weil die alle unsere Daten haben und sie diese an den Geheimdienst weitergeben.

Herr Diemer, woher bekommen Sie als Unternehmer das nötige Kleingeld?

Diemer: Bei uns melden sich hauptsächlich Venture-Capital-Investoren aus dem Ausland. Es ist schwierig, von deutschen Wachstumskapitalgebern Geld zu bekommen. Die Fonds hierzulande sind sehr klein, die größeren haben gerade mal 150 bis 200 Millionen Euro zu vergeben. In den USA hingegen sind solche Fonds teilweise auf Milliardenvolumina angewachsen, weil sie bereits erfolgreich bei Börsengängen Kasse gemacht haben. Das sieht man in Deutschland nicht.

Warum nicht?

Diemer: Zu wenig Unternehmen kommen überhaupt in die Phase, in der sie börsenreif wären. Sie werden vorher aufgekauft, oder ihnen geht das Geld aus. Uns fehlt in Deutschland ein Kanal, der Investoren wieder liquide Mittel bringt, die zurück in den Markt fließen können.

Stephan Schambach Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Und dieser Kanal sollte ein neues Börsensegment für Technologieaktien sein?

Schambach: Sicher. Viele Kapitalgeber investieren nur dann, wenn sie vor Ort auch eine Möglichkeit sehen, mit Gewinn wieder auszusteigen. Für Risikokapitalfonds aus den USA ist Venture Capital ein lokales Geschäft. Die können teilweise nur in ihrer eigenen Stadt wirklich helfen, mit ihrem Netzwerk, mit anderen Dienstleistern, die sie kennen. Sie haben aber keine Niederlassung in Berlin oder Frankfurt. Zur Zeit des Neuen Markts aber gab es 70 bis 80 Büros von führenden Venture-Kapitalgesellschaften in Deutschland, aus den USA, aus Großbritannien und so weiter. Ich denke, wenn es wieder so ein Segment wie den Neuen Markt an der Börse gäbe, würden die wiederkommen, und es würden auch wieder größere Summen investiert.

Deutsche Unternehmen werden also davon profitieren, dass Investoren an der Börse aussteigen können. Kann die Deutsche Börse mehr tun, als nur den Zugang zu einem Markt bereitzustellen?

Reck: Ein Börsengang ist der Schlusspunkt, der Abschluss eines Prozesses. Auf dem Weg vom Startup bis zum Börsengang gibt es eine Reihe von Institutionen, die Unternehmen helfen zu wachsen. Ein neues Börsensegment allein, das am Ende des Prozesses stehen würde, löst das Problem der Wachstumsfinanzierung nicht.

Schambach: Ein Großteil des Wertes eines Unternehmens wird erst nach dem Börsengang geschaffen. Der Börsengang ist also nur ein Schritt für die weitere Wachstumsfinanzierung. Für die Venture-Kapitalgeber ist das der Zeitpunkt auszusteigen. Aber für das Unternehmen ist das ein Zwischenschritt, nicht das Ende.

Herr Conzatti, was sagt der Investor: Was muss passieren, damit mehr Unternehmen an die Börse gehen?

Conzatti: Anleger sind oft zu Recht skeptisch. Der Leuchtenbauer Hess war vier Monate nach dem Börsengang pleite, das Ganze stellte sich als ein riesiger Betrugsfall heraus. Eine Ausnahme, aber solche Katastrophen führen dazu, dass noch mehr Leute die Finger von Aktien lassen.

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