Börsenskandal Die Aluminium-Preistreiberei der Banken

Nach Libor-Zins und Goldpreis sollen Banken auch noch den Aluminiumpreis manipuliert haben. Unter Verdacht stehen etwa Goldman Sachs, JPMorgan oder GlencoreXstrata. Mit welchen Methoden sie vorgingen.

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Ein Arbeiter passiert gestapelte Alubarren Quelle: REUTERS

Eine knallrote und kreisrunde Sitzbank in der Leadenhall Street 56, dem Sitz der Londoner Metallbörse (LME), ist immer noch Zentrum des globalen Terminhandels mit Kupfer, Aluminium und Zink. Seit 136 Jahren handeln gestikulierende Rohstoffhändler Industriemetalle an der LME. Die Traditionsbörse vergibt auch die Lizenzen für 700 Metalllager in 36 Ländern – und wird deswegen von einem Skandal erschüttert. Es geht um mögliche Manipulation des Aluminiumpreises durch Lagerhausbetreiber – unter ihnen Goldman Sachs und JP Morgan sowie der Rohstoffkonzern GlencoreXstrata.

Der Vorwurf: Die Banken hätten bereits gekauftes Metall viel zu spät ausgeliefert. Weil Kunden, etwa US-Abfüller von Dosenbier, Engpässe durch weitere Käufe überbrücken mussten, seien die Preise hochgetrieben worden. Gegen Goldman Sachs und JP Morgan wurden in den USA Sammelklagen eingereicht. Auch die LME gehört zu den Beklagten. Der US-Senat und die Börsenaufsicht SEC befassen sich mit den Vorwürfen, die US-Derivateaufsicht CFTC ermittelt. Bis zum 23. August sollen die beiden Banken und Glencore alle seit 2010 angefallenen Dokumente, E-Mails und Telefonprotokolle bei der CFTC abliefern.

Der Aluminiumverarbeiter Superior Extrusion etwa wirft Goldman Sachs vor, als Eigentümer des Lagerhausverwalters Metro International Trade Services durch Verzögerungen und überlange Lagerzeiten den Wettbewerb behindert und den Preis für Aluminium künstlich nach oben getrieben zu haben. Aluminiumbesitzer müssen heute statt sechs Wochen manchmal bis zu 16 Monate warten, bis sie ihr Leichtmetall endlich geliefert bekommen. In der Zwischenzeit kassieren die Lagerhausbetreiber weiter kräftig Miete. Der LME, die die Regeln für die Auslieferung festsetzt und die ein Prozent Gebühren auf alle Mieteinnahmen bekommt, wird vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen die Engpässe vorzugehen. Ihre Regeln würden von Goldman Sachs unterlaufen, indem Metalle einfach von einem Lagerhaus ins nächste transportiert und umgeschichtet würden, berichtet die „New York Times“. Die LME weist jede Schuld von sich, denkt aber darüber nach, ab April 2014 Lagerhäuser mit Lieferrückstand über 100 Tage zu einer zügigeren Auslieferung zu zwingen.

Noch übler ist der Verdacht, dass Banken als Lagerhausbetreiber Insiderwissen, etwa über bevorstehende Engpässe, für ihren Derivatehandel genutzt haben. Zwar sollen chinesische Mauern den Informationsfluss zwischen Lagergeschäft und Derivatehandel verhindern. Doch die Erfahrung zeigt, dass diese oft durchlässig sind.

Michael Overlander, Chef von Sucden Financial – einem auf Rohstoffe spezialisierten Brokerhaus in London, das zu den elf Unternehmen gehört, die direkt an der LME handeln dürfen –, hält die Vorwürfe gegen die Banken allerdings für aufgebauscht. „Die Warteschlangen könnten zu den höheren Aluminiumpreisen beigetragen haben, aber es ist schwierig, das mit Sicherheit zu behaupten. Viele Leute unterschätzen die internen Prozeduren, die die LME eingeführt hat, um eine zügige Auslieferung zu garantieren“, sagt er. Overlander ist der Ansicht, dass es viele unbewiesene „Verschwörungstheorien über eine absichtliche Verknappung“ gibt. Sollte die LME sich entschließen, die verschärften Regeln in Kraft zu setzen, so könnte dies die Warteschlangen verkürzen und im Gegenzug mittelfristig zu niedrigeren Aluminiumpreisen führen. Bei der LME heißt es, das Problem der übervollen Lager sei Folge der Finanzkrise, weil Investoren jetzt viel mehr physisches Material halten wollten als früher. Erste Maßnahmen gegen lange Lieferzeiten habe man aber schon 2010 eingeführt. Seither müssen die großen Lagerhäuser täglich mindestens 3000 Tonnen Aluminium ausliefern können. „Das Problem ist allerdings, dass hier viele Faktoren, etwa die Transportanbindung der Lager, eine Rolle spielen“, sagt eine LME-Sprecherin.

Die LME wurde 2012 von ihren Eigentümern – unter ihnen wiederum Goldman Sachs – an die Hongkonger Börse verkauft. Vor dem Kauf hatte deren Chef Charles Li erklärt, das Lagerhausproblem bereite ihm schlaflose Nächte, er werde dagegen eine „Dicke Bertha“ einsetzen. Bisher ist die allerdings noch nicht aufgetaucht.

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