Geht es nach den jüngsten Daten, ist die US-Wirtschaft nun wieder etwas stärker als erwartet. Sowohl Konsum, Dienstleistungen als auch Industrie sind stabil. Wenn man das in Relation zu den Schwächezeichen der vergangenen Wochen setzt, heißt das nicht, dass die US-Konjunktur einen neuen Trend einschlägt. Vielmehr sind solche gemischten Daten typisch für die derzeitige Grundrichtung: Insgesamt moderates Wachstum, das sich aufs Jahr gerechnet in einer Bandbreite zwischen einem und zwei Prozent abspielen sollte.
Im Grunde dürfte dies auch das Szenario sein, mit dem Fed-Chefin Janet Yellen rechnet. Seit Monaten wartet sie auf einen richtigen Zeitpunkt für die nächste Zinserhöhung. Wenn im November die Wahl gelaufen ist könnte, wenn keine Katastrophen dazwischen kommen und die Wirtschaft in ihrem Aufwärtstrend bleibt, eine leichte Anhebung der Leitzinsen erfolgen.
Wie sich das auf die Assetmärkte auswirken wird, ist umstritten. Bisher sind die Aktien- und Anleihemärkte ziemlich robust, haben sich also wahrscheinlich schon auf eine leichte Zinserhöhung eingestellt. Gut sichtbar ist dies an den zehnjährigen US-Renditen, die seit Juli wieder auf dem Rückmarsch sind und mittlerweile 1,73 Prozent erreicht haben. Die Renditen setzen damit ihre mittelfristige Abwärtsbewegung fort, die seit Anfang 2014 besteht.
Eine Zinserhöhung in den USA, wenn sie denn kommt, sollte nur behutsam ausfallen. Substanziell dürfte dies weder die Wirtschaft noch die Wertpapiermärkte abwürgen. Allerdings, als Yellen Ende 2015 die Zinsen zum ersten Mal anhob, kam es danach sehr wohl zu einem stärkeren Rückgang an den Börsen. Dies muss nach der nächsten möglichen Zinserhöhung nicht automatisch wieder der Fall sein, ist aber zumindest ein Warnsignal.
Stabiler Ölpreis trotz großem Angebot
Eine zentrale Rolle spielt dabei der Ölmarkt. Mit Notierungen von fast 53 Dollar sieht es hier immer mehr nach einer Wende aus. Hintergrund sind die erstmals seit acht Jahren beschlossenen Förderkürzungen der Opec und die zeitweise rückläufige US-Produktion. Allerdings, Skeptiker warnen, anstehende Daten der Internationalen Energie Agentur könnten belegen, dass der Angebotsüberschuss auf dem Ölmarkt nach wie vor groß ist – und der jüngste Preisanstieg nur ein Strohfeuer gewesen sei.
Es ist gut möglich, dass das Ölangebot weiter groß bleibt. Dieses Bild ergibt sich auch, wenn man sich die Produktion einzelner Förderer genauer ansieht. ConocoPhillips etwa, ein reiner Förderer, der seinen Downstream-Bereich schon vor Jahren verkauft hat, wird dank neuer Quellen seinen Ausstoß weiter erhöhen. Auch die Produktion aus Schiefergestein bleibt hoch, weil die Ölkonzerne ihre Gewinnschwelle in den vergangenen Monaten gesenkt haben – womit sich die Förderung zunehmend lohnt.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Andererseits ist der Ölpreis nicht nur das Resultat aus Produktion, Lagerdaten und Verbrauch, sondern es ist auch ein eminent politischer und psychologischer Markt. Und nachdem Öl im Zuge der internationalen Krisen von 115 Dollar auf weniger als 30 Dollar eine dramatische Baisse hinter sich hat, muss er jetzt nicht noch einmal unter den bisherigen Stabilisierungsbereich zwischen 40 und 50 Dollar rutschen. Andererseits wäre ein Anstieg über 52 Dollar auf dem Brent-Markt sogar ein starkes Kaufsignal, nach dem es in Richtung 70 Dollar gehen könnte. In den vergangenen zehn Jahren lag der durchschnittliche Ölpreis trotz enormer Schwankungen bei 85 Dollar. Also mit Notierungen um 50 Dollar befindet sich der Ölmarkt insgesamt tief im unterkühlten Bereich.
Für die Wertpapiermärkte ist Öl aus drei Gründen entscheidend.
Drei entscheidende Gründe für die Wertpapiermärkte
Erstens würde ein weiterer Anstieg dazu beitragen, dass sich Inflationstendenzen einstellen – das passt zu Yellens Linie der angestrebten moderaten Zinserhöhungen.
Zweitens würde dies den großen Ölproduzentenländern helfen – vor allem den USA, Russland und Saudi Arabien, deren Volkswirtschaften dies gut gebrauchen könnten.
Drittens hat das konkrete Folgen für einzelne Unternehmen und Aktien hierzulande. Sichtbar im Dax ist das besonders an BASF: Nachdem das Unternehmen den Gashandel an Partner Gazprom abgegeben hat und die Einnahmen aus dem Ölgeschäft preisbedingt rückläufig waren, werden Umsatz und Gewinn in diesem Jahr schwächer ausfallen. Andererseits könnte eine Erholung auf dem Ölmarkt BASF schnell die Wende ermöglichen. Immerhin rechnen die Ludwigshafener bisher für das zweite Halbjahr nur mit Ölnotierungen von etwas mehr als 40 Dollar – eine positive Überraschung ist durchaus möglich. Zudem werden sich langfristig die Einnahmen aus neuen Gasfeldern auszahlen, die BASF im Gegenzug von Gazprom bekommen hat. Auch auf dem Gasmarkt sind die Stabilisierungstendenzen unübersehbar.
Der Dax sieht besser aus als das Gesamtbild seiner Einzelwerte
Die Erholung von wichtigen Aktien wie BASF kommt dem Dax zugute. Dennoch, die Zahl der wirklich starken Einzelwerte ist überschaubar: Siemens und SAP haben in kurzfristigen Reaktionen nicht viel verloren, Überflieger Infineon steigt von Hoch zu Hoch. Die Fahrzeugwerte könnten Nachholbedarf haben, die zuletzt gemeldeten hohen Zulassungszahlen sind ein gutes Zeichen. Die Stabilisierung der Allianz über 130 Euro kommt voran, ein Anstieg über 140 Euro wäre ein Kaufsignal. Henkel und HeidelbergCement markieren starke Trends, könnten aber kurzfristig eine Pause einlegen.
Von den 30 Dax-Aktien notieren derzeit 16 oberhalb ihrer 200-Tage-Linie, 14 darunter. Diese leicht positive Quote von 53 Prozent signalisiert, dass der Gesamtmarkt unter mittelfristiger Perspektive ziemlich unentschieden ist. Vor allem ist dieses Bild der Einzelwerte derzeit sogar schwächer als das des Dax selbst, der immerhin fünf Prozent oberhalb seiner 200er-Linie verläuft, die zudem ihre Abwärtsbewegung beendet hat.
Für den Dax heißt das: Dank Branchenrotation kann sich der Gesamtmarkt weiter in der Korrektur halten, die seit Mitte August besteht. Für Oktober sollte hier die Bandbreite bei maximal 10.000 Punkten auf der Unterseite und 10.700 auf der Oberseite liegen. Dass kurzfristig ein Ausbruch nach oben erfolgt, ist angesichts der Unentschiedenheit der Einzelwerte wenig wahrscheinlich.
Sind dies andererseits womöglich Schwächezeichen im Vorfeld der US-Wahl und einer eventuellen Zinserhöhung im Dezember? – Anleger tun jedenfalls gut daran, trotz des im Gesamtmarkt bestehenden positiven Szenarios vorsichtig zu sein. Kurzfristig, in der nächsten Woche, sollte der Dax nicht unter 10.400 rutschen.