Aber nicht nur die EZB gerät mit ihrer Geldpolitik immer mehr zwischen die politischen Fronten. Auch in der Schweiz steht die Notenbank am Pranger. Am Sonntag entscheiden die Eidgenossen in einer Volksabstimmung über die Neuausrichtung des Mandats der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Stimmt landesweit (Volksmehr) und in mindestens der Hälfte der 26 Kantone (Ständemehr) die Mehrheit für die sogenannte „Goldinitiative“, dann darf die SNB in Zukunft kein Gold mehr verkaufen, muss sämtliche Goldreserven im eigenen Land verwahren und ist verpflichtet, stets mindestens 20 Prozent ihrer Aktiva in Gold vorzuhalten. Auch die Schweiz müsste dann Goldreserven, die heute Kanada und Großbritannien lagern, in die Heimat bringen.
Faktisch bedeutete ein „Ja“ der Schweizer zum Gold die Rückkehr zu einer teilweisen Golddeckung des Schweizer Franken. Was hierzulande kaum noch jemand weiß: Bis 1999 musste der Franken noch zu mindestens 40 Prozent mit Gold unterlegt sein. So stand es in der Verfassung. Weil die SNB ihre Goldbestände damals noch weit unter dem Marktwert bilanzierte, war der Franken faktisch gar voll durch Goldreserven gedeckt. Darum galt der Franken auch als sicherste Währung der Welt.
Doch die Goldmenge der Schweiz schmolz seit Aufgabe der Golddeckung von 2600 auf aktuell 1040 Tonnen zusammen. Diese Menge bilanzierte die SNB zuletzt mit 38,9 Milliarden Franken. Gemessen an ihrer Bilanzsumme von 522 Milliarden Franken liegt die Goldquote aktuell also bei etwa 7,5 Prozent. Sagen die Schweizer „Ja“, müsste die SNB also Gold für 65,5 Milliarden Franken kaufen. Das entspricht einer Goldmenge von 1500 Tonnen oder 57,3 Millionen Unzen und wären gut 58 Prozent des 2013 weltweit geförderten Goldes. Das ist kein Pappenstiel, selbst wenn der SNB für die Zukäufe fünf Jahre Zeit eingeräumt werden.
Seit dem 6. September 2011 darf der Euro zum Franken nicht mehr unter 1,20 Franken fallen. Diesen Mindestkurs verteidigt die SNB seither durch den Aufkauf von Euroanlagen. Mit einer Bilanzsumme, die inzwischen auf 82 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung angeschwollen ist, stellt die SNB alle anderen Notenbanken, die ebenfalls eine unorthodoxe Geldpolitik betreiben, weit in den Schatten. Selbst die „extremistische“ Bank of Japan bringt es nur auf etwas mehr als 40 Prozent des Wirtschaftsleistung.
Mit dem Mindestkursziel haben die Schweizer ihre Geldpolitik faktisch auf die EZB übertragen. Mit der Anbindung an den Euro hat die SNB den Franken über Nacht zu einem derivativen Instrument des Euro gemacht – ohne die Schweizer Bevölkerung zu fragen. Das Referendum am Sonntag holt das nach.
Die Schweiz ist ein Nettoimporteur von Waren und Dienstleistungen aus der Europäischen Union und verfügt nicht über ein ausreichend hohes Exportvolumen, um die negativen Auswirkungen der Bindung des Franken an den Euro auf die Kaufkraft der Bürger zu kompensieren. Die Kaufkraftverluste sind seit der Anbindung an den Euro gewaltig. In einer direkten Demokratie wie der Schweiz aber kann auch eine fehlgeleitete Geldpolitik gestoppt werden.
Die Initiative sei „brandgefährlich“ und ein „fataler Denkfehler“, stellten Politiker, aber auch SNB-Präsident Thomas Jordan fest. Doch selbst die SNB räumt ein, dass auch der Schweizer Franken in den vergangenen 100 Jahren etwa 90 Prozent seiner ursprünglichen Kaufkraft verloren hat. So gefährlich wie die eigene Notenbank kann die Goldinitiative für die Schweiz also nicht sein. Eine Erkenntnis, die sich auch in anderen Ländern durchsetzen könnte.