Vermögensmanagement Was Online-Anlageberatung wirklich taugt

Neue Internet-Anbieter versprechen Vermögensverwaltung übers Netz - bequem und provisionsfrei. Was die Offerten bieten, was sie kosten und für wen sie geeignet sind.

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Neue Online-Angebote wollen Anlegern den Weg zur Bank, langwierige Beratungsgespräche und hohe Kosten für die Vermögensberatung ersparen. Taugen die Angebote? Quelle: imago images

Es ist sein dritter Anlauf, die Finanzbranche zu revolutionieren. In den Neunzigern gründete der Bankierssohn Karl Matthäus Schmidt den Online-Broker Consors und gewöhnte die Deutschen daran, Aktiengeschäfte via Internet abzuwickeln. Zwölf Jahre später, im Jahr 2006, ging Schmidt mit der Berliner Quirin-Bank an den Start, die unabhängige Anlageberatung ohne Provisionen verspricht.

Jetzt führt der 44-jährige Schmidt beides zusammen – das Internet und provisionsfreie Empfehlungen: Mit der Quirin-Tochter quirion offeriert er seit einigen Monaten eine standardisierte Vermögensverwaltung – nur übers Internet, ganz ohne Beratungsgespräche.

Vertrauen verspielt

Es ist ein weiterer Angriff auf das Geschäftsmodell der etablierten Banken. Nachdem Internet-Start-ups in Bereichen wie Zahlungsverkehr und Kreditvergabe bereits Marktanteile ergattert haben, wollen neue Anbieter wie quirion, FinanceScout24 und easyfolio nun in die letzte Bastion der Geschäftsbanken und Sparkassen vordringen: die Vermögensverwaltung und Anlageberatung.

Welche Produkte sich aus Sicht der Deutschen am besten dazu eignen, um Vermögen aufzubauen

Das Credo der Finanz-Revoluzzer: Es geht auch ohne lästige und bürokratisch zu protokollierende Beratungsgespräche – billiger und mindestens genauso gut. Wirklich? Wir haben geprüft, wie die Angebote funktionieren, für wen sie geeignet sind und was die Empfehlungen taugen.

Keine Frage: Bei vielen Deutschen dürfte das Angebot der Angreifer, für das sich in den USA der Begriff „robo-advice“ etabliert hat, einen Nerv treffen. Deutschlands Banken haben Vertrauen verspielt; laut einer Studie der Uni Bochum halten nur 27 Prozent der Privatanleger Bankberater für „vertrauenswürdig“ (2008: 39 Prozent).

Vielen gelten Banker als provisionsgetriebene Verkäufer, die statt Aktien und einfacher Anleihen lieber teure Fonds oder Versicherungspolicen als gute Geldanlagen empfehlen. Bei quirion, heißt es dagegen in einem Video auf der Homepage, seien Anleger „sicher vor falschen Ratschlägen“. Denn: „Wir sind die Bank ohne Banker.“

Gewinnbringer der Vergangenheit

Das funktioniert wie folgt: Anleger geben auf der Homepage eine Zielrendite zwischen 3,4 und 8,1 Prozent an. Auf einen Klick sehen sie dann zwei Dinge: die empfohlene Vermögensaufteilung – insgesamt gibt es elf Musterportfolios – sowie den wahrscheinlichen Wertzuwachs bei guter, mittlerer und schlechter Kapitalmarktentwicklung. „Das ist extrem wichtig, damit Anleger das Risiko einschätzen können“, sagt Schmidt. Bei 5,2 Prozent Zielrendite bekämen Anleger demnach am Ende der empfohlenen Mindestlaufzeit von fünf Jahren bei schlechter Entwicklung zumindest ihr Geld zurück.

Das ist allerdings keine Garantie, sondern eine Prognose auf Basis historischer Kapitalmarktzahlen. Bei Börsencrashs zum falschen Zeitpunkt, das sollten Anleger wissen, drohen trotzdem Verluste – schließlich besteht das Portfolio nicht nur aus Anleihen, sondern zudem zu 30 Prozent aus Aktien, je abgedeckt über Indexfonds (siehe Grafik). Welche quirion hineinpackt, erfährt der Anleger erst, wenn er Kunde wird. Gekauft werden „Exchange Traded Funds“ (ETF), börsengehandelte Fonds, die die Entwicklung eines einzelnen Index abbilden, und andere Fonds. Aktienanteile werden abgedeckt etwa durch den Dimensional Global Targeted Value Funds und die ETFs UBS MSCI EMU sowie iShares MSCI Emerging Markets.

Das Anleiheportfolio bildet der Dimensional Global Short Fixed Income ab, außerdem packt quirion den Mischfonds db x-tracker Portfolio Total Return ins Depot. „Einige unserer Fonds sind speziell für institutionelle Investoren aufgelegt und bilden Körbe von mehreren Tausend Aktien ab“, sagt Schmidt. Das sorge für eine breitere Streuung. Darüber hinaus hätten die Papiere dieselben Vorteile wie normale ETFs: Anleger müssen keinen teuren Fondsmanager finanzieren und hätten zudem bessere Renditechancen.

Musterportfolios und ETFs ersetzen den Banker

Unabhängige Experten wie Andreas Zittlau, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Privacon in Bonn, bestätigen das. „In den vergangenen Jahren hat sich immer deutlicher gezeigt, dass es nur sehr wenigen Fondsmanagern mittel- und langfristig gelingt, den Markt zu schlagen“, sagt er. „Die Zahlen sprechen für Indexfonds-Lösungen.“

Bei den wenigen Perlen unter den aktiv gemanagten Fonds ist der Mehrertrag oft so überschaubar, dass er von den Nebenkosten wieder aufgefressen wird. Schließlich zahlen Anleger in der Regel bereits am Anfang drei bis fünf Prozent Ausgabeaufschlag. Hinzu kommen jährliche Ausgaben für Fondsmanagement und Verwaltung, die sich in der Regel auf ein bis zwei Prozent des investierten Geldes summieren. Bei Aktien- und Mischfonds sind zudem Gewinnbeteiligungen von 20 Prozent durchaus nicht unüblich.

Anbieter von ETFs kassieren deutlich weniger, im Schnitt erhalten sie beim quirion-Modell nur 0,43 Prozent pro Jahr. Ausgabeaufschläge oder Gewinnbeteiligungen gibt es keine. Weitere 0,38 Prozent pro Jahr zahlen Anleger an quirion selbst. Die Gesamtkosten von 0,81 Prozent pro Jahr werden auf der Homepage auch in Euro und Cent angezeigt.

Die quirion-Empfehlung: Schwerpunkt Anleihen (Für vollständige Ansicht bitte anklicken)

Aber bedeutet günstig auch gut? Vermögensverwalter Zittlau hält es zwar für ambitioniert, mit einer 69-prozentigen Anleihequote eine Rendite von 5,2 Prozent zu erzielen. Trotzdem sei die quirion-Empfehlung „solide“. Die Anlageklassen Aktien und Anleihen reichten in den meisten Fällen für ein ausgewogenes Portfolio, sagt Zittlau.

Investoren sollten lange durchhalten

Eines müsse Anlegern aber klar sein: „Sie dürfen nicht die Nerven verlieren und verkaufen, wenn die Aktienmärkte einbrechen.“ Solche Modelle seien nur sinnvoll, wenn Investoren „mindestens fünf Jahre“ durchhalten.

Das kann aber zwischenzeitlich schmerzhaft sein. Denn auch wenn die Börsen in einen mehrjährigen Abwärtsstrudel geraten, bleibt die Aktienquote im Beispielfall stabil bei 30 Prozent. Das liegt am regelmäßigen „Rebalancing“ von quirion: Sind die Aktien-ETF gesunken und haben dadurch einen niedrigeren Depotanteil als vorgesehen, wird nachgekauft, bis die Anfangsquote wieder erreicht ist.

„Das ist zwar prinzipiell sinnvoll, weil Anleger bei niedrigen Kursen stärker in Aktien investieren“, sagt Zittlau. Aber es könnten eben – trotz des stabilisierenden Anleiheanteils – zwischenzeitlich hohe Verluste auflaufen. Und wenn ängstliche Anleger dann aussteigen, war alles für die Katz.

Wie wohlhabende Deutsche ihr Geld anlegen

Auf ein ähnliches Konzept wie quirion setzt FinanceScout24, Teil der Scout24-Gruppe. Anleger wählen auf der Homepage managed-depot.financescout24.de, die seit März online ist, allerdings keine Zielrendite, sondern geben den Anlagezeitraum, ihre Risikobereitschaft und den Betrag ein. Wer 10.000 Euro für fünf Jahre mit moderatem Risiko anlegen will, bekommt als Empfehlung das Portfolio „Ich will streuen“ – eines von fünf „Managed Depots“, die FinanceScout24 anbietet (siehe Grafik) .

Anleihen kaufen die Scouts über ETFs auf den iBoxx Euro Sovereign Eurozone Index und den Barclays Capital Euro Corporate Bond Index, Aktien durch Papiere auf den MSCI World und den MSCI Emerging Markets Index sowie Rohstoffe durch einen ETF auf den Commodity ex-Agriculture EW Index.

Sinnvoller als Tagesgeld mit Magerzinsen

Die Gebühren sind für Kleinanleger höher als bei quirion – pro Jahr pauschal 1,25 Prozent des investierten Geldes. Wer mehr als 50.000 Euro anlegt, zahlt 1,0 Prozent; danach sinkt der Satz schrittweise bis auf 0,5 Prozent. Eine regelmäßige Anpassung der Quoten ist ebenfalls im Preis mit drin. Wenn wegen steigender Aktienkurse der Aktienanteil des Portfolios zum Beispiel von 45 auf 60 Prozent gestiegen ist, werden Aktien verkauft und Anleihen gekauft.

Auch dieses Portfolio hält Zittlau für solide, kritisiert aber die empfohlene Laufzeit von drei bis sieben Jahren. „Drei Jahre sind bei einer Aktienquote von 50 Prozent zu wenig“, meint er. Gerade angesichts aktuell starker Börsen müssten Anleger einkalkulieren, dass die Kurse in drei Jahren unter dem jetzigen Niveau liegen.

„Sie sollten notfalls länger auf ihr Geld verzichten können und auch hier mindestens fünf Jahre einplanen“, rät Zittlau. Dabei gelte die Regel: Je höher die Aktienquote, desto wichtiger ist ein langer Atem.

Erst Risiken absichern und Experten fragen

Wer schwache Nerven hat oder nicht lange auf sein Geld verzichten will, wird bei der neuen Online-Avantgarde aber ebenfalls fündig. Das ETF-Portfolio „Ich will’s defensiv“ von FinanceScout24 zum Beispiel enthält zu 90 Prozent Anleihen und zu zehn Prozent Aktien. Empfohlene Laufzeit ist ein bis drei Jahre, die Renditeprognose beträgt 3,7 Prozent.

Die FinanceScout24-Empfehlung: Rohstoffe beigemischt (Für eine vollständige Ansicht bitte anklicken)

Das ist immer noch weit mehr, als es derzeit für Tages- oder Festgeldkonten gibt – bei überschaubarem Zusatzrisiko. Auch mit Lebensversicherungen, die vergleichbar investieren, aber deutlich höhere Gebühren einsacken, kann das Angebot locker mithalten. Die standardisierte Online-Vermögensverwaltung über ETFs sei für alle geeignet, „die mittel- bis langfristig Geld anlegen wollen – zum Beispiel für die Altersvorsorge“, sagt FinanceScout24-Geschäftsführer Ralf Johnsen.

Doch Vorsicht: Wer zweifelt, ob er in Sachen Altersvorsorge das Richtige getan hat, sollte keine einsamen Anlageentscheidungen treffen, sondern zuvor einen Experten seines Vertrauens hinzuziehen. Das gilt insbesondere für Portfolios mit einem hohen Aktienanteil.

Anleger, die elementare finanzielle Risiken wie Berufsunfähigkeit abgedeckt haben und darüber hinaus für eine Einnahmebasis auch im hohen Alter vorgesorgt haben, finden bei quirion und FinanceScout24 dagegen für ihre zusätzlichen Reserven attraktive Angebote, die den Vergleich mit herkömmlicher Bank- und Vermögensberatung nicht zu scheuen brauchen. Und die allemal mehr Sinn machen, als Reserven über Jahre zu Magerzinsen auf dem Tagesgeldkonto zu bunkern.

"Ein Wachstumsthema"

Aber kann sich das Modell hierzulande etablieren? Quirion-Gründer Schmidt ist zuversichtlich. „Es gibt eine große Zahl von Anlegern, die selbst ihre Anlageentscheidungen treffen und von der Flexibilität digitaler Dienstleistungen profitieren wollen.“ Die ersten Zahlen von quirion seien vielversprechend, man habe ohne Werbekampagne einen siebenstelligen Betrag eingesammelt. Auch Johnsen von FinanceScout24 ist optimistisch. „Finanzen im Internet sind ein Wachstumsthema“, sagt er. Allerdings sind Schmidt und Johnsen nicht allein: Auch Vergleichsportale wie Check24 oder vorsorgekampagne.de buhlen um Kunden, die sparen wollen, aber keine Lust mehr auf Bankberater oder Versicherungsvertreter haben. Angeboten werden sogar Konzepte für komplexere Produkte wie die Riester-Rente.

Die etablierten Finanzhäuser tun sich dagegen schwer bei Online-Angeboten zu Geldanlage und Vermögensverwaltung, sagt Alfons Niebuer, Partner der Unternehmensberatung SMP in Düsseldorf. „Das ist für die Branche ein schwieriges Thema.“

Kein Wunder: Wenn Kunden ihr Geld ohne Beratungsgespräch via Internet anlegen, lassen sich hohe Provisionen nicht mehr rechtfertigen.

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