In der Wirtschaft wird regelmäßig eine „Konzentration auf die Kernkompetenzen“ gefordert. Jedes Unternehmen soll sich demnach auf solche Aktivitäten konzentrieren, die es am besten beherrscht. Dieser Richtschnur sollten aber nicht nur Unternehmer, sondern auch Privatleute folgen. Jeder ist gut beraten vorzugsweise solche Dinge zu tun, die er oder sie am besten kann. Der Volksmund bringt dieses Prinzip bereits seit Langem mit dem Spruch „Schuster bleib bei Deinen Leisten“ auf den Punkt.
Zur Person
Prof. Dr. Raimond Maurer ist Inhaber des Lehrstuhls für Investment, Portfolio Management und Alterssicherung an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Portfolio- und Risikomanagement privater und institutioneller Investoren sowie der kapitalgedeckten Alterssicherung. Daneben ist er unter anderem Akademischer Leiter des Programms zum Certified International Investment Analyst (CIIA) beim Analystenverband DVFA und engagiert sich in verschiedenen Vereinigungen der Finanzbranche. An der Goethe Universität wirkt Maurer als Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften sowie als Mitglied im akademischen Senat.
Finanzdienstleister auf Gegenkurs
Viele Banken und Versicherungen machen es allerdings ihren Kunden bei Finanzentscheidungen nicht leicht, dieser Erkenntnis zu folgen. Denn zahlreiche Finanzprodukte sind für Ottonormalsparer schwer verständlich. Bereits die Namen vieler Produkte sind mit angelsächsischen Akronymen gespickt. Und auch der Cocktail aus Marketing- und Juristendeutsch der Prospekte und Verkaufsunterlagen ist für Laien oftmals wenig bekömmlich.
Zugleich beklagt die Finanzindustrie regelmäßig ein Wissensdefizit vieler Kunden. Die Menschen müssten sich mit Finanzfragen eben stärker beschäftigen, so die Forderung. Und in der Tat ist es verwunderlich, wenn viele Menschen die Testberichte zu Kaffeemaschinen oder Bügeleisen aufmerksamer studieren als die Prospekte von Finanzprodukten. Bei der Kaffeemaschine stehen zumeist nur 100 bis 200 Euro im Feuer, während die Nachteile aus dem Erwerb eines ungeeigneten Finanzprodukts einige tausend Euro davon ausmachen können.
Eigene Arbeitskraft als wertvollstes Asset
Und dennoch: Es ist für normale Menschen sehr sinnvoll, der Anlage der Ersparnisse nur begrenzte Aufmerksamkeit zu schenken. Denn auch der normale Kunde einer Bank ist nicht hauptberuflich „Anleger“ sondern vor allem Metzger, Bäcker oder IT-Techniker. Das wertvollste Gut all dieser Menschen ist ihr berufliches Know-how. Und es ist überaus rational, wenn Ottonormalanleger vorzugsweise in seine Arbeitskraft investiert als sich mit den Details der Finanzmärkte und den Angeboten der verschiedenen Finanzdienstleister zu befassen. Es ist beispielsweise sehr vernünftig, wenn junge Leute, die ohnehin nur wenige Ersparnisse haben, sich auf Ausbildung und Studium und nicht auf die Optimierung der Renditen ihrer wenigen Ersparnisse konzentrieren.
Und auch Berufstätige sind gut beraten, sich auf die Qualität der eigenen Arbeit zu fokussieren und weiterzubilden. Denn mit guten Leistungen optimieren sie die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes oder verbessern die Chance auf eine Beförderung. Sie sichern damit den laufenden „Cash-flow“ aus der Lohntüte und erhöhen die Chancen auf Gehaltssteigerungen.
Entscheidungsbedarf an den Weggabelungen des Lebens
Denn bei Entscheidungen für die ein Finanzprofi nur fünf Minuten braucht, benötigen die meisten Menschen einige Stunden oder sogar mehrere Tage. Statt sich laufend mit der Optimierung der Finanzanlagen zu beschäftigen, sollten normale Anleger sich in der produktiven Phase ihres Lebens auf ihre beruflichen Kernkompetenzen konzentrieren. Und wenn sie bei Finanzfragen nicht mehr weiter wissen, sollten sie einen Berater hinzuziehen. Dann aber einen guten!
Entscheidungen zu Finanzfragen stehen typischerweise dann an, wenn sich die persönlichen Verhältnisse grundlegend ändern, sei es der Beginn der Berufstätigkeit eine Heirat oder eine Trennung. Dann sollten die Anleger die Finanzentscheidungen sehr sorgsam treffen und dabei auch kompetente Beratung in Anspruch nehmen. Denn viele Menschen tendieren dazu, eine einmal gewählte Vermögensstruktur über längere Zeiträume beizubehalten. Finanzentscheidungsbedarf besteht zumeist typischerweise beim Start in eine der drei Lebensphasen.
Erstens: Nach der Ausbildung also zum Beginn der Berufstätigkeit gilt es, sich für ein passendes Sparprodukt und sinnvolle Versicherungen zu entscheiden.
Zweitens: Steht die Gründung einer Familie und der Kauf einer Immobilie an sollten die Ersparnisse neu gewichtet und die Finanzierung der Immobilie gestaltet werden.
Drittens: Nach dem Ende des aktiven Berufslebens sind die angelegten Ersparnisse neu zu gewichten und auf den laufenden Finanzbedarf während des Ruhestands auszurichten.
Aber auch die Finanzindustrie sollte aktiv werden. Geeignete Standardprodukte für die Anspar- und Entnahmephase könnten helfen, die durchaus rationale Untätigkeit vieler Bürger in Finanzfragen zu überwinden und beispielsweise für eine weitere Verbreitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu nutzen.