Tatsächlich leben laut IW nur 15 der 80 Millionen Bundesbürger in Regionen, in denen aufgrund einer steigenden Nachfrage das Wohnen in den vergangenen Jahren teurer geworden ist. Den größten Zuwachs hätten den Prognosen dabei nicht etwa Berlin oder Hamburg, sondern der Speckgürtel im Münchner Umland - also Erding, Ebersberg, Dachau und Freising. Dort könne die Nachfrage nach Wohnraum bis 2030 um bis zu 35,3 Prozent steigen. Den fünftstärksten Zuwachs verzeichnet München selbst.
In 240 der insgesamt 402 Landkreise und kreisfreien Städte dürfte jedoch die Nachfrage nach Wohnraum bis zum Jahr 2030 eher zurückgehen. Selbst unter den optimistischen Annahmen, dass jährlich 200.000 Menschen zuwandern und der Pro-Kopf-Bedarf nach Wohnraum steigt, wäre spätestens 2050 der Zenit überschritten und das Angebot würde die Nachfrage nach Wohnraum deutschlandweit übertreffen. Leerstehende Wohnungen wären dann nicht mehr nur ein Phänomen in strukturschwachen Dörfern auf dem Land, sondern wären außerhalb der Metropolen und ihrem direkten Umland ein flächendeckendes, nahezu überall anzutreffendes Problem. So manche Kommune hat bereits mit dem Rückbau der Wohnkapazitäten begonnen.
Die Verliererregionen im deutschen Wohnungsmarkt
Am stärksten wäre aller Voraussicht nach Ostdeutschland vom zunehmenden Leerstand betroffen. Laut IW könnte dort 2030 schon ein Fünftel der Wohnungen überflüssig sein. Doch auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen könnten einzelne Kreise und Städte vor großen Herausforderungen stehen. Am härtesten träfe es Regionen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg.
Davon ausgehend, dass die Pro-Kopf-Nachfrage nach Wohnraum unverändert bleibt, sind die folgenden Landkreise bundesweit am stärksten von Landflucht und Bewohnerschwund betroffen:
Landkreise mit dramatischem Bevölkerungsschwund
Bevölkerung 2011: 147.900 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 20301: 23,5 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,8 Prozent
1Prognose bei konstanter Pro-Kopf-Wohnfläche
Quelle: IW Köln, 5.9.2013
Bevölkerung 2011: 96.700 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 22,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 12,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 37.000 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 22,6 Prozent
Leerstandsquote 2011: 8,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 205.500 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 21,9 Prozent
Leerstandsquote 2011: 10,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 172.100 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 21,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 9,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 117.900 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,7 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,4 Prozent
Bevölkerung 2011: 86.000 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,4 Prozent
Leerstandsquote 2011: 14,0 Prozent
Bevölkerung 2011: 110.200 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,2 Prozent
Leerstandsquote 2011: 7,2 Prozent
Bevölkerung 2011: 189.700 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,0 Prozent
Leerstandsquote 2011: 10,1 Prozent
Bevölkerung 2011: 113.300 Einwohner
Nachfragerückgang nach Wohnflächen bis 2030: 20,0 Prozent
Leerstandsquote 2011: 6,6 Prozent
Das Institut malt ein düsteres Bild: Leerstand und verlassene Gebäude könnten zu Vandalismus und Verwahrlosung in den betroffenen Regionen führen. Dies könne eine Abwärtsspirale auslösen und ganze Stadtviertel unattraktiv machen, sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer und nannte als weltweit bekanntestes Beispiel Detroit. Die amerikanische Großstadt rutschte mit dem Niedergang der Automobilindustrie in die Pleite und verwahrloste zunehmend.
Besonders bitter ist der drohende Leerstand auch für Immobilienbesitzer, die Haus und Wohnung als Teil ihrer Altersvorsorge oder mögliche Erbschaft für ihre Nachkommen betrachten. Durch Leerstände können die Immobilienpreise und Mieten teilweise dramatisch sinken. In Ostdeutschland etwa gibt es bereits Kommunen, in denen die Immobilienpreise innerhalb von nur drei Jahren um bis zu zwei Drittel eingebrochen sind. Wer dort ein Haus verkaufen möchte, kann die nur unter hohen Verlusten. Der Umzug in eine Wohnung in den Boomregionen ist jedoch teuer. Somit bleibt vielen nur, die eigene Immobilie selbst zu nutzen. Kommunen und schrumpfende Städte müssten den demografischen Wandel akzeptieren und dürften nicht versuchen, mit neuen Gewerbe- und Wohngebieten gegenzusteuern, empfiehlt das IW Köln. Vielmehr sollten die Gemeinden bestehende Immobilien aufwerten, sagte Voigtländer. Das aber bedeutet, dass die Abrissbirnen noch mehr zu tun bekommen. In den gefragten Metropolen wie Hamburg, München, Berlin, Köln oder Frankfurt hingegen, kommt man mit Erschließung neuen Wohnraums nicht mehr nach. Dort werden die Immobilienpreise ohne Gegensteuerung der Politik langfristig weiter steigen.
Mit Material von dpa und reuters.