Rentnerparadies Florida Wie reiche Rentner verarmen

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Anteil der Alten an der US-Bevölkerung

Offiziell als arm gilt jemand in Florida erst, wenn er jährlich weniger als 13.535 Dollar verdient oder an Renten- und Sozialbezügen erhält. Ein zweiköpfiger Haushalt wird als hilfsbedürftig eingestuft, wenn das gemeinsame Einkommen des Paares im Jahr 18.212 Dollar nicht übersteigt. Derzeit sind 2,2 Millionen Menschen im Sunshine State arm – knapp zwölf Prozent der Bevölkerung. Und ein Zehntel der Senioren lebt sogar in extremer Armut.

Immer häufiger klopfen bei Randal auch Rentner an, die sich eigentlich längst ins geruhsame Nichtstun verabschiedet hatten. „Bei vielen ist die private Betriebspension wegen des Börsencrashs auf ein Minimum geschrumpft“, berichtet Randal. „Und von der staatlichen Social-Security-Rente allein kann kaum jemand leben.“ Ihnen vermittelt der AARP-Mann Ausbildungsplätze und Teilzeitjobs für 18 Stunden die Woche. Den Minimallohn – 5,25 Dollar – bezahlt das Arbeitsministerium, AARP legt 1,96 Dollar drauf. Nach drei bis sechs Monaten spätestens soll der betagte Azubi im Privatsektor unterkommen, damit der Platz frei wird für den nächsten. Die Chancen für die Oldies stehen nicht einmal schlecht: In den USA ist Job-Diskriminierung aufgrund des Alters verboten. Und manche Unternehmen wie etwa die Supermarktkette Publix setzen gezielt auf betagtere Aushilfskräfte, weil diese zeitlich flexibler sind. „Unser ältester Mitarbeiter ist derzeit 94 Jahre alt“, sagt Maria Brous, Pressesprecherin von Publix.

Einstellung zur Arbeit wird neu definiert

Arbeitsvermittler Randal hat früh gespürt, dass der wirtschaftliche Abschwung diesmal klassenübergreifend ist. „Zum ersten Mal seit 1991 fiel im vergangenen Jahr das Realeinkommen mittelständischer Haushalte“, sagt er. Immer mehr Amerikaner im arbeitsfähigen Alter und deren Kinder verlieren ihre Krankenversicherung, weil sie diese nicht mehr bezahlen können – unweigerlich setzt sich eine Abwärtsspirale aus dem Verlust persönlichen Wohlstands und dem Verlust sozialer Sicherheit in Gang. Betroffen sind nicht nur ethnische Minderheiten wie Lateinamerikaner oder Schwarze. Floridas Armut ist ein Problem der weißen Mittelklasse geworden, besonders betroffen sind ältere Menschen. Der Kursverlust an den Börsen zwingt viele Betagte nun, trotz Ruhestand wieder zu arbeiten, die Pensionierung zu verschieben oder ihren Lebensstil drastisch zu ändern.

Manche finden das nicht einmal bedenklich: Schon vor der Krise hätten ältere Babyboomer ihre Einstellung zur Arbeit neu definiert, glaubt Jeff Taylor, Präsident der Babyboomer-Online-Community Eons.com. Anders als ihre Eltern oder Großeltern empfänden Menschen im Pensionsalter heute den Übergang in den Ruhestand nicht mehr als „endgültig“. Statt im Schaukelstuhl zu sitzen, verdiene man sich bei Wal-Mart halt noch ein paar Dollar hinzu. Angesichts von gebrechlichen 80-Jährigen, die im Supermarkt schuften müssen, um sich abends eine warme Mahlzeit erlauben zu können, klingt das freilich zynisch.

Im Zahlungsverzug bei Hypotheken

Und arbeiten kann nur, wer noch einigermaßen gesund ist. Betty Kellogs eine 71-jährige Witwe in Saratoga, erholt sich gerade von einer Krebsoperation. Ihr Problem: Wegen der hohen Krankheitskosten kommt sie jetzt mit den Hypothekenzahlungen für ihr Haus nicht mehr nach, ihr droht die Zwangsvollstreckung. „Die Hypothekenbanken haben uns Alten in den vergangenen Jahren Finanzierungen aufgeschwatzt, die für uns überhaupt nicht bezahlbar sind“, schimpft die Rentnerin. Ende September waren 10,4 Prozent aller Immobilienschuldner in Florida mehr als 90 Tage im Zahlungsverzug oder es lief gegen sie bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren – so viele, wie nirgendwo sonst in den USA und mehr als doppelt so viele wie im Landesdurchschnitt. Betty Kellogs will alles versuchen, um finanziell über Wasser zu bleiben. Denn das Schicksal vieler ihrer Altersgenossen will sie nicht teilen: „Die wohnen jetzt in ihren Autos.“

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