Dies ist der heikelste Text meiner journalistischen Laufbahn. Zwei Mal in Folge habe ich das Bundesliga-Tippspiel in der WirtschaftsWoche-Redaktion gewonnen. Für 10 Euro Einsatz bekam ich jeweils knapp 120 Euro ausgezahlt. Ein Plus von 1100 Prozent pro Jahr. So viel Rendite versprechen sonst nur Anlagebetrüger. Und den Gewinn gibt es sogar steuerfrei.
Prinzipiell würden die Gewinne aus Tippspielen zwar zu "sonstigen Einkünften" zählen, sagt Alexander Kimmerle, Steuerberater bei Ecovis in Kempten. "Damit die zu versteuern sind, muss es aber eine Tätigkeit mit Einnahmeerzielungsabsicht geben." Davon sei bei Tippspielen und Lotterien nicht auszugehen, da die Gewinnchance viel zu gering sei. Anders sehe es etwa bei Berufspokerspielern aus.
Soweit, so gut! Doch in der nun startenden Saison 2013/2014 könnte es mit meinem Triple-Tippspiel-Sieg schwer werden. Spätestens nach diesem Text kennen auch die Kollegen meine Strategie und können sie abkupfern. Das hat einen Vorteil: Sollte es nicht zum dritten Mal klappen, habe ich schon eine Erklärung parat.
Eins vorweg: Mit Fußball-Sachverstand hat ein Tippspiel-Sieg kaum zu tun. Ich jedenfalls verfolge die Bundesliga zwar, schaue aber nicht jede Woche Sportschau. Vielleicht liegt mein moderates Interesse auch daran, dass mein Lieblingsclub, der Hamburger Sport-Verein, zuletzt nur mäßig Lust auf Fußball gemacht hat.
Das klassische Fußball-Tippspiel funktioniert immer ähnlich: Punkte gibt es bei richtig getippter Tendenz (Heimsieg, Unentschieden, Auswärtssieg). Im WiWo-internen Tippspiel sind das 2 Punkte. Einen Punktaufschlag bekommt ein Spieler, wenn die Tordifferenz stimmt (also zum Beispiel ein 2:1 Tipp bei einem 1:0 Ergebnis, bei der WiWo gibt es dafür 3 Punkte) oder das Ergebnis sogar exakt richtig getippt wurde (in der Redaktion 4 Punkte).
Insgesamt gibt es pro Saison 306 normale Partien - alle 18 Bundesliga-Teams spielen gegen ihre 17 Gegner. Einmal zu Hause, einmal auswärts. Dazu kommen noch zwei Relegationsspiele, in denen zum Saisonende der 16. der Erstliga-Tabelle gegen den 3. der Zweitliga-Tabelle spielt. Allein die Anzahl der möglichen Spielausgänge in der regulären Spielzeit ist also extrem groß (308 Spiele à drei Möglichkeiten, also 924 Optionen).
Die Wahrscheinlichkeit die Tendenz aller Spiele immer richtig zu tippen, ist natürlich unendlich klein (zumindest wenn man von rein zufälligen Spielausgängen ausgeht). Das schafft niemand - brauchen Sie als künftiger Tippspielsieger auch nicht.
Tatsächlich kann ein Blick in die Statistiken helfen. Seit Start der Bundesliga 1963 endete etwa jedes zweite Spiel mit einem Heimsieg. Das ist also rein statistisch der wahrscheinlichste Spielausgang. Ein 2:1 ist hier das am häufigsten exakt aufgetretene Ergebnis, allerdings endeten weniger als 10 Prozent der Spiele so. In der vergangenen Saison waren es 8,5 Prozent der Spiele. Bei den exakten Ergebnissen ist ein 1:1 der häufigste Spielausgang. So endete seit 1963 etwa jedes zehnte Spiel. In der vergangenen Saison waren es sogar 12 Prozent der Partien.
In den meisten Tippspielen bietet ein Unentschieden einen weiteren Vorteil: Gibt es für die richtig getippte Tordifferenz einen Punktaufschlag, hat man den bei einem Unentschieden-Tipp und einem tatsächlich mit Unentschieden beendeten Spiel sicher. Schließlich ist die Tordifferenz in diesem Fall immer gleich null.
Entscheidend ist nun, wie man diese Statistik in eine Tippspiel-Strategie übersetzt. Ein Ansatz: Für das exakt richtig getippte Ergebnis gibt es am meisten Punkte. Also könnte der Tipper alle Spiele mit 1:1 tippen, dem langfristig wahrscheinlichsten Ergebnis. In der vergangenen Saison inklusive Relegation hätte die Strategie nach unserer Redaktions-Zählweise 271 Punkte gebracht (also 4 Punkte für alle richtigen 1:1-Tipps, 3 Punkte für alle richtigen Unentschieden-Tipps mit anderem Torergebnis).
Statistischen Häufigkeiten intelligent nutzen
Aber ein Heimsieg ist ja eigentlich der häufigste Spielausgang. Neuer Ansatz: Immer auf Heimsieg tippen, immer 2:1. Nach WiWo-Zählweise hätte diese Strategie vergangene Saison immerhin 342 Punkte gebracht, wäre dem ständigen 1:1-Tipp also deutlich überlegen gewesen. Schließlich hätten auch alle Heimsiege mit anderem Ergebnis Punkte gebracht.
Aber Vorsicht: Mit den immer gleichen Tipps verprellen Spieler vermutlich die Mittipper. Solche Strategien sind zu simpel, durchschaubar und damit auch leicht kopierbar. Wer sich nicht extrem unbeliebt machen will, sollte diese Ideen sofort verwerfen. In einigen Spielrunden sind solche immer gleichen Tipps sowieso verboten.
Eine echte Sieger-Strategie sieht anders aus. Sie muss die statistischen Häufigkeiten intelligent nutzen, ohne dass das sofort erkennbar ist. Konkret: Wettanbieter (wie Bwin oder MyBet) weisen für jedes Bundesliga-Spiel die Quoten aus. Je höher die Quote für eine Mannschaft, desto unwahrscheinlicher, dass sie gewinnt. Die Wettanbieter haben ein Interesse daran, alle verfügbaren Informationen zu berücksichtigen. Sonst würden sie schnell finanzielle Probleme bekommen. Sie müssen also besser informiert sein, als es ein mäßig interessierter Tippspieler je sein kann. In vielen Online-Tippspielangeboten werden die Quoten sogar bei der Tippabgabe zur Info angezeigt.
Meine Strategie sieht daher ungefähr so aus: Weisen die Wettanbieter die Heimmannschaft als klaren, aber nicht extrem klaren Favoriten aus, tippe ich ein 2:1 auf die Heimmannschaft. Ein solches Spiel wäre an diesem Wochenende zum Beispiel Hertha BSC Berlin gegen Eintracht Frankfurt. Ist die Heimmannschaft extremer Favorit, tippe ich eine noch höhere Tordifferenz. Das kommt zum Beispiel beim heutigen Auftaktspiel FC Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach infrage, also zum Beispiel 2:0, 3:1 oder 4:1. Liegen die Quoten eng beieinander oder ist die Auswärtsmannschaft knapper Favorit, tippe ich ein 1:1. Nur wenn die Auswärtsmannschaft deutlich als Favorit gesehen wird, tippe ich auf das Auswärtsteam. In der Regel dann auch ein 1:2 (was knapp wahrscheinlicher als ein 0:1 ist). Bei extremen Auswärtsfavoriten sind auch hier wieder höhere Tordifferenzen möglich.
Dazu kommt noch ein psychologischer Kniff. Kollegen sprechen vom emotionalen Hedging, also einer Absicherung, die es sonst nur an der Börse gibt. In der Regel tippe ich gegen mein Lieblingsteam, also den HSV. Denn so kann ich sicher sein: Gewinnen die Rothosen, freue ich mich darüber. Verlieren sie, habe ich zumindest ein paar Punkte bekommen. Spötter in der Redaktion vermuten deshalb, dass allein die durchwachsene Saisonbilanz der Hanseaten mir meine beiden Gesamtsiege im Tippspiel eingebracht hätte. Das ist natürlich Unsinn. Und bei einigen Spielen, etwa gegen Bremen, bringe ich den Anti-HSV-Tipp eh nicht übers Herz.
Hier also meine Tipps für den ersten Bundesliga-Spieltag nach statistischen Erwägungen:
München | Gladbach | 4:1 |
Augsburg | Dortmund | 1:3 |
Hertha | Frankfurt | 2:1 |
Hoffenheim | Nürnberg | 2:1 |
Leverkusen | Freiburg | 2:0 |
Hannover | Wolfsburg | 1:1 |
Braunschweig | Bremen | 1:1 |
Mainz | Stuttgart | 1:1 |
Schalke | Hamburg | 2:0 |
Zum Schluss muss ich gestehen: So richtig halte ich mich an diese strategischen Ansätze in der Praxis nicht. Ein wenig Bauchgefühl ist natürlich dabei, sonst macht das Tippspiel ja keinen Spaß.