Schufa "Alle 30 Sekunden wird eine Identität gestohlen“

Die Auskunftei Schufa feiert ihren 90. Geburtstag und zugleich ihr erfolgreichstes Geschäftsjahr. Vorstandschef Michael Freytag über Vorurteile, Privatkunden, Identitätsdiebstahl und Besuche im Silicon Valley.

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Schufa: Identitätsdiebstahl im Internet bereitet große Probleme. Quelle: dpa Picture-Alliance

1927 hatte der Berliner Stromversorger BEWAG die Idee, aus der Zahlungsmoral seiner Kunden Rückschlüsse auf deren Kreditwürdigkeit zu ziehen – die Bonitätsauskunft war geboren. Heute ist die Schufa-Auskunft bei Kontoeröffnungen, Miet- und Handyverträgen Standard. Die Schufa kennt 67,2 Millionen geschäftsfähige Erwachsene und 5,3 Millionen Unternehmen in Deutschland. Sie bearbeitet 380.000 Anfragen täglich und setzte 2016 rund 164 Millionen Euro um.

WirtschaftsWoche Online: Herr Freytag, Verbraucher fürchten einen negativen Schufa-Eintrag, weil sie dann ihren­ Handyvertrag oder Kredit nicht bekommen. Bremst die Schufa die Wirtschaft?
Herr Michael Freytag: Nein, im Gegenteil, wir stärken die Wirtschaft. Zu über 90 Prozent der Personen liegen nur positive Daten vor, und wir ermöglichen schnelle und sichere Geschäfte. Der private Konsum macht mehr als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus und ist zu einem großen Teil kreditfinanziert. Jeder zweite Neuwagen etwa wird auf Kredit gekauft oder geleast. Ein funktionierendes Kreditsystem ist für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes Deutschland unerlässlich. Davon profitieren Unternehmen, Verbraucher und auch der Staat, der über jedes verkaufte Produkt regelmäßig 19 Prozent Mehrwertsteuer einnimmt. Wir prognostizieren, ob ein Kredit zurückgezahlt wird. Seit zehn Jahren liegt die Rückzahlungsquote um die 97,6 Prozent, obwohl die Anzahl der Kredite deutlich zugenommen hat. Das zeigt, wie präzise unsere Bonitätsvorhersagen sind.

Michael Freytag ist seit 2010 Vorstandschef der Schufa Holding. Zuvor war er zehn Jahre bei der Deutschen Bank tätig und später Senator der Hansestadt Hamburg sowie Mitglied des Bundesrates.

Über 90 Prozent der deutschen Banken nutzen und liefern Schufa-Daten. Welche Geschäfte machen Sie mit anderen Branchen?
Bei Banken, Telefonanbietern, gewerblichen Vermietern sowie Inkassounternehmen sind wir Marktführer, bei Handel und Versicherungen nicht, wachsen hier aber stark. Vor allem der Online-Handel braucht immer öfter Auskünfte zu Bonität, Korrektheit der Adresse oder Volljährigkeit, etwa im Rahmen des Jugendschutzes. Aber auch im stationären Handel ist die Schufa gefordert. 

Was liefern Sie hier?
Bei EC-Kartenzahlung müssen Sie eine Lastschrift unterschreiben oder Ihre PIN eingeben. Eine Lastschrift kann zurückgebucht werden, die PIN ist daher für den Händler sicherer, aber auch teurer. Viele Händler bevorzugen die kostengünstigeren Lastschriften, wollen aber wissen, wie vertrauenswürdig ein Kunde ist. Hierfür nutzen die Zahlungsdienstleister unsere Informationen. 

Wie Sie herausfinden, was Auskunfteien über Sie speichern

Wenn ich für 50 Euro an der Kasse eine PIN eingeben muss und beim Kunden nach mir dafür eine Unterschrift reicht, heißt das, er ist zahlungsfähiger?
Das kann so sein. Wir liefern aber nur die Daten. Wie sie interpretiert werden, ist Sache des Kunden, in diesem Fall also des Einzelhändlers.

Die Schufa hat 2016 ihren Umsatz um mehr als zehn Prozent und ihre Ebit-Marge auf 20 Prozent gesteigert. Woher kommt der Schub?
Wir wachsen im Kerngeschäft mit Banken sowie im Online-Handel und im Privatkundengeschäft. Die beliebteste Bezahlmethode im E-Commerce ist der Kauf auf Rechnung. Das ist ein Warenkreditgeschäft, der Kunde erhält die Ware sofort und zahlt erst später. Für den Händler ist das umsatzsteigernd, aber ein Risiko. Er muss wissen, ob der Kunde real existiert und seine Rechnungen bezahlt – und das rund um die Uhr und sekundenschnell. 

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