Steuern und Recht kompakt Der Rechtstipp der Woche: Totalverlust droht

Wenn Anlegern der Totalverlust ihres Kapitals droht, muss geprüft werden, ob die Beratung ordnungsgemäß erfolgt ist. Außerdem gibt es Neues zu Scheingewinnen, Steuervergünstigungen bei betrieblichen Verlusten und Abfindungen.

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The Gherkin in London steht zum Verkauf Quelle: dpa

Der Büroturm The Gherkin (die Gurke) in London steht derzeit zum Verkauf. 2007 hatte der geschlossene Immobilienfonds IVG Euroselect 14 den Kauf der Gurke mitfinanziert. Nun droht den Anlegern ein Totalverlust, weil die finanziellen Lasten der Fondsbeteiligung höher sind als deren Wert. Anlegeranwälte versuchen, das Geld bei den beratenden Banken, vor allem Deutsche Bank und Commerzbank (damals verkaufte die von der Coba übernommene Dresdner Bank Fonds), einzutreiben. Offiziell sagt die Deutsche Bank dazu: „Bei möglichen Beschwerden von Kunden prüfen wir in jedem Einzelfall, ob zum Zeitpunkt der Zeichnung die Beratung wie vorgeschrieben anleger- und anlagegerecht erfolgte.“

Anwälte mehrerer Kanzleien versprechen den Anlegern, bis zu 100 Prozent des investierten Kapitals wieder hereinzuholen. Ob eine Klage gegen eine der beiden Banken Erfolg haben wird, hängt vom Einzelfall ab.

Falschberatung

Die Banken haften bei folgenden Szenarien:

Altersvorsorge: Die Anleger wollten eine sichere Altersvorsorge und bekamen stattdessen eine unternehmerische Beteiligung. In diesem Fall wäre ein geschlossener Fonds nicht anlegergerecht gewesen.

Prospektübergabe: Der Prospekt wurde erst am Tag, an dem der Anleger zeichnete, oder danach übergeben. Es blieb zu wenig Zeit, sich ein Bild vom Investment zu machen.

Fehlende Aufklärung: Die Berater haben unzureichend über Risiken aufgeklärt, beispielsweise Währungsverluste, sinkende Immobilienpreise oder schwankende Mieteinnahmen. „Die Bank kann sich nicht darauf berufen, der Anleger hätte den Prospekt lesen müssen, sondern der Anleger darf sich auf die Aussagen des Beraters verlassen“, sagt Nicole Mutschke, Anwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht in Düsseldorf.

Dass die Bank falsch beraten hat, muss der Anleger jedoch erst beweisen. Entweder über ein Beratungsprotokoll oder einen Zeugen, der beim Termin bei der Bank dabei war. Fehlt beides, steht Aussage gegen Aussage.

Wie das Investment bei The Gherkin scheiterte

Anlegerwissen

„Gerichte werden bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, wie viel Erfahrung die Anleger bereits mit geschlossenen Fonds gemacht haben und wie groß ihr Finanzwissen im Allgemeinen ist“, sagt Andreas Yoon, Rechtsanwalt der Kanzlei Baum Reiter & Collegen in Düsseldorf. Je besser die Bankkunden im Thema seien, desto geringer sei ihr Bedarf an Aufklärung im Beratungsgespräch.

Verschwiegene Provision

Einzelne Banken sollen von der IVG eine Rückvergütung für den Verkauf von Fondsanteilen erhalten haben. Die Bankberater hätten darüber aufklären müssen. Allerdings haftet die Bank nur, wenn es sich um eine Rückvergütung aus Fondsgebühren handelt und nicht um eine zusätzliche Provision, die aus Anlegergeldern abgezweigt wurde. Über zusätzliche Provisionen müssen die Berater laut Gesetz erst seit August dieses Jahres aufklären.

Prospektfehler

Der Fondsprospekt soll beispielsweise unzureichende Angaben zum Risiko der Beteiligung gemacht haben. Zwar können diese Fehler den beratenden Banken nicht direkt zugeordnet werden, allerdings haften sie indirekt, weil sie den Prospekt auf Plausibilität hätten prüfen müssen. Prospektfehler vor Gericht geltend zu machen ist schwierig, weil sich die einzelnen Klauseln unterschiedlich auslegen lassen. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage sind daher gering. Nur in besonders krassen Fällen, in denen der Prospekt nachweislich falsche Angaben macht, sind die Chancen gut.

Schnellgericht

Verjährung

Ansprüche gegen die Banken wegen Falschberatung verjähren in der Regel nach Ablauf von drei Jahren. Wann die drei Jahren anfangen zu laufen, hängt davon ab, wann der Anleger von dem Fehler hätte wissen können. Beispiel: 2009 schrieb die Fondsgesellschaft in ihrem Geschäftsbericht 2008, dass die Immobilie The Gherkin überschuldet sei. Daraus ließe sich schließen, dass die Anleger zu diesem Zeitpunkt über die Finanzprobleme des Fonds Bescheid wussten. Ansprüche wegen der Klausel zum Beleihungswert der Immobilie und der damit verbundenen unzureichenden Aufklärung durch die Bank wären demnach verjährt. Dass der Anleger von einer Falschberatung hätte wissen können, muss die Bank beweisen.

Verkauf

Dass die Anleger etwas vom Verkaufserlös der Immobilie abbekommen, hält der Berliner Anlegeranwalt Dietmar Kälberer für unwahrscheinlich. Zunächst würden die Kredite der Banken bedient. Dann müssten auch noch die Währungsverluste und Einbußen aus einem Absicherungsgeschäft gedeckt werden.

Schneeballsystem, Einkommensteuer und Abfindungen

Schneeballsystem: Anleger doppelt bestraft

Die Betreiber von Schneeballsystemen versprechen Anlegern hohe Renditen, schütten allerdings in der Regel nur das Geld neuer Anleger aus – ohne selbst Erträge zu erwirtschaften. Häufig verlieren die Anleger bei solchen betrügerischen Investments das gesamte eingesetzte Kapital. Das allein ist schon schlimm genug. Hinzu kommt, dass das Finanzamt für die Scheingewinne, die ein Schneeballsystem für die Anleger erwirtschaftet, auch noch Steuern verlangt. Dies gilt auch dann, wenn die Erträge den Anlegern gutgeschrieben, aber nicht ausgeschüttet, sondern wiederangelegt wurden (Bundesfinanzhof, VIII R 38/13). Solange der Anbieter zu dem Zeitpunkt noch leistungsfähig und leistungsbereit gewesen sei, müssten die Anleger auf Scheingewinne Steuern zahlen, so die Richter. Für die Besteuerung sei es unerheblich, ob der Anbieter des Investments tatsächlich alle bestehenden Forderungen der Anleger hätte erfüllen können. Erst wenn der Anbieter Zahlungsverpflichtungen nur schleppend oder gar nicht nachkomme, sei er nicht mehr leistungsbereit und leistungsfähig. Dann entfalle die Steuerpflicht.

Einkommensteuer: Gewinn sollte möglich sein

Selbstständige können betriebliche Verluste mit Einkünften steuerlich verrechnen. Das ist aber nur zulässig, wenn der Betrieb auf absehbare Zeit einen Gewinn erzielen kann. Ist das Unternehmen nur überlebensfähig, weil sich die Verluste mit dem Einkommen des Ehepartners verrechnen lassen, dann entfällt der Steuerbonus (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 6 K 1486/11).

Abfindung: Niedriger Steuersatz

Ein Arbeitgeber löst ein Arbeitsverhältnis auf und zahlt dem Entlassenen eine Abfindung. Wenn diese Abfindung dazu führt, dass der Arbeitnehmer im gesamten Steuerjahr mehr verdient, als wenn er bis zum Jahresende in seinem alten Job geblieben wäre, muss dieser Betrag nur mit einem ermäßigten und nicht mit dem persönlichen Satz versteuert werden (Bundesfinanzhof, IX R 33/13).

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