Alles hing an dem kleinen Pfandleihhaus. Dessen Mietvertrag lief noch fünf Jahre. Der Besitzer wollte partout nicht ausziehen und blockierte so ein neues Hochhausprojekt. Der Bauherr musste dazu mehrere Grundstücke nebeneinander aufkaufen. Er konnte aber keinen einzigen Deal abschließen, solange nicht alle Mieter aus dem alten Bürohaus ausziehen würden. Alle Verkäufer, Makler und Anwälte, die an dem Großprojekt beteiligt waren, mussten Planungen und Verhandlungen erst mal einstellen.
Der Pfandleiher machte eine irrwitzige Forderung auf, berichtet Tim Weber, Immobilienwirtschaftsexperte der Kanzlei Gleiss Lutz: Der 100 Quadratmeter große Laden würde genau und nur an dieser Stelle jährlich ein bis zwei Millionen Euro Gewinn abwerfen, also auf die nächsten fünf Jahre hochgerechnet fünf bis zehn Millionen Euro. Die solle ihm der Immobilienkäufer, bitte schön, zahlen, wenn er dem geplanten Hochhaus weichen solle. „Es war eine Menge Arbeit nötig, damit der 100-Millionen-Deal nicht wegen eines pokernden Mieters platzte“, sagt Weber.
Altmieter pokern immer öfter
Immerhin sechs Wochen lag das Projekt auf Eis, bis sich der Pfandleiher dann doch mit 200.000 Euro zufriedengab. Dass Altmieter pokern, komme insbesondere bei in die Jahre gekommenen Shoppingcentern vor, berichten Immobilienrechtler. Der Entwickler eines Projekts am Potsdamer Platz in Berlin schenkte einem Mieter eine Eigentumswohnung, damit der auszog. „Gemessen an dem gigantischen Schaden, der sonst entstanden wäre, war das sogar preiswert“, sagt Weber von Gleiss Lutz.
Die Jury
Carsten Beisheim leitet den Konzernbereich Recht und Compliance bei der Wüstenrot & Württembergische AG.
Michael Bütter ist Mitglied des Management Board der Ferrostaal und Aufsichtsrat der TLG Immobilien. Zuvor war er bei der Deutschen Annington.
Thomas Hegel ist Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien und war zuvor Geschäftsführer der Corpus Asset Wohnen.
Jens Liewald ist Geschäftsführender Gesellschafter der Investorengruppe LAV-Gruppe aus Köln.
Achim Schunder ist Niederlassungsleiter der Zeitschriftenredaktion des C.H. Beck Verlags in Frankfurt.
Ingo Seidner ist Head of Legal & Compliance Germany der Immobilenberatung Jones Lang LaSalle (JLL).
Dirk Sonnberg verantwortet bei der Deutschen Wohnen AG als Managing Director Legal/Compliance den Rechtsbereich.
Claudia Tödtmann ist Redakteurin der WirtschaftsWoche.
Die Kanzlei wurde jetzt von einer unabhängigen Jury unter die 25 Top-Kanzleien zum Immobilienwirtschaftsrecht gewählt. Das Verfahren lief in drei Schritten:
- Zunächst wurden mittels Datenbankrecherchen und Expertengesprächen 60 Kanzleien und 200 Anwälte ausgewählt, die positiv aufgefallen sind.
- Diese wurden 26 Experten führender Kanzleien zur Bewertung vorgelegt. Die Bewertung der eigenen Kanzlei oder Person war dabei ausgeschlossen.
- Im dritten Schritt bewertete eine Jury 39 Kanzleien, deren Anwälte überdurchschnittlich gut bewertet wurden, nach den Kriterien Erfolg, Erfahrung, Spezialisierung und Stärke des Teams. Die 25 Kanzleien mit den meisten Punkten sind in der Übersicht rechts aufgeführt.
Immobilienwirtschaftsanwälte haben aktuell zu tun wie lange nicht mehr. Der Immobilienmarkt für institutionelle Anleger brummt. Das Angebot an erstklassigen Objekten ist knapp, vor allem ausländische Investoren wie US-Lebensversicherer, Staatsfonds aus Skandinavien und Asien oder kanadische Pensionskassen kaufen Immobilien. Auch Vermögensverwalter reicher Familien, Projektentwickler und Fondsgesellschaften sind auf der Suche nach Gewerbeimmobilien. In diesen fünf Städten: „Frankfurt ist als Finanzstandort der Klassiker und immer vorn. Berlin ist eher auf Platz zwei, weil Investoren dort auf steigende Preise hoffen. Dann folgen Hamburg und Düsseldorf wegen ihrer attraktiven Renditen. München liegt auf Platz fünf, weil die Preise so hoch sind“, sagt Johannes Conradi von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Anwälte verdienen kräftig mit
Gekauft werden Bürogebäude, Shoppingcenter, Supermärkte, Hotels und – immer häufiger Logistikzentren. Bekannte Vorzeigeobjekte der vergangenen Jahre sind der Operntum in Frankfurt oder das Düsseldorfer Dreischeibenhochhaus. „Ein Drittel der verkauften Immobilien sind Neubauten, zwei Drittel gebrauchte Bestandsobjekte“, sagt Conradi. Er ist schon so lange im Geschäft, dass er manche Immobilie bereits zweimal mitverkauft hat.
An den Deals verdienen die Anwälte kräftig mit. Stundenhonorare für Partner liegen zwischen 400 und 600 Euro. Rabatte ab einem bestimmten Honorarvolumen sind üblich. Manche Mandanten legen Obergrenzen fest. Faustregel: Kleine Spezialisten sind billiger als große Law Firms.
400 bis 500 Mails am Tag
„Läuft eine Transaktion, bekomme ich 400 bis 500 Mails am Tag“, sagt Alexander Goepfert von Noerr, einer der ganz Erfahrenen der Branche – von Mandanten, Steuer- und Gesellschaftsrechtlern aus dem eigenen Lager, von Wirtschaftsprüfern und Anwälten der anderen Seite. Goepfert betreute auch die größte Transaktion 2014, als die Deutsche Annington für 2,4 Milliarden Euro 41 500 Wohnungen übernahm.
Haben Mandanten erst mal in den virtuellen Datenräumen Mietverträge, Bilanzen und technische Berichte gesehen, kann es zu Bietergefechten kommen. Verkäufer schicken den Käufern Vertragsentwürfe, deren Anwälte schreiben Änderungswünsche hinein. Wer zu viel ändern will, fliegt raus. Nach maximal sechs Monaten liegen drei bis vier verbindliche Angebote auf dem Tisch. „Doch bis der Notarvertrag unterzeichnet ist, werden die anderen Bieter auf Stand-by gehalten“, sagt Conradi.
Wenn wieder ein Bundesland die Grunderwerbsteuer erhöht, müssen Deals vor dem Stichtag durchgepeitscht werden. So können Käufer Millionen sparen. Gar keine Grunderwerbsteuer zahlen sie, wenn ihnen Anwälte sogenannte Share-Deals stricken. „Bei denen erwerben sie keine Immobilie direkt, sondern Gesellschaftsanteile“, erklärt Anwalt Roland Bomhard von Hogan Lovells.
Beurkundungen beim Notar können, wenn die Verhandlungen vorher unter hohem Zeitdruck liefen, auch schon mal 24 Stunden dauern. Dann gibt’s viel Kaffee, und nachts kommt der Pizzabote. Wer vor Erschöpfung einschläft, wird geweckt. Branchen-Usus ist das Glas Veuve Clicquot nach jedem Deal – egal, wie spät oder wie früh am Tag. Notare müssen den immer im Kühlschrank haben. Conradi: „Bei aller vorherigen Gegnerschaft, diese halbe Stunde muss sein.“
25 Top-Kanzleien für Immobilienwirtschaftsrecht | |
Welche Sozietäten besonders empfohlen werden | |
Kanzlei | Rechtsanwalt |
Allen & Overy | Olaf Meisen, Jochen Scheel |
Ashurst LLP | Marc Bohne, Stefan Kock, Liane Muschter |
Clifford Chance | Christian Keilich, Reinhard Scheer-Hennings, Cornelia Thaler |
CMS Hasche Sigle | Nadja Fleischmann, Peter Ruby, Hermann Stapenhorst, Volker Zerr |
DLA Piper | Markus Beaumart |
FPS | Robin Fritz |
Freshfields Bruckhaus Deringer | Johannes Conradi, Friedrich Heilmann, Niko Schultz-Süchting |
Gleiss Lutz | Johannes Niewerth, Tim Weber |
Görg | Jan Lindner-Figura |
GSK Stockmann + Kollegen | Michael Eggersberger, Andreas May, Rainer Werum |
Hengeler Mueller | Georg Frowein, Daniel Kress, Thomas Müller |
Herbert Smith Freehills | Thomas Kessler |
Hogan Lovells | Roland Bomhard, Dirk Debald, Hinrich Thieme |
Jebens Mensching | Phillip Jebens |
Kucera Rechtsanwälte | Stefan Kucera |
Latham & Watkins | Stefanie Fürst |
Luther | Achim Meier |
McDermott Will & Emery | Jens Ortmanns |
Noerr LLP | Christoph Brenzinger, Michael Eggert, Professor Alexander Goepfert |
Norton Rose Fulbright | Ulrike Bernert-Auerbach, Thomas Hopf, Maren Stölting |
Olswang | Christian Schede |
Oppenhoff & Partner | Stefanie Minzenmay |
P+P Pöllath + Partners | Matthias Durst, Stefan Lebek |
Schalast & Partner | Barbara Busch, Christoph Schalast |
Trûon Rechtsanwälte | Sonja Tegtmeyer, Erwin B. von Bressendorf |
Quelle: WirtschaftsWoche-Expertenpanel und Jury 2014 |