Rente mit 70 Wolfgang Schäuble hat Recht - nur noch nicht jetzt

Wir alle werden um längeres Arbeiten nicht herum kommen. Da hat der Finanzminister die bittere Wahrheit gesagt. Bis dahin müssen allerdings erst noch ganz andere Reformen geschehen.

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So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Die politische Debatte zur Rente, der wir gerade beiwohnen dürfen, ist ein Trauerspiel, absurdes Theater. Besseres lässt sich darüber nicht sagen. Es gibt keine Säule unseres Sozialstaats, in der die Logik von Demografie und Mathematik derart konsequent ihre Wirkung entfaltet.

Die Deutschen werden – welch ein Glück! – immer älter und bleiben länger gesund. Gleichzeitig sorgen die seit Jahrzehnten sinkende Geburtenrate und die (langfristig gesehen) moderate Zuwanderung dafür, dass Jahr für Jahr weniger Kinder und später auch weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren.

All das kommt mit unerbittlicher Zwangsläufigkeit auf uns zu. Kluge, verantwortungsvolle Politiker würden die Bürger darauf vorbereiten und nach der klügsten, fairsten Reform suchen. Die meisten Politiker von heute aber tun lieber so, als würde Manna vom Himmel regnen und uns alle retten.

Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten

Um die Höhe der Altersversorgung angesichts der beschriebenen Umstände sowohl sozial verträglich als auch bezahlbar zu halten, gibt es mehrere Möglichkeiten. Und mutige Politiker wie Franz Müntefering oder Walter Riester haben in der Vergangenheit eine Mischung verschiedener Optionen gewählt, um alle – Junge wie Alte, Beitragszahler genauso wie Rentner – an den notwenigen Anpassungen zu beteiligen und Härten aushaltbar zu halten.

Dazu gehören: eine langsame Absenkung des Rentenniveaus, moderat steigende Sozialbeiträge, mehr Steuerzuschüsse, mehr Eigenvorsorge  – und auch die Rente mit 67.

Wolfgang Schäuble hat sich in diese Rentendebatte, die gerade in Berlin tobt, mit dem Vorschlag eingemischt, dass die Deutschen künftig bis 70 arbeiten müssten. Natürlich wurde er dafür von allen Seiten gemaßregelt. Ein CDU-Ministerpräsident wie Volker Bouffier schimpfte ebenso wie die SPD-Bundessozialministerin Andrea Nahles. Und natürlich denkt Schäuble auch an seinen Steuerzuschuss an die Rentenkasse, den er schön klein halten will.

Bloß wissen trotzdem alle: Schäuble hat Recht. Er war nur voreilig.

Die Frage des Pensionsalters gehört zu dem emotionalsten der Rentenpolitik – und in der Rentenpolitik geht es sowieso nie nur um Fakten, sondern immer gleich ums Ganze. Was man schon daran erkennt, dass die SPD bis heute mit der richtigen und wichtigen Rente mit 67 hadert und dank der abschlagsfreien Rente ab 63 für langjährig Versicherte in dieser Koalition eine schmerzhafte und falsche Korrektur beschlossen hat. Und nur um eins klarzustellen: das nötige Gegengeschäft, die Mütterrente, kostet noch mehr Geld und ist genauso Murks.

Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

Dennoch ist allen Fachleuten, auch Fachpolitikern, klar, dass man bei der steigenden Lebenserwartung und bei immer längerer Rentenbezugszeit bei sinkender Zahl von Beitragszahlern an einer Lösung nicht vorbei kommt: länger arbeiten. Ja, auch die Rentner werden sich beteiligen (mit geringeren Rentensteigerungen); es werden noch mehr Steuermittel fließen müssen; wir brauchen mehr und attraktivere, nicht weniger private Vorsorge; aber es geht nicht ohne einen späteren Renteneintritt.

Doch bevor es soweit sein wird, sollte die Politik zuerst das Naheliegende tun: Erstens, auf populäre, aber nahezu unbezahlbare Versprechen verzichten (siehe Horst Seehofer und Sigmar Gabriel). Zweitens, alle Anreize zur Frühverrentung, also auch die Rente ab 63, abschaffen. Drittens, endlich viel mehr dafür tun, dass dank Prävention und Umschulung mehr Menschen bis zum regulären Ruhestandsalter fit bleiben. Erst dann, viertens, wenn alle diese Reformen gewirkt haben, wird es eines fernen Tages darum gehen, aus der Rente mit 67 vielleicht eine Rente mit 68 oder 69 oder 70 zu machen.

Und deshalb jetzt bitte an alle in Berlin: einmal tief durchatmen.

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