Kreativität Wie sich Einfallsreichtum fördern lässt

Viele Unternehmen vernachlässigen eine wichtige Eigenschaft: Kreativität. Dabei können Manager die gezielt fördern – mit dem richtigen Führungsstil und der passenden Arbeitsumgebung.

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Ralph Haupter und Petra Hesser Quelle: Illustration: Birgit Lang

Es gibt sture Menschen, und es gibt unerträgliche, der Grat zwischen beiden ist sehr schmal. Bernd Kühneweg ist sich dessen vollkommen bewusst. Der 46-Jährige ist Produktentwickler beim Mischkonzern 3M in Neuss. Jahrelang tüftelte der Chemiker ebenso verbissen wie vergeblich an einer Erfindung, mit der sich Glasscheiben imprägnieren lassen. Eines Tages hatte er die Lösung: ein silikonhaltiger Stoff namens Scotchgard Protector. Der wird auf Glas aufgetragen, etwa Fensterscheiben oder in Duschkabinen, und sorgt acht Monate lang für den sogenannten Lotuseffekt – das Wasser perlt dann auf dem Glas ab wie auf der gleichnamigen Pflanze.

Das Erstaunliche ist nicht, dass ein Mitarbeiter des Konzerns eine weitere Innovation erfunden hat, sondern dass er es in seiner Freizeit tat: Jeder der 75.000 3M-Angestellten weltweit darf etwa 15 Prozent seiner Arbeitszeit für eigene Projekte nutzen. Die Angestellten danken es dem Unternehmen auf ihre Weise.

Weltberühmte Produkte sind in dieser frei verfügbaren Zeit bereits entstanden. Der 3M-Ingenieur Arthur Fry beobachtete einst, dass sich ein Kollege vergeblich an der Entwicklung eines Klebstoffs probiert hatte – das Zeug haftete nicht. Daraus entwickelte Fry die bekannten Haftnotizzettel. Auch Bernd Kühnewegs Erfindung wird demnächst auf den Markt kommen. Zwei schöne Beispiele dafür, was passieren kann, wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern gedankliche Freiräume ermöglichen.

Führungsqualität: Kreativität

Vor einigen Wochen präsentierte der Computerkonzern IBM die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage. Über 1500 Führungskräfte aus 60 Ländern und 33 Branchen hatten Auskunft darüber gegeben, wie sie die Zukunft sehen. Wenig überraschende Erkenntnis: 79 Prozent der Befragten erwarten, dass das wirtschaftliche Umfeld komplexer wird. Erstaunlicher ist vielmehr, wie die Manager diesen schwierigen Herausforderungen begegnen wollen. Mit Disziplin? Mit Durchsetzungsvermögen? Nichts dergleichen. Auf Platz eins der wichtigsten Führungsqualitäten der Zukunft landete: Kreativität.

Viele denken bei dem Wort spontan an Jahrhundertgenies, beispielsweise Künstler wie Wolfgang Amadeus Mozart und Pablo Picasso. Oder Wissenschaftler wie Albert Einstein und Isaac Newton. „Kreativität hat für die meisten Menschen eine fast magische Anziehungskraft“, sagt Teresa Amabile, renommierte Kreativitätsforscherin der Harvard Business School.

Sie und ihre weltweit aktiven Fachkollegen haben in den vergangenen Jahren viel dafür getan, diesen Mythos zu entzaubern.

Badezimmer als Hort der Inspiration

Psychologen beobachteten Führungskräfte, Gründer und Unternehmer; Ökonomen befragten Arbeiter und Angestellte, Arbeits- und Organisationswissenschaftler analysierten Büroräume. Ihre Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen: Wenn die richtigen Charaktere in der richtigen Umgebung auf die richtige Art geführt werden, dann folgen Innovationen fast automatisch. Hierzulande ist das allerdings immer noch leichter gesagt als getan.

Nur 6,4 Prozent der Deutschen sind am Arbeitsplatz kreativ, ergab eine Umfrage des Stuttgarter Beratungsunternehmens Iqudo im April. Die besten Ideen kamen den Bundesbürgern fernab von Kantine und Kaffeeküche: im Bad (13,5 Prozent), auf dem Sofa (12,1 Prozent) oder beim Joggen (7,1 Prozent). Schon immer sind und waren viele prominente Künstler und Manager vor allem außerhalb ihrer gewohnten vier Bürowände kreativ. Die Ergebnisse der Iqudo-Umfrage sind ein Indiz dafür, dass für Kreativität vor allem eine Voraussetzung notwendig ist – Muße. Doch genau daran mangelt es im Job.

Als Iqudo Arbeitnehmer zu dem Thema befragte, nannten 36,7 Prozent Stress als Hauptgrund für ihre Einfallslosigkeit im Job, dicht gefolgt von der Ablenkung durch Kollegen oder Vorgesetzte (23,5 Prozent). 14,2 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass ihre Kreativität unerwünscht und gute Ideen reine Chefsache seien.

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