Die russischen Luftangriffe im syrischen Bürgerkrieg töten Amnesty International zufolge Hunderte Zivilisten und zerstören Wohngebiete und Kliniken. Auch eine Moschee und ein Markt seien getroffen worden, teilte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in London mit. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass die russische Armee Streumunition sowie Bomben ohne Lenksysteme in dicht besiedelten Gebieten einsetze. Die Angriffe verstießen gegen die Menschenrechte und kämen Kriegsverbrechen gleich.
Russland weist die Vorwürfe nun entschieden zurück. Der Bericht von Amnesty International bestehe aus „Fälschungen“, kritisierte Igor Konaschenkow vom Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch. Der Text bleibe durch Worte wie „vermutlich“ und „möglicherweise“ sehr vage und enthalte keine konkreten Beweise. Die Menschenrechtsorganisation könne keine verlässlichen Informationen über die Ziele der russischen Kampfjets in dem Bürgerkriegsland haben, meinte Konaschenkow. Er wies zudem Vorwürfe zurück, Russland setze in Syrien Streubomben ein. Er kritisierte, dass es keinerlei Koordination bei den verschiedenen Militäraktionen in dem Bürgerkriegsland gebe. Neben Russland fliegt dort auch eine US-geführte Koalition Luftangriffe.
Die einflussreichsten Rebellengruppen in Syrien
Sie ist ein Zusammenschluss aus sechs großen islamistischen Gruppen. Die Islamische Front ist vermutlich die größte Rebellenallianz in Syrien und verfügt über 40.000 bis 50.000 Kämpfer. Ihre Mitglieder sind sunnitische Extremisten, die einen islamischen Staat in Syrien errichten wollen. Die Haltung der Islamischen Front gegenüber den Extremisten von IS ist ambivalent. Teile der Gruppe unterstützen aber den Kampf gegen sie.
In der einflussreichen Rebellengruppe sind sowohl syrische als auch ausländische Extremisten aktiv. Sie ist von Al-Kaida offiziell als Ableger in Syrien anerkannt. Die Nusra-Front hat als erste Gruppierung in Syrien Selbstmord- und Autobombenanschläge in Stadtgebieten verübt. Sie kämpft für einen islamischen Staat, hat zwischen 7000 und 8000 Anhänger und arbeitete bislang eng mit der Islamischen Front zusammen.
Die Gruppe wurde von abtrünnigen Mitgliedern der Nusra-Front gebildet und vereinigte sich mit dem Al-Kaida-Ableger im Irak. Früher nannte sie sich Islamischer Staat im Irak und der Levante (Isil). Angeführt wird IS von Abu Bakr al-Baghdadi, der die Forderung der Al-Kaida ignorierte, den Schwerpunkt der Aktivitäten auf den Irak zu legen. Anfang des Jahres kappte Al-Kaida die Verbindungen zur IS, die als die militanteste Extremistengruppen in Syrien gilt.
Zunächst hatte die Gruppierung unter anderem wegen ihrer strikten Haltung gegen Plünderungen einen Großteil der syrischen Bevölkerung auf ihrer Seite. Dies änderte sich, als sie begann, Kritiker zu entführen und zu töten.
Derzeit kämpft IS an mehreren Fronten - gegen rivalisierende Rebellen in Syrien und gegen die Kurden im Nordirak. Die Gruppe soll über 6000 bis 7000 Kämpfer verfügen. Im Irak wird sie durch Zehntausende Kämpfer sunnitischer Stämme unterstützt, die von der Zentralregierung in Bagdad enttäuscht sind.
Die Allianz aus weitgehend nicht ideologisch geprägten Rebellen-Einheiten formierte sich im Dezember. Das Rückgrat der Gruppe bildet die Syrische Märtyrer-Brigade, eine einst einflussreiche Gruppe aus der nördlichen Provinz Idlib unter Führung von Dschamal Maruf. Ihm war von rivalisierenden Rebellengruppen vorgeworfen worden, für den Aufstand bestimmtes Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Die Anhänger der revolutionären Front sind weitgehend moderate Islamisten. Finanziell unterstützt wird die Gruppe vermutlich von Golfstaaten wie Saudi-Arabien.
Sie bildete sich zu Jahresbeginn aus acht syrischen Gruppen und startete eine Offensive gegen die Extremisten von IS. Die Allianz ist moderat islamistisch und hat nach eigenen Angaben rund 5000 Mitglieder.
Es handelt sich um eine moderate, nicht ideologische Gruppe. Sie wird von westlichen Ländern wie den USA unterstützt. Auch die Türkei und die arabischen Golfstaaten stehen auf ihrer Seite. Sie hat niemals den Eindruck ausräumen können, dass ihre Führung aus dem Ausland kommt.
Syrische Oppositionelle warfen zudem dem Regime in Damaskus erneut den Einsatz von Giftgas vor. Die Luftwaffe habe südwestlich der Hauptstadt Fassbomben mit einem nicht identifizierten Stoff abgeworfen, erklärten Aktivisten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, fünf Menschen seien bei dem Angriff auf Maadamijet al-Scham getötet worden.
23 weitere litten unter Atemprobleme, roten Augen, vergrößerten Pupillen und Lungenblutungen, erklärte die Menschenrechtsbeobachter weiter. Ein Video aus dem Ort zeigt nach Angaben von Aktivisten, wie Verletzte in einer Krankenstation mit Sauerstoff behandelt werden.
Maadamijet al-Scham gehört zu den Regionen, die 2013 mit Giftgas angegriffen worden waren. Mehr als 1300 Menschen starben. Aktivisten und Regierungen im Westen machten dafür das Regime verantwortlich, das die Anschuldigung jedoch zurückwies. Allerdings willigte die Regierung anschließend ein, ihre Chemiewaffenbestände zu zerstören.
Der Amnesty-Bericht konzentriert sich auf sechs Angriffe zwischen September und November in Homs, Idlib und Aleppo, bei denen rund 200 Zivilisten und rund ein Dutzend Kämpfer ums Leben gekommen seien. Die Organisation wirft Moskau vor, falsche Angaben zu zivilen Opfern gemacht zu haben.
„Es ist unbedingt notwendig, dass die mutmaßlichen Verstöße unabhängig und unparteiisch untersucht werden“, sagte Philip Luther, der bei Amnesty für den Nahen Osten und Nordafrika zuständig ist, in einer Mitteilung. Für den Bericht hat die Organisation nach eigenen Angaben Augenzeugen befragt und mit Hilfe von Militärexperten Bildmaterial ausgewertet.
Als Beispiel nennt der Bericht einen Angriff am 15. Oktober, bei dem 46 Zivilisten getötet worden seien, davon 32 Kinder und elf Frauen. Sie hätten im Keller eines Wohnhauses in der Nähe von Homs Schutz gesucht.
Filmmaterial habe keine Hinweise darauf gegeben, dass Kämpfer vor Ort gewesen seien. Zudem hätten Waffenexperten aus Bildern der Zerstörung geschlossen, dass möglicherweise Aerosolbomben zum Einsatz gekommen seien. Sie werden auch Vakuumbomben genannt, ihr Einsatz in der Nähe von Zivilisten ist verboten.
Nach Berichten über die Zerstörung einer Moschee am 1. Oktober in der Region Idlib habe Russland die Fotos als gefälscht bezeichnet, heißt es bei Amnesty weiter. Satellitenbilder, die beweisen sollten, dass das Gebäude noch stehe, hätten aber eine andere Moschee gezeigt. „Die russischen Behörden haben anscheinend Taschenspielertricks genutzt, um zu versuchen, sich Vorwürfen und der Prüfung ihrer Taten in Syrien zu entziehen“, kritisierte Luther.