Boom & Bust

Mit Yuan-Aufwertung beginnt China eine neue Ära

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Experten rechnen damit, dass der Yuan durch die Rückkehr zur kontrollierten Aufwertung in diesem und den nächsten Jahren jeweils um zwei bis fünf Prozent an Wert gewinnen wird. Das mag vor dem Hintergrund der zweistelligen Veränderungsraten beim Wechselkurs von Euro und Dollar während der Euro-Krise läppisch erscheinen. Doch hier gilt: Der stete Tropfen höhlt den Stein.

Das Timing für den währungspolitischen Schwenk vor dem G20-Gipel an diesem Wochenende war geschickt gewählt. Auf diese Weise hat sich China aus der Schusslinie der Amerikaner und Europäer gebracht, die das Land wegen des angeblich überbewerteten Yuan auf die Anklagebank setzen wollten und schon mit protektionistischen Gegenmaßnahmen gedroht hatten.

Zweites Standbein

Für die Regierung in Peking ist die Aufwertung des Yuan aber auch ein zentrales Element in der Strategie, das Wachstumsmodell der gesamten Volkswirtschaft umzukrempeln. Statt wie bisher vor allem auf billige Exportprodukte zu setzen, soll Chinas Wirtschaft in Zukunft mit einer veritabel expandierenden Inlandsnachfrage ein zweites Standbein erhalten und auf der Wertschöpfungsleiter weiter nach oben klettern.

Ein stärkerer Yuan lässt die Importpreise sinken. Das bremst die Inflation, die zuletzt mit 3,1 Prozent den Zielwert der Zentralbank von 3,0 Prozent überschritt. Eine geringere Teuerungsrate wird im Zusammenspiel mit kräftiger steigenden Löhnen die Realeinkommen ankurbeln und den Konsum beleben. Zugleich geraten die Gewinne der Exporteure durch steigende Lohnkosten und den stärkeren Yuan unter Druck.

Das soll die Unternehmen dazu veranlassen, sich von der Herstellung billiger Massenwaren zu verabschieden und höherwertige Güter und Dienste anzubieten, für die sie höhere Preise verlangen können. Durch den Strukturwandel, der mit einer Einkommensumverteilung von Kapital zu Arbeit einhergeht, soll China von einem quantitativen auf einen qualitativen Wachstumspfad gelangen.

Dazu passt, dass die Lockerung der Wechselkursbindung die Zentralbank in die Lage versetzt, sich stärker an den binnenwirtschaftlichen Erfordernissen zu orientieren. Statt die für China viel zu expansive Geldpolitik der US-Notenbank Fed nachzuahmen und so Preisblasen zu riskieren, können die Pekinger Währungshüter in Zukunft die Zinsen rechtzeitig erhöhen.

Der Wandel von Chinas Wachstumsmodell hat enorme Konsequenzen für den Rest der Welt, vor allem für die USA. Denn mit dem Schrumpfen der Exportüberschüsse wird à la longue auch der Kapitalfluss aus dem Riesenreich in die USA abebben. Dann stellt sich die Frage, wer die Defizite in der Leistungsbilanz und im Staatshaushalt Amerikas finanzieren soll.

Entweder die US-Regierung und Bürger schnallen den Gürtel bald enger und reduzieren so ihren immensen Kreditbedarf. Oder der Druck auf die US-Notenbank wird wachsen, als Käufer von Staatsanleihen die Lücke zu füllen, die die Chinesen hinterlassen. Die Konsequenzen wären fatal: Die Fed würde noch mehr Geld drucken, die Inflationsrisiken würden steigen – und der Dollar als Weltleitwährung wäre infrage gestellt.

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