Georgien Russland will Energie-Bypass durch den Kaukasus verhindern

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Und nun auch noch Nabucco

Und dabei soll es nicht bleiben: Der Geschäftsführer des Nabucco-Konsortiums, Reinhard Mitschek (siehe Interview), will auch turkmenisches Gas durch die Euro-Röhre pumpen – Gas, um das sich Wladimir Putin bei der turkmenischen Regierung persönlich noch in seiner Funktion als russischer Präsident bemüht hat: Auch Russland plant eine zusätzliche Pipeline nach Turkmenistan, um seinen wachsenden Bedarf zu decken.

Die Konkurrenz um turkmenische Explorationslizenzen –  China will heran an die kaspischen Felder – wird härter. Das erleben die Dea-Emissäre in ihren Verhandlungen live und direkt. Obwohl die RWE-Tochter seit mindestens einem Jahr in der Region um Vertrauen und Lizenzen wirbt, wartet sie bisher vergeblich auf eine  Zusage.

Zumindest Ideen, wie das Gas gen Westen transportiert werden soll, hat sie schon: An Bord von Spezialschiffen könnte es am Ostufer des Kaspischen Meeres komprimiert, dann nach Baku verschifft und von dort via SCP und Nabucco zu den deutschen und europäischen RWE-Kunden strömen. Auch eine Pipeline quer durch die See von Turkmenistan nach Aserbaidschan ist im Gespräch.

Wie Öl und Gas vom Kaspischen Meer den Weltmarkt erreichen sollen - und warum Georgien so wichtig ist (zum Vergrößern der Grafik klicken Sie bitte auf das Lupen-Symbol unten rechts)

Russland macht aus seinem Missfallen an diesem Vorhaben keinen Hehl und warnt vor Umweltgefahren, die von einer solchen Pipeline ausgehen würden. Das wahre Motiv dürfte indes Moskaus eigenes Interesse an den Gasressourcen im turkmenischen Teil des Kaspischen Meeres sein. Denn je mehr Exportwege sich dem turkmenischen Energiekonzern Turkmengaz öffnen, desto höhere Preise kann er von seinem alten Stammkunden Russland verlangen, der den Rohstoff bisher noch zu günstigen Konditionen bekommt.

Intimfeind BP prescht vor nach Zentralasien

Geschichte sind die goldenen Zeiten, in denen das UdSSR-Ministerium für Gasförder- und Gastransportindustrie den südlichen Sowjetrepubliken die Abnahmepreise diktieren konnte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion pilgerten westliche Energiekonzerne in Scharen herbei. Die Liste derer, die vor Baku das Schwarze Gold aus dem Meeresgrund holen, liest sich wie das Who is Who der internationalen Ölindustrie. ExxonMobil, Chevron, Total, Agip und immer wieder – BP. BP – ausgerechnet BP. Der britische Ölmulti ist Moskaus aktueller Lieblingsfeind im großen Ringen und Ressourcen. Eine Gruppe staatsnaher Oligarchen versucht, die Briten aus dem russischen Joint Venture TNK-BP zu drängen, nachdem sie bereits die Kontrolle über ein sibirisches Gasfeld an Gazprom abtreten mussten.

BP glänzt seit Anfang der Neunzigerjahre durch besonderes Engagement bei der Erschließung der aserbaidschanischen Energie-Ressourcen. Der Konzern unterhält Ölfelder vor Baku, an Land dazu eines der größten Verlade- und Verarbeitungsterminals der Welt und ist Konsortialführer für beide Öl-Pipelines durch Georgien sowie die Gasleitung SCP, die aus dem BP-Gasfeld Shah Deniz gefüllt wird. BP hat in der Region 7,5 Milliarden Dollar investiert und beschäftigt 2000 Menschen.

Politische Hilfestellung erhielten die Briten bei ihren Pipeline-Projekten von der US-Regierung. 1999 etwa reiste Präsident Bill Clinton persönlich nach Istanbul und unterzeichnete die Absichtserklärung zum Bau der BTC-Leitung. An der amerikanischen Politik in der Region hat sich seither nichts geändert: Die USA unterstützen Energieprojekte und  politische Kräfte, die helfen, den Südkaukasus und Zentralasien dem Einfluss Moskaus zu entziehen, das energiehungrige China von den Quellen fernzuhalten und die Rohstoffe dem Westeuropa zugänglich zu machen – man will sich auf von Russland unabhängige europäische Verbündete verlassen können.

Wer hat in Georgien künftig das Sagen?

Doch nun hat Russland den USA, der Schutzmacht Georgiens, und der EU die Grenzen ihres Einflusses im Kaukasus gezeigt. Als die russischen Panzerkolonnen aus Südossetien ins georgische Kernland vorrückten und russische Bomben in Nachbarschaft der BTC-Pipeline einschlugen, dürfte die Furcht des Moskauer Ökonomen Deljagin vor einer russischen Niederlage im „Kampf um Zentralasien“ nachgelassen haben.

Auch wenn interessierte Energiemanager wie Nabucco-Chef Mitschek versichern, „auf langfristige Projekte wie unseres“ habe die Eskalation keine Auswirkungen – Kennern der Region ist klar, dass sich die Rahmenbedingungen für milliardenschwere Energievorhaben in Georgien verändert haben. Russland hat klar gemacht, dass es mit der gegenwärtigen Regierung nicht kooperieren wird, die USA dagegen stellen sich demonstrativ hinter sie. Ob und wann die Russen wieder abziehen, ist ungewiss. „Investoren wollen aber wissen, wer in Georgien künftig das Sagen hat“, sagt ein deutscher Manager, der in dem Land Investitionsprojekte begleitet. „Große Investitionen sind nun in Frage gestellt.“ Ungewiss macht der Konflikt unter anderem die Pipeline-Projekte Nabucco, White Stream und auch die Erweiterung der Ölleitung BTC. Ebenso die Pläne der aserbaidschanischen Energiegesellschaft SOCAR, den Öltransport per Bahn in die georgischen Häfen Batumi und Kulevi zu erhöhen. Auch aus den Plänen der georgischen Regierung,  neue Wasserkraftwerke zu bauen und den Strom in die Türkei zu exportieren, dürfte vorerst nichts werden.

Der aserbaidschanische Staatskonzern SOCAR entschloss sich während der Kämpfe, sein eigenes, im Mai erworbenes  Verladeterminal in Kulevi vorerst zu räumen und seine Arbeiter aus der Gefahrenzone zu holen. SOCAR-Chef Rownag Abdullajew überlegt nun, wieder mehr Öl durch die alte russische Pipeline nach Noworossijsk exportieren. Für Transneft, die Betreibergesellschaft, hätte sich der Krieg damit schon gelohnt.

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