Ghana Zwischen Kippe und Hölle

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Höllenjob mit Gewerkschaftsanschluss

Man kann auch nicht sagen, es gebe im Lärm, Schmutz und Gewimmel von Agbogbloshie keine Ordnung und innere Struktur. Auch hier versuchen die Menschen, sich zu organisieren. Sie haben mit der „Scrap Dealers Association“ sogar eine Interessenvertretung, eine Art Genossenschaft. Nach deutschem Vereinsrecht wäre die von lokalen „Chiefs“ geführte Organisation womöglich nicht zulassungsfähig, doch hier sorgt sie für Regeln im Chaos – und auch für eine gewisse Risikovorsorge. Wer in die Kasse einzahlt, erhält im Fall von Unfällen eine finanzielle Hilfe.

Neue Händler und Verwerter müssen sich bei der „Association“ registrieren lassen. Wer als Außenstehender unangemeldet erscheint (oder sich bei den falschen Leuten angemeldet hat), bekommt ein Problem in Gestalt von Abdullah Rahman, einem Zwei-Meter-Hünen in leuchtend gelben Umhang. Er ist der König der Schrottverwerter und stellt Besuchern flugs einen persönlichen Aufpasser zur Seite. Die Polizei traut sich hier meist nur in Zivil rein. Als 2015 nach schweren Überschwemmungen ein Teil des Gelände vorübergehend geräumt werden musste, rückte vorsorglich das ghanaische Militär an.

„Interventionen müssen behutsam sein. Ohne Einbindung der Sammler und Verwerter wird der Aufbau eines ökologisch verträglichen Recyclingsystems hier nicht funktionieren“, mahnt Entwicklungshelfer Funcke-Bartz. Man könne „die Arbeit in Agbogbloshie nicht verbieten, ohne den Menschen Alternativen anzubieten“.

Wie Sie Elektronik recyclen können

Zum Glück wacht nun langsam auch die Regierung auf. Im Juli, fünf Monate von den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, verabschiedete das ghanaische Parlament ein Recycling-Gesetz, das unter anderem eine Importsteuer auf gebrauchte Elektronikwaren vorsieht. Zudem ist ein Fonds geplant, der den Aufbau von geordneten Recyclingstrukturen mitfinanzieren soll und in den vor allem die Importeure von Elektrogeräten einzahlen sollen.

Die Anschubfinanzierung dazu kommt womöglich aus Deutschland. Die Bundesregierung verhandelt derzeit mit Ghana über eine Kapitalspritze für den Fonds durch die staatliche Förderbank KfW in Höhe von 20 Millionen Euro. Das Thema Agbogbloshie genießt in Berlin einen gewissen Stellenwert, seitdem die Entwicklungshilfeminister Gerd Müller und Gesundheitsminister Hermann Gröhe im vergangenen Jahr die Müllkippe besuchten und erfahren mussten, dass hier auch reichlich deutscher Elektro-Schrott herumliegt.

Erste Hilfe aus Deutschland

Als erste Hilfsmaßnahme plant die GIZ nun die Einrichtung einer Gesundheitsstation auf dem Gelände, um eine Erstversorgung bei Unfällen und Krankheiten sowie zumindest ein Minimum an Arbeitsschutz zu gewährleisten. Bereits in diesem Jahr soll ferner in Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen, der RWTH Aachen und der University of Ghana ein Labor für Blutuntersuchungen aufgebaut werden. Bisher ist die Arbeitsmedizin in Ghana kaum entwickelt. Um zum Beispiel die Konzentration von Schwermetallen im Blut von Arbeitern und Anwohnern zu messen, gibt es im ganzen Land kein geeignetes Labor. Mit Unterstützung der deutschen Botschaft in Accra wurde im Januar zudem auf dem Gelände eine erste Maschine aufgestellt, die die Ummantelung von Kupferkabeln mechanisch abtrennt und das giftige Abfackeln überflüssig macht.

Schrotthändler Karim wird das nicht bewegen können, in Agbogbloshie zu bleiben. Er will zurück in seine Heimatstadt Tamale im Norden Ghanas, wo sei Vater ein paar Felder bewirtschaftet. Er hat sich fest vorgenommen: „In spätestens sechs Jahren bin ich hier weg – und werde Landwirt“.

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