Griechenland will den Euro-Rettungsfonds zur Überbrückung von Finanzengpässen anzapfen. Der ESM könne für die griechischen Staatsanleihen im Besitz der Europäischen Zentralbank (EZB) aufkommen, die von Juli und August an fällig würden, sagte Finanzminister Yanis Varoufakis am Montag in Athen.
Sein Land würde dann das Geld nach einem Abkommen mit den internationalen Gläubigern über einen längerfristigen Zeitraum wieder an den ESM zurückzahlen. Dies könne Griechenland Luft verschaffen, um die Schuldenkrise zu bewältigen. Varoufakis hatte wiederholt eine Umschuldung gefordert, um mehr Zeit für die Rückzahlung der Bonds in EZB-Hand zu bekommen.
Zwischen Streit und Einigung: Die Griechenland-Krise
Euroländer und der IWF sagen, dass sie nicht weiter Milliarden an Rettungsgelder in einen Staat pumpen können, der sich nicht modernisieren will.
Griechenlands Problem wurde ursprünglich dadurch ausgelöst, dass sich das Land vor einem Jahrzehnt - in den guten Zeiten - sozusagen mit billigen Krediten vollfraß. Folglich sollte es sich jetzt darauf konzentrieren, Kosten zu senken. Die bisherigen Hilfen für Griechenland liegen bei 240 Milliarden Euro. Seit die Zahlung der Rettungsgelder 2010 begann, hat Athen Einschnitte bei Pensionen, staatlichen Jobs und Sozialausgaben vorgenommen, staatliche Vermögenswerte veräußert und Steuern erhöht.
Weitere Hilfen machen die Gläubiger von Reformen für effizientere Staatsverwaltung und Unternehmensregeln abhängig. So soll Athen unter anderem zahlreiche Steuerfreibeträge abschaffen, Massenentlassungen bei in Schwierigkeiten steckenden Unternehmen leichter machen und ein umfassendes Privatisierungsprogramm neu auflegen.
Um sicher zu sein, dass Athen die Kredite auch zurückzahlen kann, wollen die Gläubiger Zusagen, dass diese Extra-Reformen auch durchgeführt werden.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras kam hauptsächlich mit einem Versprechen an die Macht: Die Sparmaßnahmen zu beenden, auf die sich vorherige Regierungen eingelassen hatten. Tsipras argumentiert, dass die Maßnahmen umgestaltet werden müssten, um das Wachstum zu stimulieren. Es dürfe nicht nur um Schuldenabbau gehen. Er macht die Einschnitte für eine humanitäre Krise im Land verantwortlich: Die Wirtschaft ist um ein Viertel geschrumpft, mehr als 25 Prozent der Menschen sind arbeitslos und sogar noch mehr ohne Krankenversicherung.
Bei den neuen Reformvorschlägen konzentriert sich Tsipras hauptsächlich auf die Bekämpfung von Steuerflucht der Reichen. Dem Staat wird das aber nur begrenzt mehr Geld einbringen, denn der größte Teil der massiven Steuerschulden entfällt auf normale Haushalte und bankrotte Unternehmen. Andere Maßnahmen wie weitere Privatisierungen oder eine Lockerung von Arbeitsschutzregeln lehnt die Tsipras-Regierung ab.
Um eine drohende Pleite abzuwenden, muss ein Kompromiss her. Volkswirtschaftlern zufolge ist die Eurozone besser vor finanzieller Instabilität geschützt, wenn Griechenland den Euroverbund verlässt. Herabstufungen der Bonitätsnote und ein Anstieg der Kreditzinsen in den vergangenen Wochen haben an den Märkten außerhalb Griechenlands wenig Panik ausgelöst. Für Griechenland würde ein Ausstieg aus der Eurozone zumindest kurzfristig großes wirtschaftliches Chaos bedeuten.
Um einen Deal zu erreichen, hat die Regierung in Athen einigen vordem von ihr abgelehnten Maßnahmen zugestimmt, beispielsweise einer andauernden Aufsicht von außen über die Staatsfinanzen.
Der Schlüssel könnte am Ende in Tsipras' Popularität liegen, meint Gianis Palaiologos, ein angesehener griechischer Finanzkommentator. Demnach könnte der Regierungschef einen Kompromiss eingehen, einige kostensparende Reformen im Gegenzug zu bescheideneren Haushaltszielen akzeptieren.
Allein im Juli und August werden zusammen rund 6,7 Milliarden Euro fällig. Griechenland ringt seit Monaten mit den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um weitere Finanzhilfen, damit eine Staatspleite abgewendet werden kann. Die Verhandlungen über den geforderten Spar- und Reformkurs stocken aber.
Der griechische Ministerpräsidenten Alexis Tsipras warf den Gläubigern seines Landes eine Verhandlungstaktik der „finanziellen Strangulierung“ vor. Trotzdem habe Athen bisher alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt, sagte er am Montag. Seine Regierung habe nun detaillierte Vorschläge für ein machbares Abkommen mit der EU auf den Tisch gelegt, um die dringend benötigte letzte Rate von 7,2 Milliarden Euro aus dem 240 Milliarden Euro schweren Rettungspaket zu erhalten.
„Obwohl wir in einer Situation der finanziellen Strangulierung sind, haben wir alle unsere externen Verpflichtungen erfüllt, sagte Tsipras. „Der Mangel an Liquidität ist weder die Wahl noch die Verantwortung der griechischen Regierung. Es ist eine harte Verhandlungstaktik unserer Partner, und ich weiß nicht, ob irgendjemand in Europa stolz darauf ist“ sagte der Ministerpräsident.
Die griechische Regierung räumte am Montag ein, dass eine Einigung bis Monatsende dringlich sei. Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis sagte, Griechenland wolle sich bis Ende des Monats mit seinen Gläubigern über die Milliardenrate einigen. Um in den kommenden Monaten zahlungsfähig zu bleiben, brauche Athen mehr finanzielle Unterstützung. Eine Einigung mit den Gläubigern erwarte er bis Ende Mai.
Sakellaridis sagte, Griechenland habe bei einer Kreditrückzahlung in der vergangene Woche ein Reservekonto beim Währungsfonds genutzt. Um das Geld zusammenzubekommen, habe die Regierung auf die Finanzreserven von Schulen, Krankenhäusern und Regionalverwaltungen zurückgreifen müssen. Trotzdem sei Griechenland nicht bereit, eine einmalige Abgabe auf Bankkonten zu akzeptieren.
Athen erwartet schnelle Einigung mit Geldgebern
Tispras und Varoufakis gehen aber davon aus, dass das lange Tauziehen rund um das griechische Spar- und Konsolidierungsprogramm bald beendet werde. „Wir sind auf der Zielgeraden für eine für beide (Seiten) günstige Lösung“, sagte Tsipras in einer Rede am späten Montagabend. Dem schloss sich Finanzminister Gianis Varoufakis in einem Interview mit dem griechischen TV-Sender Star in der Nacht zum Dienstag an. „Wir sind dem (einer Lösung) sehr nahe“, dies könnte schon „in einer Woche“ der Fall sein, sagte Varoufakis. Und Tsipras sprach davon, es gebe Einige (in Europa), die „Spaltungspläne“ ausarbeiteten. „Die Stimmen der Vernunft haben aber die Oberhand gewonnen“, sagte Tsipras. Athen habe den Geldgebern detaillierte Pläne vorgelegt.
Griechenland braucht dringend die seit fast einem Jahr auf Eis liegende Finanzhilfe in Höhe von 7,2 Milliarden Euro seitens der Europartner und dem IWF. Die Kassen sind leer und im Juni müssen allein an den IWF gut 1,5 Milliarden Euro zurückgezahlt werden.
Das hoch verschuldete Land muss dem Internationalen Währungsfonds aber demnächst hohe Kredite zurückzahlen und ist dafür auf die Auszahlung der letzten Rate des Rettungsschirms angewiesen. Eine Vereinbarung mit den anderen Mitgliedstaaten der Eurozone darüber steht aber immer noch aus, weil die griechischen Vorschläge den Gläubigern bislang zu vage sind.
Angesichts der Furcht vor einer Staatspleite muss die griechische Regierung immer höhere Zinsen für Anleihen auf den Tisch legen. Am Montag übersprangen die Zinsen für Staatsanleihen mit zweijähriger Laufzeit die Marke von 24 Prozent, während die Athener Börse am Mittag um fast zwei Prozent ins Minus rutschte.
Die Bundesbank sieht die Zahlungsfähigkeit Griechenlands als akut bedroht an. Das Ägäis-Land wird seit 2010 von den Euro-Partnern und dem IWF mit 240 Milliarden Euro vor dem finanziellen Kollaps bewahrt.