Knauß kontert Der lahme Staat

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Leviathan wird zur Milchkuh

Wer hätte noch vor kurzem gedacht, dass man ernsthaft an der generellen Unzulässigkeit von Ehen mit Kindern zweifelt? Der Schutz der Kinder und die Gleichberechtigung von Mann und Frau scheinen für manch einen deutschen Politiker im konkreten Fall eben doch nicht so wertvoll zu sein, wie man bisher dachte. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özuguz, behauptet, ein pauschales Verbot würde „junge Frauen“ (Es geht um Kinder!) ins „soziale Abseits drängen“, weil sie schließlich Unterhalt von ihren „Ehepartnern“ bekämen. Als ob das „soziale Abseits“ nicht gerade durch die Zwangsverheiratung Unmündiger geschaffen würde!

Menschenrechtswidrige, vormoderne, pseudoreligiöse Traditionen von Eingewanderten zu brechen und den „ordre public“ notfalls per Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen, traut sich auch das Bundesinnenministerium – eigentlich hauptverantwortlich für die Staatsgewalt – offenbar nicht mehr zu. Auch dort glaubt man, staatliches Handeln durch Bezahlvorgänge ersetzen zu können: Imame, die „Eheschließungen“ mit Kindern zelebrieren, sollen 1.000 Euro Bußgeld zahlen - als ob es sich um eine Ordnungswidrigkeit wie falsches Parken handelte.

Wie gelähmt tritt der Staat auch auf den Bahnhofsvorplätzen und anderen Kriminalitätshotspots der Republik auf. Wer Drogen verkauft oder Diebstähle begeht, kann in den meisten Fällen damit rechnen, dass er sehr bald nach der Festnahme – wenn sie überhaupt erfolgt – wieder frei kommt. Spätestens vor Gericht endet in der Regel die kurze Unterbrechung des kriminellen Geschäfts, wie Rainer Wendt von der Polizeigewerkschaft nicht müde wird zu klagen. Meist gibt es weder Haftstrafen noch Abschiebungen. Den Berliner Behörden genügt übrigens die Nachricht von kalten Temperaturen in der Heimat, um eine Abschiebung abzublasen. Entsprechend dreist treten diese „polizeibekannten Wiederholungstäter" auf - nicht nur gegenüber ihren Opfern, sondern auch gegenüber der Polizei. Und entsprechend steigen die Zahlen der Diebstähle und das allgemeine Empfinden der Unsicherheit an den  Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten.

Das sind die Maschen der Taschendiebe

Wer einmal nachts mit dem IC der Deutschen Bahn von Hamburg ins Rheinland fuhr, wird vielleicht auch die lakonische Standardansage des Zugpersonals kennen: „Unsere Freunde, die Taschendiebe, sind gerade wieder eingestiegen. Bitte achten Sie auf Ihre Wertsachen und schlafen sie nicht ein, wir melden, wenn sie wieder ausgestiegen sind“. Tatsächlich sieht man dann einige Leute durch die Abteile huschen, die, wie die Zugbegleiterin erklärt, schon unzählige Male nach Diebstählen festgenommen wurden, aber dennoch immer wieder aufkreuzen.  

Thomas Hobbes, der große englische Staatstheoretiker, nannte den Staat „Leviathan“ - nach einem mythischen allmächtigen Ungeheuer, gegen das jeder menschliche Widerstand vergeblich ist. Nur der Staat bewahrt die Menschen davor, in ihren Naturzustand zurückzufallen. Dieser staatslose Zustand ist nicht die große Freiheit, sondern, wie Hobbes schreibt, der Krieg aller gegen alle, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist.

Aus dem allmächtigen Leviathan ist, so steht zu befürchten, mittlerweile eine träge Milchkuh geworden, die zwar immer größere Euter hat, aber ihre Hörner nicht mehr zu gebrauchen weiß. Die Wölfe beginnen das zu erkennen.   

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